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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: I R 16/02
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtlichen Folgen der Vereinbarung einer Gewinntantieme.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1991 gegründete GmbH, die im Bausektor tätig war. Sie hatte im Anschluss an ihre Gründung ein bis dahin von X geführtes Einzelunternehmen käuflich erworben, dessen Geschäftsbetrieb sie in der Folge weiterführte. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin endete jeweils am 30. Juni eines Kalenderjahrs.

Am Stammkapital der Klägerin waren im hier maßgeblichen Zeitraum V und K zu jeweils 50 v.H. beteiligt. Beide waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. K war vor der Gründung der Klägerin langjährig leitender Angestellter im Unternehmen des X gewesen, während V erst im September 1990 Mitarbeiter dieses Unternehmens geworden war. X war für die Klägerin weiterhin als Berater tätig.

In den 1991 geschlossenen Anstellungsverträgen sagte die Klägerin jedem ihrer Geschäftsführer ein Festgehalt von 135 000 DM brutto sowie Zuschüsse zu einer betrieblichen Direktversicherung und die Stellung eines Kraftfahrzeugs zu. Außerdem sollte jeder Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 40 v.H. des Jahresüberschusses der Klägerin vor Berücksichtigung von Sonderabschreibungen und betrieblichen Steuern erhalten, wobei der Tantiemebetrag auf höchstens 150 v.H. des Festgehalts begrenzt war. Die Tantiemeregelungen waren vertraglich auf fünf Jahre befristet; nach Ablauf des Streitjahrs (1994) wurden zunächst --mit Wirkung zum Wirtschaftsjahr 1995/96-- die Kappungsgrenze auf 200 v.H. des Festgehalts erhöht und später --mit Wirkung zum Wirtschaftsjahr 1996/97-- die Anstellungsverträge grundlegend geändert.

Im Anschluss an eine Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Tantiemeleistungen insoweit, als sie insgesamt 50 v.H. des Gewinns vor Sonderabschreibungen und Steuern überstiegen, als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an. Er erließ für das Streitjahr einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem er den Tantiemeaufwand für das Wirtschaftsjahr 1993/94 entsprechend korrigierte; die für das Wirtschaftsjahr 1994/95 gezahlte Tantieme wurde in dem Bescheid in vollem Umfang berücksichtigt, da der auf 50 v.H. des Gewinns gekürzte Tantiemebetrag oberhalb der von der Klägerin selbst berücksichtigten Kappungsgrenze lag. Die Klage gegen diesen Bescheid hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 495 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Steuer ohne Berücksichtigung einer vGA festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass die von der Klägerin geleisteten Tantiemezahlungen in dem vom FA angenommenen Umfang als vGA anzusehen sind.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kann eine Tantiemezahlung, die eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer leistet, steuerrechtlich ganz oder teilweise als vGA zu beurteilen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter ansonsten vergleichbaren Voraussetzungen einem Fremdgeschäftsführer der GmbH keine entsprechende Tantieme versprochen hätte. In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass die getroffene Tantiemeregelung entweder vollen Umfangs oder zumindest zum Teil durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst worden ist.

2. Der Senat hat ferner wiederholt entschieden, dass die Zahlung einer Gewinntantieme an einen Gesellschafter-Geschäftsführer in aller Regel vGA ist, soweit sich die Tantieme auf mehr als 50 v.H. des Jahresüberschusses der Gesellschaft beläuft (Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 74/99, BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547; vom 15. März 2000 I R 73/99, BFH/NV 2000, 1245; vom 27. April 2000 I R 88/99, BFH/NV 2001, 342). Sind mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer tantiemeberechtigt, so kommt es in diesem Zusammenhang auf die Summe der ihnen versprochenen Tantiemen an (Senatsurteile vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; vom 12. Oktober 1995 I R 4/95, BFH/NV 1996, 437). Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass Tantiemen von mehr als 50 v.H. des Jahresüberschusses tendenziell auf eine Gewinnabsaugung zielen und im Wirtschaftsleben unter fremden Dritten unüblich sind (Senatsbeschluss vom l. Dezember 1993 I B 158/93, BFH/NV 1994, 740; Buciek, Deutsche Steuer-Zeitung 2000, 870).

3. Allerdings führt die Überschreitung der Grenze von 50 v.H. nicht in jedem Fall zur Annahme einer vGA. Sie begründet vielmehr nur eine Vermutung für eine Veranlassung der Tantiemeregelung im Gesellschaftsverhältnis (Senatsurteile in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; in BFH/NV 1996, 437). Diese Vermutung kann im Einzelfall widerlegt werden. Hierzu muss die Gesellschaft jedoch Umstände vortragen, aus denen sich klar und eindeutig ergibt, dass die Vereinbarung eines Tantiemesatzes von 50 v.H. wirtschaftlich geboten war und deshalb auch einem Fremdgeschäftsführer gegenüber akzeptiert worden wäre. Geschieht dies nicht, so ist --dem Regelfall entsprechend-- von einer Mitveranlassung der Tantiemezusage im Gesellschaftsverhältnis auszugehen und die Tantieme insoweit als vGA zu behandeln, als sie 50 v.H. des Gewinns übersteigt.

4. Ob der hiernach erforderliche Nachweis der Fremdvergleichbarkeit im Einzelfall gelungen ist, muss in erster Linie das FG beurteilen. Dessen tatrichterliche Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss in BFH/NV 1994, 740). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, so ist die Beurteilung seitens des FG auch dann maßgeblich, wenn eine abweichende Würdigung ebenfalls möglich oder sogar nahe liegend ist.

5. Im Streitfall hält die Entscheidung des FG einer an diesen Maßstäben orientierten Überprüfung stand. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Klägerin die Überschreitung der Grenze von 50 v.H. des Jahresüberschusses nicht schon deshalb unschädlich, weil sie vertraglich auf eine Anlaufphase der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin beschränkt worden ist. In diesem Zusammenhang muss auf die Überlegungen der Klägerin zum Inhalt des Begriffs "Anlaufphase" nicht näher eingegangen werden. Denn unabhängig davon, ob dieser Begriff einer allgemeinen Definition zugänglich ist und auf welche Kriterien eine solche Definition ggf. abstellen müsste, hat das FG den Gedanken der "Anlaufphase" ohne Rechtsfehler für im Streitfall nicht durchgreifend erachtet.

a) Allerdings ist der Klägerin zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des Senats eine auf die Anlaufphase beschränkte Gewinntantieme steuerrechtlich auch dann anzuerkennen sein kann, wenn sie das übliche Maß übersteigt (Senatsurteil in BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547). Das bedeutet aber nicht, dass in der Zeit unmittelbar nach Gründung einer Kapitalgesellschaft jeglicher Tantiemesatz unschädlich wäre. Der Gesichtspunkt der Anlaufphase rechtfertigt vielmehr nur dann eine Überschreitung der Grenze von 50 v.H. des Jahresüberschusses, wenn im konkreten Einzelfall angenommen werden kann, dass er auch unter fremden Dritten zu einer in diesem Sinne erhöhten Tantieme geführt hätte (ebenso schon Senatsbeschluss vom 18. März 2002 I B 156/01, BFH/NV 2002, 1178 zur "Nur-Tantieme"). Das aber hat das FG in rechtsfehlerfreier Weise verneint.

Es hat hierzu vor allem darauf abgestellt, dass die Klägerin unmittelbar nach Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs auf die Organisationsstruktur und die Geschäftsbeziehungen des von X erworbenen Einzelunternehmens habe zurückgreifen können und dass speziell der Geschäftsführer K auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit im Unternehmen des X in der Lage gewesen sei, Reibungsverluste im Zusammenhang mit dem Unternehmensübergang weitgehend zu vermeiden. K habe als "verbindendes Element" zwischen dem früheren Einzelunternehmen und der Klägerin dieser eine sofortige Teilnahme am Markt ermöglicht. Das FG ist hiernach zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht vor den typischen Schwierigkeiten eines neu gegründeten Unternehmens gestanden habe und dass deshalb ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter keine Veranlassung gesehen hätte, einem Fremdgeschäftsführer eine unüblich hohe Tantieme zu versprechen. Diese Würdigung ist zumindest möglich und deshalb revisionsrechtlich bindend.

Die Klägerin verweist zwar in diesem Zusammenhang auf Änderungen in der Unternehmens- und Kapitalstruktur sowie darauf, dass K im Unternehmen des X nur Betriebsleiter und nicht geschäftsleitend tätig gewesen sei. Damit zeigt sie jedoch keinen Verstoß des FG gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze auf; sie setzt vielmehr nur ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des FG, was im Revisionsverfahren unbeachtlich ist. Abgesehen davon würde die von der Klägerin angeführte Beschränkung der Qualifikation des K eher gegen als für die Annahme sprechen, dass dem K unter fremden Dritten 40 v.H. des Gewinns der Klägerin überlassen worden wären. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachaufklärung durch das FG rügt, kann sie damit im Revisionsverfahren schon deshalb nicht gehört werden, weil sie weder in der ersten Instanz Beweisanträge gestellt noch im Revisionsverfahren angegeben hat, welche zusätzliche Beweiserhebung sich dem FG auch ohne einen solchen Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69 f.). Angesichts dessen ist der Senat in der Frage des Veranlassungszusammenhangs an die Beurteilung der das FG gebunden.

c) Ohne Erfolg bleibt der Vortrag der Klägerin, die erhöhte Tantieme sei ein Ausgleich dafür gewesen, dass ihre Geschäftsführer einem unangemessen niedrigen Festgehalt zugestimmt hätten. Denn eine zu Gunsten der Gesellschafter unübliche Tantiemeregelung verliert ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis nicht allein dadurch, dass die Vertragsparteien bei anderen Gehaltsbestandteilen zum Vorteil der Gesellschaft vom Üblichen abweichen. Zwar mag es dem Fremdvergleich standhalten, wenn verschiedene Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers in der Weise gegeneinander ausgeglichen werden, dass z.B. ein am unteren Rand des Angemessenen liegendes Festgehalt und zum Ausgleich hierfür eine an der oberen Grenze des Angemessenen liegende Tantieme vereinbart wird oder umgekehrt. Eine eindeutige Überschreitung des Bereichs des Fremdüblichen, wie sie im Streitfall vorliegt, lässt sich jedoch durch eine saldierende Betrachtung nicht rechtfertigen. Vielmehr weist gerade die Verbindung eines ungewöhnlich niedrigen Festgehalts mit unüblich hohen variablen Bezügen auf einen Gleichlauf der Interessen hin, wie er für das Verhältnis eines Gesellschafter-Geschäftsführers zu "seiner" Gesellschaft typisch ist. Sie spricht daher eher für als gegen die Annahme, dass eine entsprechende Vereinbarung durch die Gesellschafterstellung des Geschäftsführers veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111). Aus demselben Grund steht der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die Vereinbarung einer erhöhten Gewinntantieme für sie in den ersten Jahren ihrer Geschäftstätigkeit günstiger war als die Zahlung der eigentlich für angemessen erachteten Festgehälter, der vom FG angenommenen Veranlassung der Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht zwingend entgegen.

d) Schließlich kann die Klägerin nicht mit ihrem Hinweis durchdringen, dass einerseits die streitige Tantiemeregelung auf fünf Jahre begrenzt gewesen sei und andererseits sie --die Klägerin-- trotz der Tantiemeverpflichtungen erhebliche Gewinne erzielt habe. Denn die Frage der zeitlichen Begrenzung könnte nur dann eine Rolle spielen, wenn die ungewöhnlich hohe Tantieme im Grundsatz unter dem Gesichtspunkt der Anlaufphase gerechtfertigt werden könnte, woran es im Streitfall fehlt. Und dass der tantiemeverpflichteten Gesellschaft eine angemessene Verzinsung ihres Eigenkapitals verbleibt, schließt nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Würdigung einer Tantieme als vGA nicht aus (vgl. hierzu Senatsurteile in BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547, 549, und in BFH/NV 2001, 342, 343, m.w.N.).

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