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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: I B 79/05
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO 1977 § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig war.

Der Kläger war bis Anfang 1989 an mehreren Kapitalgesellschaften beteiligt sowie Eigentümer von Grundvermögen und Inhaber gewerblicher Schutzrechte. Im Februar 1989 veräußerte er erhebliche Teile seines Vermögens an eine von ihm beherrschte GmbH und die Anteile an dieser GmbH wiederum an eine andere GmbH. Im März 1989 teilte seine damalige steuerliche Beraterin dem seinerzeit zuständigen Finanzamt E (FA E) mit, dass der Kläger seinen Wohnsitz nach Spanien verlegt habe und nur noch beschränkt steuerpflichtig sei; in diesem Zusammenhang wurden zwei Abmeldebestätigungen eingereicht, nach denen der Kläger am 1. Januar 1989 und seine Ehefrau am 25. Januar 1989 aus ihrer inländischen Wohnung ausgezogen waren.

Der Kläger gab für 1989 eine Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige ab. Das FA E erließ daraufhin einen unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid, in dem es von einer beschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers ausging. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. In der Folge wurde der Bescheid wiederholt geändert, zuletzt im Jahr 2002 in der Weise, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Vermögenswerte höher als zuvor angesetzt wurde.

Im weiteren Verlauf kam es zu Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle, die u.a. eine Wohnung in Hamburg durchsuchte und zu dem Ergebnis kam, dass diese Wohnung vom Kläger genutzt werde und der Kläger deshalb unbeschränkt steuerpflichtig sei. Dem schloss sich das damals zur Besteuerung einschlägiger Fälle zuständige Finanzamt H (FA H) an. Es erließ deshalb für die Jahre 1990 bis 1992 Einkommensteuerbescheide, in denen es von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers ausging und die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Der Kläger legte auch gegen diese Bescheide Einsprüche ein.

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Der deshalb erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) nur hinsichtlich des Bescheids für 1989 in geringem Umfang stattgegeben; im Übrigen wies es die Klage ab. Dabei ging das FG insbesondere davon aus, dass der Kläger in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA H ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist durch eine Neuordnung der behördlichen Zuständigkeiten (Anordnung zur Änderung der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 6. September 2005, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl HA-- II 2005, 1693) der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Besteuerung des Klägers zuständig geworden.

II. Durch die Änderung der Behördenzuständigkeit hat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. Oktober 2002 I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631). An Stelle des FA H ist als Beschwerdegegner das FA in das Verfahren eingetreten.

III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat einen Grund für die Zulassung der Revision nicht in der gebotenen Weise dargelegt.

1. Gemäß § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil unter den dort genannten Voraussetzungen zuzulassen. Wird auf einen der gesetzlich bestimmten Zulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss dieser Grund in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Fehlt es daran, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.

2. Im Streitfall leitet der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) daraus ab, dass keine einheitliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wohnsitzes i.S. des § 8 der Abgabenordung (AO 1977) bestehe. Das gelte namentlich bezogen auf den hierfür erforderlichen Umfang der Nutzung einer Wohnung. Dazu habe der BFH zwar einerseits entschieden, dass es eine feste zeitliche Mindestgrenze nicht gebe (Senatsurteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447). Andererseits habe er jedoch wiederholt ausgesprochen, dass allein durch kurzzeitige Besuche in einer Wohnung ein Wohnsitz dort nicht begründet werde (BFH-Urteile vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279). In diesem Punkt bestehe deshalb Klärungsbedarf.

Mit diesem Vortrag hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Durch die von ihm zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung sind, was die Bedeutung der zeitlichen Nutzung für § 8 AO 1977 angeht, die maßgeblichen Grundlinien bestimmt. Diese gehen dahin, dass einerseits eine Nutzung der Wohnung erforderlich ist, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 132/04, BFH/NV 2004, 1639; Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 8 AO Rz. 27, m.w.N.), andererseits aber weder regelmäßig noch über längere Zeit erfolgen muss (Senatsurteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, BFH/NV 2004, 917, m.w.N.). Die Umsetzung dieser Maßstäbe im konkreten Einzelfall ist Aufgabe des Tatrichters und entzieht sich einer generellen und abstrakten Bestimmung, die Aufgabe des Revisionsgerichts sein könnte. Auch der Kläger gibt nicht an, welche grundsätzlich bedeutsame Frage insoweit geklärt werden könnte. Er rügt vielmehr im Kern, dass das FG die vom BFH entwickelten Grundsätze unrichtig angewandt habe. Damit macht er aber keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend.

3. Die "hilfsweise" geltend gemachte Abweichung des FG-Urteils von den in der Beschwerdebegründung zitierten BFH-Entscheidungen hat der Kläger ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Dazu hätte er einen das FG-Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz aus einer BFH-Entscheidung in der Weise gegenüberstellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 21. Oktober 2005 VIII B 295/04, BFH/NV 2006, 339; vom 20. Dezember 2005 X B 10/05, BFH/NV 2006, 777; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 42, m.w.N.). Das ist nicht geschehen. Insbesondere reicht es hierfür nicht aus, dass der Kläger auf die im FG-Urteil enthaltene Formulierung verweist, der Umfang der zeitlichen Nutzung der Wohnung sei "nach der Rechtsprechung des BFH unerheblich". Denn selbst wenn dieser Formulierung der Rechtssatz zu entnehmen wäre, dass ein Wohnsitz auch durch eine nur ganz kurzfristige und besuchsweise Nutzung begründet oder beibehalten werden könne, würde die angefochtene Entscheidung von diesem Rechtssatz nicht getragen. Das FG hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass nach seiner Überzeugung die Wohnung in Hamburg vom Kläger "regelmäßig genutzt wurde". Das reicht nach den vom BFH entwickelten Maßstäben für die Annahme eines Wohnsitzes jedenfalls aus.

4. Mit seiner Rüge, die Beweiswürdigung des FG verstoße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, hat der Kläger keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 3. August 2005 I B 195/04, BFH/NV 2006, 72; Ruban in Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 83, m.w.N.). Auf eine weitere Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.



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