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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: I R 31/06
Rechtsgebiete: FGO, StBerG


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 65
FGO § 65 Abs. 1 Satz 1
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
StBerG § 69 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten kann.

Die Klägerin erhob, vertreten durch Steuerberater K, gegen Steuerbescheide für die Streitjahre (1996 bis 1998) Klagen. In den Klageschriften kündigte sie jeweils an, u.a. eine Begründung und einen Klageantrag nachzureichen. Einer Aufforderung des Finanzgerichts (FG), den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin setzte ihr das FG mit Schreiben vom 15. September 2003 gemäß § 65 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine mit ausschließender Wirkung versehene Frist zur Bezeichnung des Klagebegehrens bis zum 20. Oktober 2003.

Mit Schriftsätzen vom 30. Oktober 2003, die beim FG am 1. November 2003 eingingen, begründete Steuerberater K die namens der Klägerin erhobenen Klagen. Zugleich beantragte er, die festgesetzten Steuern und die festgestellten Beträge in einer näher bezeichneten Weise herabzusetzen und wegen der Versäumung der Ausschlussfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs führte er aus:

Er habe sich vom 27. September 2003 bis einschließlich 12. Oktober 2003 im Erholungsurlaub befunden. Bis zum Abreisetag habe er alle Fristen, die bis zum 17. Oktober 2003 berücksichtigt werden mussten, persönlich kontrolliert und abgearbeitet. In diesem Zusammenhang sei auch das hier streitgegenständliche Verfahren bearbeitet worden.

Bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub sei er an einem schweren Infekt erkrankt gewesen, weshalb er seinen beruflichen Verpflichtungen zunächst nicht habe nachkommen können und kaum die Wohnung verlassen habe. Er habe gewusst, dass vor dem 17. Oktober 2003 keine Fristen gewahrt werden mussten. Dennoch habe er am 17. Oktober 2003 die in seinem Büro beschäftigte Frau G telefonisch angewiesen, die Fristüberwachung genau vorzunehmen, da er selbst keine zusätzlichen Kontrollen durchführen könne. Für Fristen sei Rücksprache zu halten oder vorsorglich Einspruch einzulegen. Frau G sei u.a. mit der Fristüberwachung beauftragt, und bei ihrer bisherigen Tätigkeit habe K keine Versäumnisse feststellen können.

Auf die ihr erteilte Anweisung hin habe Frau G die Fristen durchgesehen und sodann auf die Frage danach, wann die Frist in der Sache der Klägerin ablaufe, als Datum den 30. Oktober 2003 genannt. Daraufhin habe K keine Veranlassung zu einem sofortigen Tätigwerden gesehen, da der notwendige Schriftsatz bereits weitgehend vorbereitet gewesen sei. Erschwerend sei hinzugekommen, dass zwischen dem 17. und dem 22. Oktober 2003 der PC mit den Fristüberwachungen zeitweise ausgefallen sei, was K aber erst am 28. Oktober 2003 erfahren habe. Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine vom 28. Oktober 2003 datierende ärztliche Bescheinigung beigefügt, in der es heißt, dass K sich seit dem 1. September 2003 in internistischer Behandlung befinde und bis auf Weiteres reise- und verhandlungsunfähig sei.

Frau G hat den geschilderten Hergang an Eides statt versichert. Nach ihren Angaben ist es in der Zeit vom 17. bis zum 22. Oktober ständig zu Ausfällen des Bildschirms des Computers gekommen, in dem sie das Fristenkontrollbuch geführt hat. Deshalb habe ihr nicht das Fristenkontrollbuch, sondern nur eine eigene ausgedruckte Fristenliste zur Verfügung gestanden. Auf ausdrückliche Anfrage des K am 20. Oktober 2003 habe sie geantwortet, dass die Fristen im vorliegenden Rechtsstreit erst am 30. Oktober abliefen.

Steuerberater K hat weiter ausgeführt, in seinem Büro sei auf Grund seiner Anweisungen die Anordnung der Ausschlussfrist am 17. September 2003 im Postbuch und im Fristenbuch mit Fristablauf am 20. Oktober 2003 eingetragen worden. Warum das von Frau G geführte zweite Fristenbuch einen Fristablauf zum 30. Oktober 2003 ausgewiesen habe, sei nicht nachvollziehbar und könne auch Frau G nicht erklären. Für ihn, K, sei der Fehler nicht erkennbar gewesen, da er auf sein ordnungsgemäß kontrolliertes Fristenbuch habe vertrauen dürfen.

Das FG wies die Klage ab, da die Klägerin die Ausschlussfrist zur Bezeichnung der Klagefrist versäumt habe und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten könne. Sein Urteil (FG München, Urteil vom 30. März 2006 7 K 1237/06) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1338 abgedruckt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 56 Abs. 1 FGO. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen lassen keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss im finanzgerichtlichen Verfahren die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Fehlt es daran, so kann das FG dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Wird diese Frist nicht gewahrt, so ist die Klage unzulässig, sofern die Versäumung der Frist nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden kann (§ 65 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 56 FGO).

2. Im Streitfall hat die Klägerin die ihr vom FG gesetzte Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens unstreitig nicht gewahrt. Die von ihr deshalb begehrte Wiedereinsetzung in diese Frist kann sie nur dann erhalten, wenn sie an der Einhaltung der Frist ohne Verschulden verhindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dabei ist ihr ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten --im Streitfall also des Steuerberaters K-- wie eigenes Verschulden zuzurechnen.

3. Das FG hat die Darstellung der Klägerin, dass Steuerberater K im Zeitpunkt des Fristablaufs krankheitsbedingt seinen Beruf nicht ausüben konnte und erstmals am 28. Oktober 2003 seine Praxis wieder aufgesucht hat, als wahr unterstellt. Dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin zum Inhalt des am 17. Oktober 2003 geführten Telefonats zwischen K und der bei ihm angestellten Frau G. Das FG hat dennoch angenommen, dass die Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten könne, da Frau G die Versäumung der Frist verschuldet habe und ihr Verschulden der Klägerin zuzurechnen sei. Diese Beurteilung hält der Revision nicht stand.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss sich, wenn es im Zusammenhang mit § 56 Abs. 1 FGO um die Frage des Verschuldens geht, ein Verfahrensbeteiligter zwar nicht nur das unmittelbar eigene Verschulden sowie das Verschulden eines von ihm eingesetzten Vertreters zurechnen lassen. Vielmehr ist, wenn für den Vertreter seinerseits ein Vertreter tätig wird, dessen Verschulden dem Vertreter des Beteiligten und damit diesem selbst zuzurechnen (BFH-Beschluss vom 11. Mai 1988 II B 8/88, BFH/NV 1989, 311; Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Rz 274, m.w.N.). Das gilt namentlich dann, wenn der Prozessbevollmächtigte des Beteiligten eine andere Person mit der eigenverantwortlichen Bearbeitung des Verfahrens betraut und der so Beauftragte die Versäumung einer Frist verschuldet hat. Davon zu unterscheiden sind indessen Gestaltungen, bei denen der Vertreter nur einzelne ihm obliegende Maßnahmen durch einen anderen --insbesondere durch eine bei ihm beschäftigte Person-- ausführen lässt; in einem solchen Fall muss sich der Vertreter einen Fehler der Hilfskraft nur dann als eigenen zurechnen lassen, wenn er ihn bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte vermeiden können (Söhn in HHSp, § 56 FGO Rz 275, m.w.N.). Nur unter dieser Voraussetzung liegt deshalb dann ein dem Beteiligten zuzurechnendes Vertreterverschulden vor.

b) Im Streitfall hat das FG angenommen, dass die Versäumung der Frist auf einen Fehler der bei Steuerberater K beschäftigten Frau G zurückgehe, die auf die Frage des K nach dem Ablauf der Ausschlussfrist eine unrichtige Auskunft gegeben habe. Diese Beurteilung, der die Beteiligten nicht entgegengetreten sind, hält der Senat für zutreffend. Er vermag jedoch nicht der Ansicht des FG beizupflichten, dass Frau G im Zusammenhang mit der Verschuldenszurechnung als Vertreterin des K anzusehen sei. Denn Frau G war ersichtlich nicht mit der selbständigen Bearbeitung des für die Klägerin zu führenden Rechtsstreits, sondern nur mit einzelnen im Rahmen dieses Verfahrens anfallenden Maßnahmen betraut. Sie war damit nicht Vertreterin des K, sondern wurde von ihm als Hilfskraft eingesetzt. Deshalb würde K im Hinblick auf den ihr unterlaufenen Fehler nur dann ein Verschulden treffen, wenn er bei der Auswahl, Unterweisung oder Überwachung der G schuldhaft gehandelt hätte (s. allgemein Söhn in HHSp, § 56 FGO Rz 285, m.w.N.). Davon sind weder das FG noch die Verfahrensbeteiligten ausgegangen.

c) Entgegen der Ansicht des FG lässt sich die von diesem vorgenommene Verschuldenszurechnung nicht darauf stützen, dass K vor Antritt seines Urlaubs in die Bearbeitung der Streitsache eingetreten war. Es trifft zwar zu, dass ein Prozessbevollmächtigter den Ablauf einer Frist eigenverantwortlich prüfen muss, wenn ihm die Akte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt wird (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. Februar 1998 VII ZB 8/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1998, 938; Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 329, m.w.N.). Das bedeutet aber nur, dass der Bevollmächtigte von diesem Zeitpunkt an nicht mehr unverschuldet handelt, wenn er auf die Fristenkontrolle durch sein Büropersonal vertraut und eine eigenständige Überprüfung der einzuhaltenden Frist unterlässt. Dagegen kann daraus nicht abgeleitet werden, dass jeder nachfolgende Fehler einer Hilfskraft im Zusammenhang mit der Fristwahrung dem Bevollmächtigten anzulasten sei. Das zeigt gerade der Streitfall, in dem nach dem unwidersprochenen Vortrag des K die maßgebliche Ausschlussfrist zutreffend im Fristenkontrollsystem festgehalten war: K musste zwar im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Bearbeitung überprüfen, ob die in jenem System verzeichnete mit der sich aus der Akte ergebenden Frist übereinstimmte; durch eine solche Überprüfung konnte aber der später aufgetretene Fehler nicht vermieden werden, da er nicht auf eine fehlerhafte Eintragung der Frist, sondern auf andere Ursachen zurückgeht. Der entscheidende Fehler lag darin, dass Frau G auf die Nachfrage des K eine weder dem Fristenkalender noch der Akte entnommene Frist benannte, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen; damit musste K jedenfalls dann, wenn Frau G sich bis dahin als in Fristdingen zuverlässig erwiesen hatte, nicht rechnen.

4. Angesichts dessen kann der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann versagt werden, wenn ein anderweitiges Verschulden des K zur Versäumung der Ausschlussfrist geführt oder beigetragen hat. Diese Frage kann anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

a) Ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden des K liegt nicht darin, dass der Fristenkalender seines Büros im Rahmen eines computergestützten Systems geführt wurde (vgl. dazu Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 366). Ebenso gereicht es K nicht zum Verschulden, dass er der mit der Fristenkontrolle beauftragten Frau G nicht die Anweisung erteilt hat, im Fall eines Computerausfalls die maßgebliche Frist der Handakte zu entnehmen. Vielmehr durfte K sich darauf verlassen, dass Frau G in einem solchen Fall Bericht erstatten und seine Weisung einholen würde. Dass sie stattdessen auf einen von ihr persönlich geführten Fristenkalender zurückgriff, musste er jedenfalls dann nicht einkalkulieren, wenn er --wie von ihm selbst vorgetragen und in der eidesstattlichen Versicherung der Frau G bestätigt-- von diesem Kalender keine Kenntnis hatte.

b) Ebenso war K nicht verpflichtet, bei einer krankheitsbedingten Abwesenheit von seiner Praxis einen allgemeinen Vertreter zu bestellen oder bestellen zu lassen. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass eine solche Verpflichtung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nur dann besteht, wenn der Steuerberater länger als einen Monat an der Berufsausübung gehindert ist. Dass die urlaubsbedingte und die anschließende Abwesenheit des K sich insgesamt länger als einen Monat hinzogen, ist insoweit unschädlich, da im Zusammenhang mit § 69 Abs. 1 Satz 1 StBerG nur auf die zukünftig zu erwartende Abwesenheit abzustellen ist (Gehre/ von Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl., § 69 Rz 4).

c) Schließlich scheitert die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung nicht daran, dass Steuerberater K seiner Darstellung nach zunächst von einem Fristablauf zum 30. Oktober 2003 ausgegangen ist, sein Schriftsatz mit der Bezeichnung des Klagebegehrens aber tatsächlich erst am 1. November 2003 beim FG eingegangen ist. Die Klägerin macht insoweit zu Recht geltend, dass mit dem Wegfall des der Fristwahrung entgegenstehenden Hindernisses stets eine Frist von zwei Wochen beginnt, innerhalb derer die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden muss (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Das Hindernis fällt im Sinne dieser Regelung weg, sobald der zur Fristwahrung Verpflichtete oder sein Bevollmächtigter die Versäumung der Frist erkannt hat oder bei Anspannung der möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können (Senatsurteil vom 22. August 2006 I R 24/05, BFH/NV 2007, 63; Söhn in HHSp, § 56 FGO Rz 465 f., m.w.N.). Deshalb hat die Klägerin, falls Steuerberater K --wie von ihm vorgetragen-- erst am 28. Oktober von der Fristversäumung Kenntnis erlangt hat und ihn insoweit kein Verschulden trifft, die in § 56 Abs. 2 FGO bestimmten Fristen gewahrt.

d) Gleichwohl ist der Rechtsstreit nicht zur abschließenden Entscheidung reif. Denn die Feststellungen des FG lassen die Möglichkeit offen, dass ein anderweitiges Verschulden des K zur Versäumung der vom FG gesetzten Frist beigetragen haben könnte.

aa) Das gilt zum einen insoweit, als nicht hinreichend aufgeklärt ist, wie lange und aus welchen Gründen Steuerberater K am und in der Zeit vor dem 20. Oktober 2003 --dem letzten Tag der vom FG gesetzten Ausschlussfrist-- seiner Praxis ferngeblieben ist. Die Klägerin hat dazu zwar vorgetragen, K sei im Anschluss an seinen Erholungsurlaub bis zu jenem Tag krankheitsbedingt an einer erneuten Aufnahme seiner Berufstätigkeit gehindert gewesen. Damit hat sie jedoch Umstände, die ein Verschulden des K an der Versäumung der Frist ausschließen, nicht in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht.

aaa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Versäumung einer Frist unverschuldet sein kann, wenn die Wahrung der Frist durch eine nicht vorhersehbare Erkrankung verhindert wurde. Dabei reicht aber nicht jede Erkrankung als Entschuldigungsgrund aus. Speziell ein beruflich in Steuersachen tätiger Vertreter kann vielmehr die Versäumung einer Frist nur dann auf diese Weise entschuldigen, wenn die Krankheit erstens plötzlich und unvorhersehbar auftritt oder sich verstärkt und zweitens so schwerwiegend ist, dass dem Vertreter ein rechtzeitiges Tätigwerden nicht mehr zumutbar war (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2006 XI R 4/06, BFH/NV 2007, 253; Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 401, m.w.N.).

bbb) Wird im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs ein solcher Sachverhalt vorgetragen, so muss er in geeigneter Weise glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Zu diesem Zweck muss im Allgemeinen eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, die Angaben zu Art und Schwere der Erkrankung enthält (BFH-Beschluss vom 11. August 2005 VII B 319/04, BFH/NV 2006, 79; Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 523); eine solche Bescheinigung hat die Klägerin im Streitfall nicht beigebracht. Zudem könnten sich Zweifel an der Aussagekraft des von ihr vorgelegten Attestes daraus ergeben, dass dieses unter dem 28. Oktober 2003 ausgestellte Dokument Steuerberater K eine "Reise- und Verhandlungsunfähigkeit" bescheinigt, obwohl K unstreitig am selben Tag seine Praxis aufgesucht hat und dort seiner Berufstätigkeit nachgegangen ist. Jedoch hat Frau G in ihrer eidesstattlichen Versicherung bestätigt, dass K im Anschluss an seinen Urlaub "vollständig bis zum 28. Oktober 2003 krankheitsbedingt ausgefallen" und "seit der Zeit nur sporadisch tätig" sei. Diese Angabe begründet in Verbindung mit dem --allgemein gehaltenen-- ärztlichen Attest gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass K tatsächlich vom Ende seines Urlaubs bis zum Ablauf der hier maßgeblichen Ausschlussfrist krankheitsbedingt arbeitsunfähig war.

ccc) Vor diesem Hintergrund hätte das FG prüfen müssen, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass K in der Zeit bis zum 20. Oktober 2003 krankheitsbedingt seine Praxis nicht aufsuchen konnte und auch tatsächlich nicht aufgesucht hat. Falls diese Frage zu bejahen war, hätte es sich ferner ein Bild davon machen müssen, ob die Angaben der Frau K zu Inhalt und Umständen ihres am 17. Oktober 2003 geführten Telefonats mit Steuerberater K glaubhaft sind. Nur unter diesen Voraussetzungen könnte nämlich ein Sachverhalt, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigt, als glaubhaft gemacht angesehen werden (vgl. Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 45, m.w.N.).

bb) Das FG ist, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, den genannten Fragen nicht nachgegangen. Ob in einer solchen Situation der BFH die aktenkundigen Umstände selbst würdigen und ggf. eigenständig Beweise erheben darf, ist in Rechtsprechung und Schrifttum streitig (bejahend BFH-Urteil vom 28. Februar 1978 VII R 92/74, BFHE 124, 487, BStBl II 1978, 390; Stapperfend in Gräber, a.a.O., § 56 Rz 45; verneinend Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Rz 33; unentschieden Söhn in HHSp, § 56 FGO Rz 642, m.w.N. zum Streitstand). Unabhängig davon ist das Revisionsgericht jedoch zu einem solchen Vorgehen allenfalls berechtigt, nicht aber verpflichtet; es darf vielmehr auch dann, wenn es im Zusammenhang mit der Überprüfung einer Sachentscheidungsvoraussetzung Tatsachen eigenständig feststellen und würdigen darf, hiervon absehen und den Rechtsstreit zu diesem Zweck an das FG zurückverweisen (Ruban in Gräber, a.a.O., § 118 Rz 45, m.w.N.). Im Streitfall erscheint eine solche Handhabung zweckmäßig, da das FG den Vortrag der Klägerin zu den entscheidungserheblichen Umständen noch nicht gewürdigt hat (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 II R 10/79, BFHE 138, 401, BStBl II 1983, 698).

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