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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: I R 24/04
Rechtsgebiete: EStG, KStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 3
EStG § 3b
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
FGO § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlt hat.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1998 gegründete GmbH, die eine Gaststätte betreibt. Einer ihrer Gesellschafter war im Streitjahr (1999) A, der zu einem Drittel am Stammkapital der Klägerin beteiligt war. A war im Streitjahr zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin.

Nach dem im September 1998 geschlossenen Anstellungsvertrag sollte A für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von 6 000 DM sowie eine im November fällige Jahressonderzahlung und eine nach dem cash-flow bemessene Tantieme erhalten. Ferner war vereinbart, dass "Sonntagszuschläge, Feiertags- und Nachtzuschläge in Höhe der steuerlichen Höchstbeträge gemäß § 3 EStG" gezahlt werden sollten, wobei die Sonntagszuschläge auf maximal 20 Stunden und die Nachtzuschläge auf maximal 90 Stunden im Monat beschränkt waren. Nach dem Vortrag der Klägerin gehört diese zu einer Unternehmensgruppe mit 40 Gesellschaften und 60 Gaststättenbetrieben, die nach einem einheitlichen Konzept geführt und verwaltet werden (Systemgastronomie) und bei denen die Vergütungen der Gesellschafter-Geschäftsführer einheitlich strukturiert sind.

In ihrem am 31. März 1999 endenden Rumpfwirtschaftsjahr zahlte die Klägerin dem A die vorgesehenen Zuschläge steuerfrei aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah darin verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und erfasste diese in einem Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er zugleich die Ausschüttungsbelastung herstellte. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) im Streitpunkt abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 601 abgedruckt.

Die Klägerin hat das erstinstanzliche Urteil, durch das der Klage in einem anderen Punkt stattgegeben worden war, mit der Revision angefochten. Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen geänderten Steuerbescheid erlassen, durch den es dem erstinstanzlichen Urteilsausspruch Rechnung getragen hat. Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG); sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Änderungsbescheid vom 21. April 2004 in der Weise zu ändern, dass die an den Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht als vGA behandelt werden.

II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils. Denn dieses Urteil bezieht sich, nachdem das FA den ursprünglich angefochtenen Bescheid im Verlauf des Revisionsverfahrens geändert hat, auf einen nicht mehr wirksamen Bescheid. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nunmehr gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Änderungsbescheid. Dies macht zwar keine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 127 FGO) erforderlich, da der verbleibende Streitstoff sich durch den Änderungsbescheid ersichtlich nicht geändert hat. Jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in einer solchen Situation das FG-Urteil aufzuheben (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 123 Rz. 3, m.w.N.). Zugleich ist über die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids zu entscheiden, ohne dass es dafür eines ausdrücklichen Antrags des Klägers bedarf (BFH-Urteil in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).

III. Soweit hiernach im Revisionsverfahren über die Klage zu entscheiden ist, ist diese unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die an A gezahlten Zuschläge vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind, die das Einkommen der Klägerin nicht mindern dürfen.

1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind gesonderte Vergütungen, die eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer für die Ableistung von Überstunden zahlt, aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig vGA (Senatsurteile vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577; vom 27. März 2001 I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655; Senatsbeschluss vom 8. März 2000 I B 90/98, BFH/NV 2000, 991, m.w.N.). Diese Beurteilung gilt im Grundsatz gleichermaßen für beherrschende wie für nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer (Senatsurteil in BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655). Sie beruht auf dem Gedanken, dass ein Geschäftsführer sich in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren und die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Eine gesonderte Vergütung zusätzlicher Arbeitszeiten verträgt sich mit diesem Aufgabenbild nicht, weshalb sie regelmäßig als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen ist. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die zusätzliche Vergütung nur für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit gezahlt wird, da dann die Annahme gerechtfertigt ist, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen die in § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehene Steuervergünstigung verschafft werden soll (Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577). Daran hält der Senat fest.

2. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG für die von A an Sonn- und Feiertagen sowie nachts geleisteten Arbeiten zusätzlich zu dem vereinbarten Festgehalt die in § 3b EStG genannten Zuschläge gezahlt, darüber hinaus aber für diese Arbeiten keine gesonderte Vergütung gewährt. Die Arbeit zu den genannten Zeiten war mithin auch dann durch das Festgehalt und die Zuschläge abgegolten, wenn durch sie die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit überschritten wurde. In einem solchen Fall liegt jedoch ebenfalls eine zusätzliche Vergütung für bestimmte Arbeiten des Geschäftsführers vor, die mit dessen Sonderstellung innerhalb der Gesellschaft nicht vereinbar ist. Deshalb wird auch diese Gestaltung von der genannten Rechtsprechung des Senats erfasst (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2001 I B 14/00, BFH/NV 2001, 1608).

3. Vor diesem Hintergrund konnte das FG davon ausgehen, dass die im Streitfall zu beurteilende Vereinbarung nicht ausschließlich durch das Anstellungsverhältnis zwischen der Klägerin und A veranlasst, sondern --was für das Vorliegen einer vGA ausreicht-- durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst ist. Die dagegen gerichteten Einwendungen der Revision greifen nicht durch.

a) Das gilt zunächst für den Vortrag, bei den streitigen Zahlungen handele es sich nicht um die Abgeltung geleisteter Überstunden, sondern um ein zusätzliches Festgehalt. Dies leitet die Klägerin daraus ab, dass die gesondert zu vergütenden Arbeitszeiten vertraglich begrenzt gewesen und dass tatsächlich die vereinbarte Höchstgrenze "fast immer" erreicht worden sei. Damit kann sie jedoch schon deshalb nicht durchdringen, weil es für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs in erster Linie auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarung ankommt. Diese ging jedoch im Streitfall dahin, dass die vorgesehene zusätzliche Vergütung von dem tatsächlichen Arbeitseinsatz des A abhing. So hätte A die Zuschläge nicht erhalten, wenn er --aus welchen Gründen auch immer-- keine Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet hätte. Angesichts dessen würde selbst dann, wenn A wegen Erreichens der zeitlichen Höchstgrenzen tatsächlich immer gleichbleibende Beträge erhalten hätte, die als zeitabhängig vereinbarte Vergütung nicht zu einem Festgehalt.

b) Der Veranlassung der Vergütungsvereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis steht nicht entgegen, dass Gehaltszuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit im Gaststättengewerbe üblich sind. Denn dass solche Zuschläge bei Zahlung an einen Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA behandelt werden, beruht auf der Überlegung, dass sich der Status eines Geschäftsführers in Bezug auf die Bedeutung der Arbeitszeit grundlegend von demjenigen sonstiger Arbeitnehmer unterscheidet. Es ist deshalb gerade nicht möglich, in diesem Bereich von der allgemeinen Praxis im Verhältnis zu Arbeitnehmern auf den Veranlassungszusammenhang speziell im Verhältnis zu einem Geschäftsführer zu schließen. Aus demselben Grund kann die Klägerin nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, dass A vor Übernahme des Geschäftsführeramtes in derselben Gaststätte als Betriebsleiter tätig gewesen sei und von seinem damaligen Arbeitgeber ebenfalls vergleichbare Zuschläge erhalten habe. Selbst wenn dies in der Sache zutrifft, schließt dies die Würdigung der entsprechenden Geschäftsführerbezüge als vGA nicht aus.

c) Diese Würdigung scheitert ebenso nicht daran, dass die Leistung von Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit durch A auf betrieblichen Notwendigkeiten beruht haben mag. Denn das Erfordernis von Arbeiten zu außergewöhnlichen Zeiten führt nicht ohne weiteres dazu, dass es gleichermaßen erforderlich wäre, hierfür besondere Zuschläge zu zahlen (Senatsbeschluss vom 27. März 2001 I B 52/00, Steuern und Bilanzen 2001, 773). Zudem können in einem solchen Fall zwar Manipulationsmöglichkeiten, die eine Zusage von Zuschlägen für bestimmte Arbeitszeiten dem Grunde nach eröffnet, in gewissem Maße eingeschränkt sein. Doch bleibt es auch hier letztlich häufig eine Entscheidung des Geschäftsführers, ob und ggf. in welchem Umfang er notwendige Sonntags-, Feiertags- und Nachtschichten in eigener Person ausführt oder z.B. auf andere Arbeitnehmer delegiert. Insbesondere ist der Geschäftsführer, anders als ein sonstiger Arbeitnehmer, insoweit nicht dem Weisungsrecht eines von ihm unabhängigen Arbeitgebers unterworfen. Angesichts dessen steht auch der Umstand, dass A seine Tätigkeit möglicherweise nicht auf zuschlagsfreie Zeiten beschränken konnte, der Annahme einer vGA nicht entgegen.

d) Ohne Erfolg bleibt schließlich der Hinweis der Klägerin, dass sie zu einer Unternehmensgruppe gehöre, bei der die hier zu beurteilende Vergütungsstruktur einheitlich verwendet werde. Das FG hat zu Recht ausgeführt, dass dieser Umstand jedenfalls dann nicht gegen die Veranlassung der Entgeltsvereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis spreche, wenn alle Unternehmen der Gruppe von Gesellschafter-Geschäftsführern geleitet werden. In diesem Fall ist nämlich zumindest nicht auszuschließen, dass die einheitlich gestaltete Vergütungsregelung darauf abzielt, den jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Gesellschafter durch die Gewährung steuerfreier Bezüge zu begünstigen. Eine dahin gehende Deutung ist hier ebenso möglich wie einem nicht gruppenangehörigen Unternehmen. Angesichts dessen verstößt die Würdigung seitens des FG, das die streitige Vergütungsregelung als der Gesellschafterebene zuzuordnenden Vorgang angesehen hat, weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze. Sie ist damit im Revisionsverfahren unabhängig davon bindend, ob eine andere Würdigung des Veranlassungszusammenhangs ebenfalls möglich wäre.



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