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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: I R 19/02
Rechtsgebiete: GewStG 1991, EStR 1993


Vorschriften:

GewStG 1991 § 8 Nr. 1
EStR 1993 R 33 Abs. 7 Satz 3
Die gemäß R 33 Abs. 7 EStR 1993 in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern als Anlagevermögen einbezogenen und aktivierten Bauzeitzinsen sind dem Gewinn weder in dem Erhebungszeitraum der Aktivierung noch in jenen Erhebungszeiträumen als Dauerschuldentgelte hinzuzurechnen, in denen gewinnmindernde AfA oder Teilwertabschreibungen von den Herstellungskosten vorgenommen werden (Fortführung des Senatsurteils vom 10. März 1993 I R 59/92, BFH/NV 1993, 561).
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, nahm anlässlich der Errichtung diverser Gebäude, Betriebsvorrichtungen und sonstiger Wirtschaftsgüter Darlehen auf, für die sie während der Bauzeit Zinsen zahlte. Unter Inanspruchnahme des Wahlrechts nach R 33 Abs. 7 Sätze 3 und 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1993 (EStR 1993) aktivierte sie diese Bauzeitzinsen bei den Herstellungskosten der errichteten Wirtschaftsgüter und nahm hierauf u.a. in den Streitjahren 1994 und 1996 Abschreibungen vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Beträge, welche anteilig auf die Bauzeitzinsen infolge der Absetzung für Abnutzung (AfA) entfielen, als Dauerschuldentgelte gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1991 und rechnete diese bei der Ermittlung der Gewerbeerträge den Gewinnen der Klägerin hälftig hinzu.

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Gewerbesteuermessbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 999 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Nr. 1 GewStG 1991.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermessbeträge dahin zu ändern, dass die in der AfA enthaltenen aktivierten Bauzeitzinsen für 1994 in Höhe von ... DM und für 1996 in Höhe von ... DM nicht hälftig dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 als Entgelte für Dauerschulden hinzugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu anderweitigen Steuerfestsetzungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat die von der Klägerin als Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern ihres Anlagevermögens aktivierten Zinsen im Umfang der in Anspruch genommenen AfA bei der Ermittlung der Gewerbeerträge der Erhebungszeiträume 1994 und 1996 zu Unrecht dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 GewStG 1991 zur Hälfte hinzugerechnet.

1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1991 wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (sog. Dauerschulden). Die genannten Entgelte dürfen gemäß § 8 Nr. 1 Satz 1 GewStG 1991 nur dann wieder hinzugerechnet werden, wenn sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

2. Im Streitfall besteht unter den Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die von der Klägerin in Anspruch genommenen Kredite Dauerschulden darstellen. Fraglich ist allein, ob die hierauf berechneten und geleisteten Bauzeitzinsen Entgelte i.S. von § 8 Nr. 1 GewStG 1991 sind, nachdem sie als Teile der Herstellungskosten nach R 33 Abs. 7 Sätze 3 und 4 EStR 1993 aktiviert wurden und in der Folgezeit --und so auch in den Streitjahren-- nur noch über die AfA gewinnmindernd in Erscheinung traten. Dies ist zu verneinen (ebenso z.B. Bock, Der Betrieb --DB-- 1997, 751, und 2001, 1117; Koths, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1998/1999, 129, 134 f.; Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 8 GewStG Rz. 90, Absetzungen für Abnutzung; anders Herlinghaus, EFG 2002, 1470; anders z.B. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 2002 1 K 2070/00, EFG 2002, 1469; Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Rz. 108; Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz. 37; Köhler, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1996, 287, und 2003, 84; Pyszka, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 565)).

a) Entgelte für Schulden sind die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1 Rz. 33). In erster Linie sind dies die für die Schulden geleisteten Zinsen (§ 246 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Während sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 bis zum Erhebungszeitraum 1990 dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift nach aber hierauf beschränkte, sind seitdem Entgelte jedwelcher Art hinzuzurechnen. Im Schrifttum ist allerdings kontrovers, wie dieser Begriff zu verstehen ist. Teilweise wird vertreten, darunter falle nur die für die eigentliche Nutzungsmöglichkeit zu erbringende Gegenleistung im engeren Sinne (so Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz. 59; vgl. auch Senatsurteil vom 8. März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623, 625, unter 3.). Andere sind der Auffassung, Entgelte seien alle Aufwendungen, die ohne die Inanspruchnahme von Dauerschulden nicht entstanden wären (so z.B. Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Rz. 352; Pauka, DB 1988, 2224, 2226). Für die Entscheidung des Streitfalls kann diese Kontroverse unentschieden bleiben. Die hier in Rede stehenden AfA-Beträge unterfallen weder nach der einen noch nach der anderen Ansicht dem Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 GewStG 1991, weil diese in keinem Fall Gegenleistungen für die eigentliche Überlassung des Fremdkapitals und dessen Nutzung darstellen.

b) Denn dadurch, dass der Steuerpflichtige in Einklang mit § 255 Abs. 3 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) somit von dem ihm in R 33 Abs. 7 Sätze 3 und 4 EStR 1993 eingeräumten Wahlrecht Gebrauch macht und die Bauzeitzinsen aktiviert, verlieren die Zinsen ihren ursprünglichen Charakter. Sie gelten in diesem Fall als Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes (vgl. § 255 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz HGB) und somit des aktivierungspflichtigen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens, das nach Maßgabe der einschlägigen handels- und steuerrechtlichen Vorschriften abzuschreiben ist. Diese handelsrechtliche Umqualifizierung der aktivierten Bauzeitzinsen wirkt sich (über § 7 GewStG 1991) auf die Ermittlung des Gewerbeertrages aus und schlägt auch auf die gewerbesteuerrechtliche Behandlung als Dauerschuldzinsen durch. Sind die vormaligen Bauzeitzinsen infolge der Ausübung des Aktivierungswahlrechts als Herstellungskosten zu behandeln, kann für die Zwecke der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 nicht mehr auf die über die AfA ergebniswirksam werdenden Bauzeitzinsen zurückgegriffen werden. Denn AfA können ungeachtet ihres Aufwandscharakters weder begrifflich noch wirtschaftlich Entgelte für Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG 1991 sein.

c) Der Senat folgt damit im Ergebnis nicht der entgegenstehenden Praxis der Finanzverwaltung (vgl. Oberfinanzdirektion --OFD-- Münster, Verfügung vom 26. November 1993, DStR 1994, 324; OFD Düsseldorf, Verfügung vom 21. Oktober 1994, DB 1994, 2267; OFD Kiel, Verfügung vom 25. September 2000, DB 2000, 2195; OFD München, Verfügung vom 18. Juli 2000, DStR 2000, 1395; Finanzministerium Sachsen, Erlass vom 12. Juni 2001, DStR 2001, 1348). Er vermeidet zugleich beträchtliche praktische Probleme, die sich ergeben, wenn die AfA-Beträge den ursprünglichen Zinsen zugeordnet und sodann gewerbesteuerrechtlich erfasst werden müssen (vgl. dazu FinMin Sachsen in DStR 2001, 1348; Köhler, StBp 1996, 287, 291 f.; derselbe, StBp 2003, 84). Aus dem Senatsurteil vom 10. März 1993 I R 59/92 (BFH/NV 1993, 561) ergibt sich nichts anderes. Dort ist nur darüber entschieden worden, dass die Hinzurechnung der aktivierten Zinsen jedenfalls im Erhebungszeitraum der Aktivierung nicht in Betracht kommen kann. Die im Streitfall in Rede stehende Rechtsfrage zur Hinzurechnung der AfA-Beträge in den nachfolgenden Erhebungszeiträumen wurde hingegen nicht abschließend beantwortet. Soweit diesem Urteil dennoch eine entgegenstehende Aussage entnommen worden ist, wird die Rechtslage hiermit klargestellt.

3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind dahin zu ändern, dass der einheitliche Messbetrag für 1994 auf ... DM (= ... €) und der einheitliche Messbetrag für 1996 auf ... DM (= ... €) festgesetzt werden: ...

Ende der Entscheidung

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