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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: I R 19/05
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) in dem Streitjahr 1997 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sind.

Die Kläger sind seit 1967 miteinander verheiratet und amerikanische Staatsbürger. Der Kläger war als Mitglied der US Air Force von 1973 bis 1976 sowie von 1977 bis 1980 auf unterschiedlichen Stützpunkten in der Bundesrepublik eingesetzt. Im August 1980 kehrte er in die USA zurück und schied im Juli 1983 aus dem aktiven Dienst aus. Wohnsitz der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Z/USA. Im September 1983 trat der Kläger eine Stelle bei einer US-amerikanischen Firma auf der US Air Base in X an und zog mit der Klägerin zurück in die Bundesrepublik. Im April 1990 wechselte der Kläger zu einem anderen Arbeitgeber; sein Arbeitsort blieb X.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) forderte die Kläger 1999 zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1997 auf. Die Kläger kamen dieser Aufforderung nicht nach. Das FA schätzte daraufhin die Einkünfte der Kläger und erließ einen entsprechenden Bescheid. Im Einspruchsverfahren legten die Kläger eine Einkommensteuererklärung vor, verwahrten sich aber gleichwohl gegen die Veranlagung. Der Bescheid wurde geändert, der Einspruch im Übrigen zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschied durch Urteil vom 31. März 2004 1 K 3063/00, dass die Kläger im Streitjahr 1997 ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik gehabt hätten und damit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen seien. Die Kläger hätten von September 1983 an ein für die Wohnbedürfnisse einer Familie ausreichendes Haus bewohnt, das im Eigentum der Klägerin gestanden habe. Sie hätten über keinen weiteren Wohnsitz verfügt, insbesondere nicht in den USA, und sie hätten ihren Lebensmittelpunkt seit September 1983 ins Inland verlagert. Das ergebe sich vor allem daraus, dass sie sich durchgängig in der Bundesrepublik aufgehalten und hier eine gemeinsame Familienwohnung genutzt hätten. Auf Art. 73 Satz 1 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 --NATOTrStatZAbk-- (BGBl II 1961, 1218) i.V.m. Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 --NATOTrStat-- (BGBl II 1961, 1190) könnten sich die Kläger nicht berufen; denn die Erstreckung der Privilegien des Truppenstatuts auf sog. technische Fachkräfte sei für Personen mit Wohnsitz im Bundesgebiet ausgeschlossen.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das vorinstanzliche Urteil und den angefochtenen Bescheid über Einkommensteuer 1997 einschließlich der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA tritt der Revision entgegen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dessen bisherige Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht zu.

1. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 der Abgabenordnung --AO 1977--). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Wohnung der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt.

2. Gemäß Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat gelten jedoch die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik aufhält, nicht als Zeiten des Aufenthalts oder Wohnsitzes i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift diese Fiktion dann nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält. Ein solcher Grund kann beispielsweise die Eheschließung mit einem in der Bundesrepublik wohnhaften und berufstätigen Ehepartner sein; zwingend ist dies allerdings nicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. November 2005 I R 47/04, BFH/NV 2006, 663, m.w.N.).

Für sog. technische Fachkräfte, deren Dienste eine Truppe benötigt und die im Bundesgebiet ausschließlich für diese Truppe als Berater in technischen Fragen oder zwecks Aufstellung, Bedienung oder Wartung von Ausrüstungsgegenständen arbeiten, ist in Art. 73 Satz 1 NATOTrStatZAbk geregelt, dass sie wie Mitglieder des zivilen Gefolges angesehen und behandelt werden sollen.

3. Die Anwendung der vorstehend genannten Vorschriften des NATOTrStat und des NATOTrStatZAbk wird entgegen der Annahme des FG nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Kläger im Inland einen Wohnsitz i.S. des § 8 AO 1977 gehabt haben. Vielmehr setzen jene Vorschriften gerade voraus, dass die darin genannten Personen ihren Wohnsitz bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

a) Das ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat, der ausdrücklich daran anknüpft, dass "die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer vom Aufenthalt oder Wohnsitz" abhängt. Für das Einkommensteuerrecht begründet § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG eine solche Abhängigkeit. Dementsprechend kommt eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach dieser Bestimmung ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland von vornherein nicht in Betracht, ohne dass es insoweit eines Rückgriffs auf Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat und Art. 73 Satz 1 NATOTrStatZAbk bedürfte. Das bedeutet aber, dass die letztgenannten Regelungen, folgte man der Auffassung des FG, keinen Anwendungsbereich hätten und damit gegenstandslos wären. Zudem ist es gerade der Sinn und Zweck der genannten Bestimmungen, zu verhindern, dass Mitglieder der betroffenen Streitkräfte sowie des zivilen Gefolges und ebenso technische Fachkräfte, die wegen ihrer dienstlichen Tätigkeit außerhalb des Heimatstaates tätig sind und in dem jeweiligen Aufnahmestaat einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen, dort der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterworfen werden (vgl. auch --bezogen auf Art. 2 Abs. 3 des Abkommens über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder, BGBl II 1955, 469-- Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 1970 I R 2/69, BFHE 100, 102, BStBl II 1970, 869, 870; ferner: Kutscher/Grewe, Bonner Vertrag und Zusatzvereinbarungen, Anm. III zu Art. 2 des Steuerabkommens zu Art. 33 des Truppenvertrags; App, Deutsche Steuer-Zeitung 1984, 89, 90).

b) Aus diesem Grund kann sich eine entsprechende Einschränkung auch nicht aus Art. 73 Satz 2 Buchst. d NATOTrStatZAbk ergeben. Zwar gilt nach dieser Bestimmung die Verweisung in Satz 1 nicht für Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Doch sollen damit nur solche technischen Fachkräfte von der Privilegierung des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat ausgenommen werden, die bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet haben und wegen dieses Umstandes (bereits) unbeschränkt steuerpflichtig sind (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2006, 663, unter II.2.d). Davon gehen offensichtlich auch übereinstimmend die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika aus (vgl. deutsch-amerikanische Vereinbarung vom 19. Mai 1998 über die Auslegung und Anwendung des Art. 73 NATOTrStatZAbk und des Außer-Kraft-Tretens der Vorgängervereinbarung vom 13. Juli 1995, BStBl I 1998, 881, 883, unter 2.b; ferner: Feuerstein/ Michel, Der Betrieb --DB-- 1993, 1211, 1214).

c) Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob sich der Kläger in den Streitjahren nur in seiner Eigenschaft als technische Fachkraft im Inland aufgehalten hat. Dabei geht der erkennende Senat davon aus, dass sich Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder technische Fachkräfte immer dann "nur in dieser Eigenschaft" i.S. von Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat im Inland aufgehalten haben, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen war, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangsstaat oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 663). Abzustellen ist dabei auf die Lebensumstände aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraums, nicht auf das spätere Verhalten des Betreffenden, das allenfalls als Indiz herangezogen werden kann. Die Beweislast trifft in diesem Punkt den Steuerpflichtigen.

Auf die vom FG aufgeworfene Frage, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Kläger in den Streitjahren befunden hat, kommt es insoweit nicht an. Dass die Kläger außerhalb des Kasernengeländes in einer Wohnung gelebt haben, die den Feststellungen des FG zufolge im Eigentum der Klägerin stand, ist für sich betrachtet ebenfalls nicht entscheidend.

Ende der Entscheidung

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