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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: I R 23/04
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

EStG § 2a Abs. 3 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1
FGO § 126 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über den Abzug von Verlusten aus einer russischen Betriebsstätte. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) abgewiesen. Sein Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. Januar 2004 zugestellt.

Die Klägerin legte gegen das Urteil am 18. Februar 2004 Revision ein. Am 6. April 2004 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) die vom 5. April 2004 datierende Revisionsbegründungsschrift ein. Auf eine mögliche Fristversäumnis hingewiesen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. April 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen:

Ihre Prozessbevollmächtigte beschäftige seit 13 Jahren eine Rechtsanwaltsfachangestellte (A), die sorgfältig, gewissenhaft und korrekt arbeite und noch nie vergessen habe, den jeweils zuständigen Rechtsanwalt auf den Ablauf einer Frist hinzuweisen. A habe die Revisionsbegründungsfrist richtig berechnet, es jedoch sodann versäumt, die die Sache bearbeitende Rechtsanwältin (R) rechtzeitig an den Fristablauf zu erinnern. Rechtsanwältin R sei deshalb bei Absendung der Revisionsbegründungsschrift der Fristablauf nicht aufgefallen; A habe sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befunden. Angesichts dessen liege weder ein Organisationsverschulden noch ein persönliches Verschulden von Rechtsanwältin R vor.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass der Verlust aus der russischen Betriebsstätte der Klägerin bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte berücksichtigt und als Verlust i.S. des § 2a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes festgestellt wird.

II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist verspätet begründet worden, und dieser Mangel kann nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden.

1. Nach § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muss eine Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen angefochtenen Urteils begründet werden. Diese Frist ist im Streitfall nicht gewahrt worden. Das führt zur Unzulässigkeit der Revision.

2. Die Fristversäumnis kann nicht im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ein Verschulden trifft. Eine Wiedereinsetzung scheidet schon deshalb aus, weil der hierfür erforderliche Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden und jedenfalls dieser Mangel von der Prozessbevollmächtigten verschuldet ist.

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war, ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl I 2004, 2198) ist zwar die Antragsfrist für den Fall der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf einen Monat verlängert worden. Diese Neufassung des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist jedoch im Streitfall nicht einschlägig, da sie erst in Kraft getreten ist, nachdem die nach altem Recht geltende Antragsfrist bereits abgelaufen war. Die Klägerin hätte deshalb den Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des der Fristwahrung entgegenstehenden Hindernisses stellen müssen.

b) Die Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO beginnt in demjenigen Zeitpunkt, in dem ein Prozessbevollmächtigter erkennt oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass die ursprünglich zu wahrende Frist versäumt ist (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259, 260; BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2000 I B 116/00, BFH/NV 2001, 481, m.w.N.). Die Erkennbarkeit der Fristversäumnis ist jedenfalls dann gegeben, wenn einem sachkundigen Bevollmächtigten (Berufsträger) eine Fristsache zur Vorbereitung einer fristgebundenen Handlung vorgelegt wird. In dieser Situation muss sich der Bevollmächtigte nämlich eigenverantwortlich über die einzuhaltende Frist vergewissern (BFH in BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259, 260; BFH-Beschluss vom 30. August 2002 III B 62/01, BFH/NV 2003, 67); unterlässt er dies, so läuft gleichwohl die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags an. Davon geht auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner von der Klägerin zitierten Rechtsprechung aus (z.B. BGH-Beschluss vom 22. September 1971 V ZB 7/71, Neue Juristische Wochenschrift 1971, 2269).

c) Im Streitfall begann hiernach die in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmte Frist spätestens am 5. April 2004, an dem Rechtsanwältin R die Revisionsbegründungsschrift verfasste. Die Frist endete mithin zwei Wochen später, also mit Ablauf des 19. April 2004. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Einen solchen enthielt vielmehr erstmals ihr Schriftsatz vom 22. April 2004, der am folgenden Tag beim BFH einging. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragsfrist jedoch bereits abgelaufen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin oder ihre Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden an der rechtzeitigen Antragstellung verhindert war, ergeben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus dem sonstigen Akteninhalt. Angesichts dessen muss die Revision gemäß § 126 Abs. 1 FGO alss unzulässig verworfen werden



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