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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: I R 3/02
Rechtsgebiete: DBA-Luxemburg


Vorschriften:

DBA-Luxemburg Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
DBA-Luxemburg Art. 5 Abs. 1
DBA-Luxemburg Art. 20 Abs. 2
1. Ob Bau- oder Montagearbeiten eine Betriebsstätte i.S. des DBA-Luxemburg begründen, hängt allein von der Dauer der einzelnen Bauausführung oder Montage ab. Mehrere Bauausführungen oder Montagen sind in zeitlicher Hinsicht nicht zusammenzurechnen (Anschluss an die Senatsurteile vom 21. April 1999 I R 99/97, BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694, und vom 16. Mai 2001 I R 47/00, BFHE 195, 335, BStBl II 2002, 846).

2. Arbeiten an mehreren Bau- oder Montagestellen können doppelbesteuerungsrechtlich eine einheitliche Bauausführung oder Montage sein, wenn zwischen ihnen eine wirtschaftliche und geographische Einheit besteht. Dies kann nicht anhand abstrakter Merkmale, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung des konkreten Einzelfalles beurteilt werden. Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Unternehmers ein einziger (ggf.: fortschreitender) Einsatz oder eine Mehrzahl von Einsätzen vorliegt.

3. Die äußerste Grenze einer geographischen Einheit zwischen mehreren Tätigkeitsorten ist nicht erst dann überschritten, wenn die Luftlinie zwischen diesen Orten mehr als 50 km beträgt (gegen BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076 Tz. 4.3.5).

4. Bei einem Einsatzgebiet mit einer Fläche von ca. 2 500 qkm liegt jedenfalls dann keine in geographischer Hinsicht einheitliche Tätigkeit vor, wenn es um einzelne Arbeiten in ständig wechselnden Teilbereichen dieses Gebiets geht.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkünfte des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23. August 1958 (DBA-Luxemburg) von der deutschen Einkommensteuer befreit sind. Ferner ist streitig, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nach Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten kann.

Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre (1991 bis 1993 und 1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie wohnten in den Streitjahren im Inland, und zwar in einem Einfamilienhaus in S.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Einzelunternehmen, das bei dem Aufbau moderner Leitungsnetze für Telefongesellschaften mitwirkte. Für die neu zu verlegenden Telefonleitungen wurden von Tiefbauunternehmen Schächte ausgehoben und die Telefonkabel verlegt. Aufgabe des Klägers war es sodann, die Kabel miteinander zu verbinden und von dem öffentlichen Leitungsnetz aus die Hausanschlüsse für die Abnehmer zu erstellen sowie in den einzelnen Häusern Verteilerkästen einzubauen. Der Kläger hatte in seinem Haus in S ein Büro eingerichtet, in dem die bei ihm angestellte Klägerin die anfallenden Büroarbeiten erledigte.

In den Streitjahren war der Kläger, abgesehen von einem im Jahr 1991 in H durchgeführten Auftrag, ausschließlich in Luxemburg tätig. Grundlage dieser Tätigkeit waren verschiedene Verträge, die er mit der örtlichen Fernmeldegesellschaft jeweils nach erfolgter Ausschreibung in Luxemburg abgeschlossen hatte. Die einzelnen Verträge betrafen jeweils einen bestimmten Baubezirk und beliefen sich auf eine bestimmte Bausumme; sie beruhten auf einer Leistungsbeschreibung der Telefongesellschaft und einem darauf beruhenden Angebot des Klägers. Die Kalkulation für dieses Angebot führte der Kläger in Luxemburg durch. Das Angebot wurde sodann in dem Büro in S schriftlich ausgearbeitet.

Für die Arbeiten in Luxemburg beschäftigte der Kläger etwa 14 Mitarbeiter. Er und seine Mitarbeiter fuhren regelmäßig montags nach Luxemburg und kehrten freitags nach S zurück. In Ausnahmefällen, wenn Störungen zu beheben waren, arbeitete der Kläger auch am Wochenende in Luxemburg. Das für die Arbeiten notwendige Material wurde von der Auftraggeberin gestellt, während der Kläger die eingesetzten Baufahrzeuge und das erforderliche Werkzeug stellte. Zum Abstellen der Fahrzeuge hatte der Kläger in Luxemburg eine Halle angemietet.

Da die Arbeiten in den einzelnen Baubezirken nicht in einem Zug ausgeführt werden konnten, sondern vom Fortschritt der damit verbundenen Tiefbauarbeiten abhängig waren, arbeitete der Kläger jeweils in mehreren Baubezirken gleichzeitig. Die Baustellen, an denen der Kläger jeweils zu arbeiten hatte, wurden ihm täglich von Mitarbeitern des Fernmeldeunternehmens zugewiesen. Die Abwicklung eines Vertrags für einen Baubezirk dauerte im Durchschnitt etwa zwei Jahre.

Das FA erfasste die von den Klägern erklärten Gewinne aus der Tätigkeit des Klägers in Luxemburg als steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Demgegenüber vertraten die Kläger im Verlauf des Verwaltungsverfahrens die Ansicht, dass diese Einkünfte nach dem DBA-Luxemburg von der deutschen Einkommensteuer befreit seien. Der mit dieser Zielrichtung erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) überwiegend statt; es entschied, dass nur der in 1991 aus der Tätigkeit in H erzielte Gewinn zu besteuern sei, und änderte die Steuerbescheide für die Streitjahre entsprechend ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 281 abgedruckt.

Das Urteil des FG wurde dem FA am 28. November 2001 zugestellt. Daraufhin hat das FA mit einem vom 18. Dezember 2001 datierenden Schreiben die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Nachdem dieses Schreiben erst am 2. Januar 2002 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen und das FA mit Schreiben des BFH vom 14. Januar 2002 hierüber unterrichtet worden war, hat das FA mit Telefaxschreiben vom 22. Januar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen, das Schreiben sei am 20. Dezember 2001 zur Post gegeben worden. Im weiteren Verlauf hat es eine Bescheinigung der Deutschen Post Euro Express vorgelegt, nach der dort am 20. Dezember 2001 ein an den BFH gerichtetes Schreiben des FA eingeliefert worden und dieses Schreiben am 2. Januar 2002 vom Empfänger entgegengenommen worden ist.

Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß eine Verletzung des Art. 2 DBA-Luxemburg. Es beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in der Sache der Auffassung des FA angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen lassen keine abschließende Beantwortung der Frage zu, ob und ggf. in welchem Umfang die streitigen Einkünfte nach dem DBA-Luxemburg von der Einkommensteuer befreit sind.

1. Die Zulässigkeit der Revision scheitert nicht daran, dass die Revisionsschrift erst am 2. Januar 2002 --und damit nach Ablauf der gesetzlichen Revisionsfrist-- beim BFH eingegangen ist. Denn dem FA ist, seinem Antrag entsprechend, eine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist zu gewähren.

a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Diese Revisionsfrist endete im Streitfall, da das Urteil des FG dem FA am 28. November 2001 zugestellt wurde, mit Ablauf des 28. Dezember 2001. Sie ist unstreitig nicht gewahrt worden.

b) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist jedoch demjenigen, der ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Denn der verspätete Eingang der Revisionsschrift beim BFH beruht auf einer verzögerten Postzustellung, die das FA nicht zu vertreten hat.

aa) Das FA hat glaubhaft gemacht, dass es die Revisionsschrift am 20. Dezember 2001 bei der Post aufgegeben hat. Es hat zum einen die Ablichtung eines Aktenvermerks vorgelegt, ausweislich dessen die Revisionsschrift an diesem Tag der Poststelle des FA übergeben worden ist und von dort aus die Aufgabe zur Post "heute" erfolgen sollte. Andererseits ergibt sich aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Deutschen Post AG, dass am Nachmittag des 20. Dezember 2001 eine an den BFH adressierte Sendung bei der Post eingeliefert und dass diese Sendung am 2. Januar 2001 beim BFH eingetroffen ist. Das von der Post bescheinigte Abgabedatum (2. Januar 2002) stimmt wiederum mit dem Datum des Eingangs der Revisionsschrift beim BFH überein. Angesichts dessen ist der Senat davon überzeugt, dass die Bescheinigung der Deutschen Post AG sich auf diejenige Sendung bezieht, in der die Revisionsschrift enthalten war. Die von den Klägern angedeutete Möglichkeit, dass es eine weitere am 20. Dezember 2001 vom FA an den BFH abgesandte und am 2. Januar 2002 dort eingegangene Postsendung geben könnte und dass sich die vorgelegte Bescheinigung auf diese Sendung bezieht, ist fernliegend und steht der Glaubhaftigkeit der Darstellung des FA nicht entgegen.

bb) Vor diesem Hintergrund durfte das FA darauf vertrauen, dass die Revisionsschrift vor Ablauf der Revisionsfrist beim BFH eingehen würde. Denn zwischen dem Aufgabedatum und dem Fristablauf lagen mehr als drei Werktage, was auch unter Berücksichtigung der Weihnachtsfeiertage als einzukalkulierende Postlaufzeit ausreichte (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2000 I R 108, 109/98, BFH/NV 2000, 1071, 1072, m.w.N.). Das gilt umso mehr, als die Sendung mit der Revisionsschrift zur Expressbeförderung aufgegeben wurde. Vor diesem Hintergrund ist dem Wiedereinsetzungsantrag des FA mit der Folge stattzugeben, dass die Versäumung der Revisionsfrist geheilt ist.

2. In der Sache ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in den Streitjahren im Inland einen Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) hatte und deshalb gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Die unbeschränkte Steuerpflicht umfasst auch die Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers in Luxemburg. Diese Einkünfte werden jedoch nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen in Luxemburg besteuert werden dürfen. Sie sind dann nur bei der Bemessung des Steuersatzes der Einkommensteuer zu berücksichtigen (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg).

3. Nach Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg dürfen die streitigen Einkünfte des Klägers nur insoweit in Luxemburg besteuert werden, als sie auf eine dort befindliche Betriebsstätte des vom Kläger betriebenen Unternehmens entfallen. Denn der Kläger hatte (auch) aus abkommensrechtlicher Sicht seinen Wohnsitz im Inland (Art. 3 Abs. 1 DBA-Luxemburg). Das FG hat zwar nicht festgestellt, ob er zusätzlich einen weiteren Wohnsitz in Luxemburg besessen hat. Unabhängig davon ist jedoch bei der Anwendung des Art. 5 DBA-Luxemburg der Kläger als Person mit Wohnsitz im Inland anzusehen. Das folgt aus Art. 3 Abs. 3 DBA-Luxemburg, wonach bei Personen mit Wohnsitzen in beiden Vertragstaaten der Wohnsitz i.S. der Art. 4 bis 19 des Abkommens durch den Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt wird. Der Lebensmittelpunkt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Oktober 1990 I R 24/89, BFHE 163, 411, BStBl II 1991, 562) des Klägers lag indessen in den Streitjahren in S, da sich nach den Feststellungen des FG dort sowohl die Familienwohnung als auch das betriebliche Büro des Klägers befanden und der Kläger regelmäßig hierhin zurückgekehrt ist.

4. Der Begriff der Betriebsstätte, an den Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg anknüpft, wird durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Luxemburg definiert. Danach zählen zu den Betriebsstätten u.a. Bauausführungen und Montagen, deren Dauer sechs Monate überschreitet (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. gg DBA-Luxemburg). Das FG hat angenommen, dass sich in den Streitjahren in Luxemburg eine Montagebetriebsstätte des Klägers befunden habe. Diese Beurteilung wird jedoch nicht von seinen tatsächlichen Feststellungen gedeckt.

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des FG, dass der Kläger in Luxemburg Arbeiten ausgeführt hat, die unter Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. gg DBA-Luxemburg fallen. Die Tätigkeit des Klägers bestand nach den unangefochtenen und deshalb im Revisionsverfahren bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG darin, am Aufbau eines Netzes von Telefonleitungen mitzuwirken, indem er Hausanschlüsse für die Telefonkunden erstellte und im Zusammenhang damit Telefonkabel verband und Verteilerkästen anbrachte. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies steuerrechtlich als Bauausführung oder --wie das FG meint-- als Montage anzusehen ist. Jedenfalls handelte es sich nicht um bloße Reparaturmaßnahmen, die beiden Begriffen nicht unterfallen (Senatsbeschluss vom 27. April 1954 I B 136/53 U, BFHE 58, 705, BStBl III 1954, 179, 180; Senatsurteil vom 21. April 1999 I R 99/97, BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694, 696, m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des beigetretenen BMF hat der Kläger in Luxemburg auch nicht etwa nur untergeordnete Einzelleistungen erbracht, die nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BFHE 161, 358, BStBl II 1990, 983) ebenfalls nicht als "Montage" im steuerrechtlichen Sinne gewertet werden könnten. Eine solche Bewertung der vom Kläger ausgeführten Arbeiten wäre nur dann angezeigt, wenn sich diese als bloße Hilfstätigkeiten zu der von einem anderen Unternehmer erbrachten Bau- oder Montageleistung darstellen würden. Das wäre zum einen dann der Fall, wenn das Unternehmen des Klägers nicht unmittelbar an dem eigentlichen "Zusammenfügen von Teilen" beteiligt gewesen wäre, sondern nur das eigentliche Bau- oder Montageunternehmen durch anderweitige Dienstleistungen oder Materiallieferungen unterstützt hätte. Zum anderen läge eine "untergeordnete" Tätigkeit vor, wenn diese so einfacher oder nachrangiger Art wäre, dass sie typischerweise von Leiharbeitnehmern durchgeführt wird (Senatsbeschluss vom 20. Januar 1993 I B 106/92, BFH/NV 1993, 404). Beide Gestaltungen sind im Streitfall nicht gegeben. Aufgabe des Klägers war vielmehr die Erstellung der notwendigen Hausanschlüsse und damit das unmittelbare Zusammenfügen einzelner Teile der herzustellenden Anlage "Telefonnetz". Die dafür notwendigen Arbeiten waren so qualifizierter Natur, dass sie auch von ihrer Wertigkeit her nicht als "untergeordnet" angesehen werden können. Sie unterfallen daher der Regelung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. gg DBA-Luxemburg.

b) Nach dieser Vorschrift sind jedoch sowohl Bauausführungen als auch Montagen nur dann Betriebsstätten im Sinne des Abkommens, wenn ihre Dauer sechs Monate überschreitet. Für die Bestimmung der hiernach maßgeblichen Zeitdauer ist, wenn ein deutsches Unternehmen in Luxemburg mehrere Bauausführungen oder Montagen betreibt, jede einzelne dieser Tätigkeiten für sich zu betrachten; eine Zusammenrechnung mehrerer Bauausführungen oder Montagen ist, anders als im Bereich des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977, nicht zulässig. Insoweit gilt das, was der Senat für den Anwendungsbereich der Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz (Senatsurteil in BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694, 697) und mit Ungarn (Senatsurteil vom 16. Mai 2001 I R 47/00, BFHE 195, 335, BStBl II 2002, 846, 847) entschieden hat, im Zusammenhang mit dem DBA-Luxemburg entsprechend.

c) Das FG hat dies erkannt, aber gleichwohl die Sechsmonatsfrist für überschritten erachtet, weil es die Tätigkeit des Klägers in Luxemburg als eine einzige (einheitliche) Montage i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. gg DBA-Luxemburg angesehen hat. Hierzu hat es darauf verwiesen, dass die Arbeiten überwiegend am gleichen Ort und für ein und denselben Auftraggeber geleistet worden seien und der Herstellung einer einheitlichen Anlage --des örtlichen Fernmeldenetzes-- gedient sowie in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zueinander gestanden hätten. Diese Überlegungen tragen indessen die Annahme einer einheitlichen Bauausführung oder Montage nicht.

aa) Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger in Luxemburg nicht immer an ein und demselben Ort, sondern in unterschiedlichen "Baubezirken" und dort wiederum an wechselnden Baustellen gearbeitet. Tätigkeiten an mehreren Baustellen begründen jedoch nur dann eine einheitliche Bauausführung, wenn die einzelnen Baustellen als wirtschaftliche und geographische Einheit anzusehen sind (Senatsurteil in BFHE 195, 335, BStBl II 2002, 846, m.w.N.). Das gilt im Hinblick auf Montagearbeiten entsprechend (Senatsurteil in BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694, 697).

bb) Unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit an unterschiedlichen Orten eine "wirtschaftliche und geographische Einheit" bildet, kann nicht anhand abstrakter Merkmale entschieden werden. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei wertender Betrachtung aus der Sicht des Unternehmers um einen einzigen (ggf. fortschreitenden) Einsatz oder um eine Mehrzahl von Einsätzen handelt (Senatsurteil in BFHE 195, 335, BStBl II 2002, 846, 847). Das wiederum kann von unterschiedlichen Faktoren (z.B. Zahl der Auftraggeber; Abschluss eines einheitlichen Vertrags oder unterschiedlicher Verträge; Entfernung der Einsatzorte voneinander; gegenseitige technische Verflechtung der verschiedenen Arbeiten) abhängen, auf Grund derer jeweils im Einzelfall über die Frage der Einheitlichkeit zu entscheiden ist. Jedoch sind für das Vorliegen einer einheitlichen Bauausführung oder Montage immer sowohl der wirtschaftliche als auch der geographische Zusammenhang zwischen den verschiedenen Arbeiten erforderlich. Es reicht nicht aus, dass nur eine dieser beiden Voraussetzungen gegeben ist.

cc) Im Streitfall kann offen bleiben, ob die Tätigkeit des Klägers in Luxemburg in wirtschaftlicher Hinsicht als Einheit anzusehen ist. Denn es fehlt jedenfalls am Merkmal der geographischen Einheit.

Das FG hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, in welchem Gebiet der Kläger insgesamt tätig war. Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit dem unwidersprochenen Revisionsvortrag des FA davon aus, dass sich der Tätigkeitsbereich des Klägers auf den gesamten Staat Luxemburg erstreckte. Bei einem Einsatzgebiet von dieser Größe (ca. 2 500 qkm) liegt jedenfalls dann keine in geographischer Hinsicht einheitliche Tätigkeit vor, wenn es --wie nach den Feststellungen des FG im Streitfall-- um einzelne Arbeiten in ständig wechselnden Teilbereichen dieses Gebiets geht. Anders mag es im Fall einer fortschreitenden Bau- oder Montagetätigkeit oder dann sein, wenn sich zeitgleich ausgeführte Arbeiten eines Unternehmens insgesamt auf ein Areal von dieser Ausdehnung erstrecken. Die im Streitfall vorliegende, in örtlicher Hinsicht ständig wechselnde Tätigkeit innerhalb eines so großen Einsatzbereichs kann jedoch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsstättenbegründung nicht anders beurteilt werden als z.B. Arbeiten eines Bauunternehmers, der innerhalb einer Großstadt an unterschiedlichen Baustellen Aufträge ausführt. Deshalb kann auch im Streitfall nicht das Einsatzgebiet insgesamt als Betriebsstätte des Unternehmens angesehen werden.

dd) Allerdings lassen die Feststellungen des FG die Möglichkeit offen, dass die einzelnen in Luxemburg befindlichen Baubezirke als Bau- oder Montagebetriebsstätten des Klägers anzusehen sein könnten. Ob eine solche Beurteilung angezeigt ist, hängt jedoch einerseits von der Ausdehnung jener Bezirke und andererseits davon ab, wie lange der Kläger in den einzelnen Baubezirken jeweils tätig war. Dabei ist in räumlicher Hinsicht davon auszugehen, dass als "geographisch zusammenhängend" nur ein Einsatzbereich angesehen werden kann, der --wie z.B. ein Werks- oder Freizeitgelände, ein Straßenzug oder ein Häuserblock-- ein in organisatorischer Hinsicht einheitliches Arbeiten ermöglicht (vgl. Buciek, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2003, 139, 142). Das ist --auch bei Arbeiten an einem einheitlichen Projekt-- regelmäßig nicht der Fall, wenn der zu beurteilende Bereich sich über mehrere Kilometer erstreckt. Deshalb kann insbesondere der Ansicht, dass die äußerste Grenze einer "geographischen Einheit" erst bei einer Ausdehnung von mehr als 50 km Luftlinie überschritten sei (BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076 Tz. 4.3.5), nicht zugestimmt werden (ebenso FW, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2001, 566; Buciek, DStZ 2003, 139, 142, m.w.N.). Hinsichtlich des Zeitfaktors sind für das Vorliegen von Betriebsstätten in den einzelnen Baubezirken diejenigen Kriterien maßgeblich, die der Senat für die Beurteilung der zeitlichen Voraussetzungen einer Baubetriebsstätte aufgestellt hat (Senatsurteil in BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694). Sowohl zur Ausdehnung der einzelnen Baubezirke als auch zur Dauer der dort jeweils verrichteten Arbeiten hat das FG indessen im Streitfall keine Feststellungen getroffen.

5. Solche Feststellungen sind im Streitfall nicht im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg entbehrlich. Danach gilt zwar auch ein Ort der Leitung als Betriebsstätte im Sinne des Abkommens. Das bedeutet entgegen der Ansicht der Kläger aber nicht, dass die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit in Luxemburg insgesamt von der Einkommensteuer befreit sind, wenn sich die Geschäftsleitung des vom Kläger betriebenen Unternehmens in Luxemburg befand. Auch in diesem Fall unterliegen vielmehr diejenigen Einkünfte, die sich aus der Bau- oder Montagetätigkeit ergeben und nicht mit einer Bau- oder Montagebetriebsstätte in Luxemburg zusammenhängen, der deutschen Besteuerung.

a) Art. 3 Abs. 6 Satz 1 DBA-Luxemburg beschreibt den "Ort der Leitung" im abkommensrechtlichen Sinne als den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dies der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 58/95, BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86, m.w.N.). Diese zum Geschäftsleitungsbegriff des § 10 AO 1977 entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf den gleich lautenden Begriff im DBA-Luxemburg übertragen. Von ihr ist auch das FG im Streitfall ausgegangen.

Es hat auf dieser Basis entschieden, dass sich die Leitung des vom Kläger betriebenen Unternehmens in den Streitjahren nicht in Luxemburg, sondern im Inland befunden habe. Dazu hat es zunächst darauf abgestellt, dass der Kläger als die maßgebliche geschäftsleitende Person anzusehen sei; das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sodann hat das FG auf seine Feststellung verwiesen, dass der Kläger sich in den Streitjahren zwar überwiegend in Luxemburg aufgehalten hat, an den Wochenenden jedoch zumeist nach S zurückgekehrt ist und dass sich dort das einzige Büro des Unternehmens befand. In diesem Büro wurden nach den Feststellungen des FG wesentliche kaufmännische Arbeiten (z.B. Ausarbeitung von Angeboten) verrichtet, was in Luxemburg mangels ausreichender Unterlagen nicht möglich war. Damit befand sich in S ein fester Bezugspunkt für die Leitungstätigkeit des Klägers, während in Luxemburg ein solcher nicht vorhanden war. Angesichts dessen spricht manches für die Würdigung des FG, das als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung des Unternehmens das Büro in S angesehen hat.

b) Doch muss diese Frage im vorliegenden Revisionsverfahren nicht abschließend beantwortet werden. Denn wenn sich die Geschäftsleitung des Unternehmens in Luxemburg befunden hätte, würde hieraus zwar folgen, dass in Luxemburg eine Betriebsstätte des Klägers i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg bestanden hat und dass die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte (Art. 5 Abs. 1 und 2 DBA-Luxemburg) nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg von der deutschen Besteuerung freizustellen sind. Einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte können aber nur diejenigen Einkünfte zugerechnet werden, die speziell auf die Geschäftsleitungstätigkeit zurückgehen. Die übrigen Einkünfte des Unternehmens können deshalb auch bei Zuordnung der Geschäftsleitung zu einer Einrichtung in Luxemburg nur dann in Luxemburg besteuert werden und deshalb in Deutschland steuerfrei sein, wenn sie einer weiteren Luxemburger Betriebsstätte zuzurechnen sind. Anderenfalls unterliegen diese Einkünfte der deutschen Besteuerung (Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg).

Für den Streitfall folgt hieraus, dass der Umfang des deutschen Besteuerungsrechts zwar u.a. von der räumlichen Zuordnung der Geschäftsleitung, unabhängig davon aber jedenfalls auch vom Bestehen von Bau- oder Montagebetriebsstätten des Klägers in Luxemburg abhängt. Angesichts dessen kann hier offen bleiben, ob dem Revisionsvortrag der Kläger beigepflichtet werden könnte, dass die in Luxemburg angemietete Halle als "Ort der Leitung" i.S. des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg anzusehen ist; dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (hierzu BFH in BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86, 87, m.w.N.) beurteilen müssen. Selbst wenn der genannte Vortrag im Ergebnis zuträfe, könnte sich allein hieraus jedoch keine vollständige Steuerfreistellung der in Luxemburg erwirtschafteten Einkünfte ergeben. Speziell in Ansehung der Einkünfte, die der eigentlichen Bau- oder Montagetätigkeit zuzurechnen sind, kommt es unabhängig vom Geschäftsleitungsort auf die Zuordnung zu einer Bau- oder Montagebetriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne an.

6. Die Frage nach dem Bestehen und ggf. nach dem Umfang einer Steuerfreiheit hängt hiernach vor allem davon ab, ob und ggf. inwieweit die räumlichen und zeitlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, dass die einzelnen Baubezirke in Luxemburg als Betriebsstätten des Klägers angesehen werden können. Die insoweit notwendigen tatsächlichen Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden, so dass das Verfahren an das FG zurückverwiesen werden muss.

Wenn und soweit das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangt, dass sich in einzelnen oder in allen Baubezirken Betriebsstätten des Klägers befanden, wird es darüber hinaus die diesen Betriebsstätten zuzurechnenden Einkünfte (vgl. Art. 5 Abs. 2 DBA-Luxemburg) zu ermitteln haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass ein Teil der vom Kläger erzielten Erträge ggf. auf eine dem Inlandsbereich zuzuordnende Geschäftsleitungstätigkeit entfallen dürfte. Schließlich ist zu beachten, dass Einkünfte des Klägers aus Luxemburger Betriebsstätten zwar nicht in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer eingehen dürfen, jedoch möglicherweise im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind (Art. 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg).

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