Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: I R 101/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 119
FGO § 126 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren 1989 und 1990 in der Rechtsform einer GmbH vermögensverwaltend tätig. Anteilseigner waren u.a. E (zu 50 %) und D (zu 20 %). Seit 1987 war die Klägerin (zeitweise mehrheitlich) an der 1983 gegründeten S GmbH (S) beteiligt. Daneben hielten in den Streitjahren sowohl E (zeitweise) als auch D unmittelbare Beteiligungen an der S. Diese vermietete eine angepachtete Shredderanlage (Schrottpresse) für Altautos, die sie später selbst betrieb. Sie wies in den Jahren 1988 bis 1990 Verluste aus. Ende 1990 wurde die Shredderanlage stillgelegt.

Im Juli 1989 gewährte die Klägerin der S ein Darlehen in Höhe von 900 000 DM. Auf dieses Darlehen nahm sie im Jahr 1989 eine Wertberichtigung in Höhe von 448 062 DM und im Jahr 1990 in Höhe von 140 000 DM vor, im Jahr 1989 zudem auf die Beteiligung an der S eine Wertberichtigung in Höhe von 94 096 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte diese Wertberichtigungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Darum streiten die Beteiligten.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, es sei nicht nachgewiesen, dass der Erwerb der Beteiligung an der S und die Darlehenshingabe durch die Klägerin betrieblich veranlasst gewesen seien. Die Klägerin habe die Beteiligung erst 1987 erworben. Zu diesem Zeitpunkt sei aber bereits ersichtlich geworden, dass mit der Vermietung der Shredderanlage kein Gewinn erzielbar gewesen sei. Die Liquidität der Mieterin sei nicht gewährleistet gewesen, der Endmieter (Betreiber) der Anlage sei ebenfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die (gepachtete) Shredderanlage sei zudem Ende 1986 von der Eigentümerin veräußert worden. Die Behauptung der Klägerin, sie sei beim Erwerb der Beteiligung an der S davon ausgegangen, auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung gewinnbringend tätig werden zu können, sei durch nichts belegt. Seriöse Rentabilitätsberechnungen habe sie --obwohl vermögensverwaltend tätig-- nicht vorgelegt.

Somit hätten für das Engagement der Klägerin bei der S deren Interessen im Vordergrund gestanden. Sowohl die Beteiligung als auch die Darlehenshingabe seien im Ergebnis der S zugute gekommen. Für beide Gesellschaften sei derselbe Geschäftsführer (E) tätig geworden, der somit Vereinbarungen mit sich selbst habe treffen können. Gesellschafter der S seien unwidersprochen die Lebensgefährtin des E und die Ehefrau des D, also den Gesellschaftern der Klägerin nahe stehende Personen gewesen. Ein sorgfältig und gewissenhaft handelnder Geschäftsführer hätte die in Rede stehende Vermögensanlage nicht getätigt. Somit habe das FA zu Recht vGA angenommen. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung verwiesen.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid für 1989 insoweit abzuändern, als dort Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung an der S in Höhe von 94 096 DM und auf das Darlehen an die S in Höhe von 448 062 DM als vGA behandelt worden sind, weiterhin den Körperschaftsteuerbescheid für 1990 insoweit abzuändern, als dort Teilwertabschreibungen auf das Darlehen an die S in Höhe von 140 000 DM als vGA behandelt worden sind. Hilfsweise beantragt die Klägerin, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Im Wesentlichen rügt die Klägerin Verfahrensmängel der Vorinstanz. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Schrottpresse nicht mit Gewinn habe betrieben werden können und die Beteiligung an der S und die Darlehensgewährung ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis fänden. Diese Entscheidung beruhe vor allem auf der Feststellung des FG, dass sowohl die Lebensgefährtin des E als auch die Ehefrau des D Gesellschafter der S gewesen seien. Dies sei unzutreffend, wie sie, die Klägerin, im Klageverfahren auch dargelegt habe. Zudem hätten in den Jahren ab 1990 in der Leitung der S nicht die Klägerin, sondern fachlich versierte Drittfirmen das Sagen gehabt. Mit der Nichtberücksichtigung ihres Vortrags habe das FG jedenfalls ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Das FA beantragt --im Wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung--, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat hält die Rüge der Klägerin für begründet, dass das FG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt hat.

1. Der Vorentscheidung liegt die Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens durch das FG zugrunde, dass für das Engagement der Klägerin gegenüber der S nicht ihre eigenen, sondern deren Interessen ausschlaggebend gewesen seien und dieses Engagement daher seine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis gefunden habe. Sie beruht im Wesentlichen auf der Feststellung des FG, dass Gesellschafter der S die Lebensgefährtin des E und die Ehefrau des D gewesen seien. Diese Feststellung deckt sich nicht mit den Ausführungen der Klägerin im vorangegangenen Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung, in dem diese der diesbezüglichen Annahme des FG unter Beifügung präsenter Beweismittel (aus der Akte betreffend den späteren Konkurs der S) ausdrücklich widersprochen hat. Dieser Schriftsatz ist in der mündlichen Verhandlung vor dem FG laut Vorentscheidung zwar erörtert, sein Inhalt ist indessen zumindest im streitigen Punkt in den Entscheidungsgründen nicht gewürdigt worden. Im Übrigen geht zwar auch das FA in seiner Einspruchsentscheidung davon aus, dass die Lebensgefährtin des E und die Ehefrau des D Anteilseigner der S geworden seien, allerdings --mit Anteilen von jeweils lediglich 100 000 DM-- erst ab 1991.

2. Geht das Gericht auf den Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von entscheidender Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; vom 1. Februar 1978 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht einerseits, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Andererseits ergibt sich daraus als notwendige Ergänzung die Pflicht des Gerichts zu einer Begründung seiner Entscheidung, aus der erkennbar wird, dass es dieser Verpflichtung nachgekommen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1996 VIII B 19/95, BFH/NV 1997, 489; BFH-Urteil vom 29. November 1990 IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531, m.w.N.). Das Gericht muss daher jedenfalls die wesentlichen der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachen oder Rechtsausführungen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen verarbeiten (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Anm. 10 a; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 119 FGO Anm. 50; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2001, § 119 Anm. 37). Hieran fehlt es, wenn das Gericht wie im Streitfall ohne nähere Erläuterung einen Sachverhalt zugrunde legt, der von einem der Beteiligten ausdrücklich bestritten worden ist.

Die Klägerin hat insoweit auch ihr Rügerecht nicht verloren. Da sich die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs erst aus den Entscheidungsgründen selbst ergibt, war ihr eine entsprechende Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich. Daher geht auch der Hinweis des FA auf die Möglichkeit eines Beweisantrags der Klägerin betreffend die Beteiligungsverhältnisse an der S ins Leere.

3. Wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör nicht (hinreichend) gewährt worden ist, ist das Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 119 Nr. 3 FGO). Liegt ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 FGO vor, muss das Revisionsgericht zurückverweisen und sich jeder sachlichen Stellungnahme, die das FG unter Umständen binden könnte, enthalten (BFH-Urteile vom 24. September 1998 V R 82/97, BFH/NV 1999, 487; vom 11. Dezember 1992 VI R 162/88, BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306; vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242). § 126 Abs. 4 FGO findet keine Anwendung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der BFH lediglich dann zugelassen, wenn das FG die Klage abgewiesen hat und sich diese Abweisung --ungeachtet des Vorliegens eines Verfahrensfehlers-- im Ergebnis aus prozessualen Gründen als richtig erweist (BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 487; vom 8. Juli 1994 III R 78/92, BFHE 175, 7, BStBl II 1994, 859). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Dem Senat ist daher eine Entscheidung in der Sache versagt; die Sache ist --entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin-- an das FG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

4. Ob das FG zudem eine nach den Akten feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO - vgl. dazu BFH-Beschluss vom 23. März 2000 VII S 26/99, BFHE 191, 184), braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

Zurück