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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.03.2009
Aktenzeichen: I R 32/08 (1)
Rechtsgebiete: EStG 2002, KStG 2002


Vorschriften:

EStG 2002 § 4 Abs. 1 Satz 5
EStG 2002 § 6 Abs. 1 Nr. 5
EStG 2002 § 17 Abs. 1 Satz 1
EStG 2002 § 17 Abs. 1 Satz 2
EStG 2002 § 17 Abs. 2
KStG 2002 § 8b Abs. 2
KStG 2002 § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Legt ein Gesellschafter Anteile an einer Kapitalgesellschaft verdeckt in eine andere Kapitalgesellschaft ein, hat diese die Anteile mit dem Teilwert zu bewerten. Auch wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Anteile in ihren Bilanzen fehlerhaft mit einem geringeren Wert als dem Teilwert ansetzt, liegt kein Erwerb unter dem Teilwert i.S. des § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 vor. Ein Gewinn der aufnehmenden Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung der Anteile ist daher steuerfrei.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, hat den Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen zum Gesellschaftsgegenstand. Alleingesellschafter der Klägerin ist der zum Verfahren gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) beigeladene F. F war gleichzeitig zu 50 % am Kapital der VA, einer S.A., beteiligt, die wiederum über einen Treuhänder 80 % der Anteile an der C-GmbH hielt, welche durch Formwechsel am 12. Juni 2002 in die C-AG umgewandelt worden war. Das Grundkapital der C-AG, bestehend aus 2 200 Aktien zum Nennbetrag von je 25 €, betrug 55 000 €. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen F und der VA sollte F gegen eine Abfindung von 660 Aktien der C-AG aus der VA ausscheiden. Die Übertragung der Aktien erfolgte am 5. November 2002 durch Indossament direkt auf die Klägerin.

F legte die erhaltenen Aktien an der C-AG unmittelbar hiernach in die Klägerin ein. Die Klägerin bezifferte die Einlage mit 22 000 €. Dieser Betrag entsprach den Anschaffungskosten, die F im Jahr 1999 für die Anteile an der VA aufgewandt hatte. Die Klägerin veräußerte am 31. Dezember 2002 ihre Aktien der C-AG zum Preis von 347 900 € an ein französisches Unternehmen. Sie behandelte den erzielten Gewinn aus dem Verkauf der Aktien in Höhe von 325 900 € als nach § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (BGBl I 2002, 4145, BStBl I 2002, 1170) --KStG 2002-- steuerfreien Veräußerungserlös. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte den Veräußerungsgewinn als steuerpflichtig und erließ entsprechende Steuerbescheide 2002. Er war der Auffassung, die Anteile seien von der Klägerin unter ihrem Teilwert erworben worden, was die Gewährung einer Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 ausschließe.

Die dagegen erhobene Klage wies das Hessische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 29. November 2007 4 K 3765/04 ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1914 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Steuerbescheide die Körperschaftsteuer 2002 und den Gewerbesteuermessbetrag 2002 jeweils auf 0 € festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.

1. Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung unter den weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen außer Ansatz (§ 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002). Das gilt nicht, soweit die Körperschaft die Anteile von einem Einbringenden, der nicht zu den von Abs. 2 begünstigten Steuerpflichtigen gehört, zu einem Wert unter dem Teilwert erworben hat (§ 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002).

2. Die Klägerin hat die Anteile an der C-AG nicht zu einem Wert unterhalb des Teilwerts erworben. Ein bei der Veräußerung der Anteile erzielter Veräußerungsgewinn bleibt daher gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin außer Ansatz.

a) F hat die Beteiligung an der C-AG verdeckt in die Klägerin eingelegt. Eine verdeckte Einlage ist gegeben, wenn der Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person aus Gründen, die im Gesellschaftsverhältnis wurzeln, eine Einlage erbringt, ohne eine wertadäquate Gegenleistung zu erhalten. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Zwar sind die Anteile des F an der Klägerin durch die Einlage der C-Aktien wertvoller geworden. Nach ständiger Senatsrechtsprechung führt diese Wertsteigerung jedoch nicht zu einem greifbaren Vermögensvorteil und ist daher nicht als Gegenleistung, sondern lediglich als Wertreflex zu beurteilen (z.B. Senatsurteile vom 23. Februar 2005 I R 44/04, BFHE 209, 123, BStBl II 2005, 522; vom 19. August 1997 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43).

b) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 sind Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 2002) mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist und der Steuerpflichtige an der Gesellschaft i.S. des § 17 Abs. 1 EStG 2002 beteiligt ist. F hielt 660 des insgesamt 2 200 Aktien umfassenden Grundkapitals der C-AG und war damit i.S. des § 17 Abs. 1 EStG 2002 an der C-AG beteiligt. Denn nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 in der im Streitjahr gültigen Fassung gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % (in der Fassung davor: 10 %) beteiligt war.

c) § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG 2002 ist jedoch im Wege der teleologischen Reduktion ab dem Veranlagungszeitraum 1992 (für die Zeit davor vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 1998 I R 89/97, BFHE 186, 25, BStBl II 1998, 691) einschränkend dahingehend zu verstehen, dass stets Satz 1 Halbsatz 1 anzuwenden ist (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. November 1998, BStBl I 1998, 1227; allgemeine Auffassung im Schrifttum, z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 120; Schmidt/Glanegger, EStG, 27. Aufl., § 6 Rz 441 "Verdeckte Einlagen"; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 6 Rz 167). Die verdeckt eingelegten Aktien der C-AG waren sonach im Zeitpunkt ihrer Einlage mit ihrem Teilwert anzusetzen.

Verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften sind an sich unentgeltliche Vorgänge (Senatsurteile vom 27. Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271; vom 28. Februar 1990 I R 43/86, BFHE 160, 180, BStBl II 1990, 615). Um die Besteuerung der stillen Reserven der nach § 17 EStG 2002 steuerverhafteten Anteile zu sichern, steht jedoch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert gleich. Korrespondierend damit sind die verdeckt eingelegten Anteile entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 auch bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft mit ihrem Teilwert und nicht mit den ursprünglichen Anschaffungskosten anzusetzen, und zwar auch dann, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG 2002 vorliegen, die Anteile also innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft wurden. Müsste die aufnehmende Gesellschaft die Anteile dennoch mit den Anschaffungskosten ansetzen, käme es im Falle einer späteren Veräußerung der Anteile zu einer erneuten Besteuerung der in den eingelegten Anteilen ruhenden, beim Einlegenden steuerlich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 bereits erfassten stillen Reserven.

d) Dessen ungeachtet weist der Streitfall die Besonderheit auf, dass F die Beteiligung an der C-AG unmittelbar vor der Einlage in die Klägerin gegen die Anteile an der VA, von deren Grundkapital er 50 % hielt, getauscht hat. F hat damit die Anteile an der VA i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 veräußert und im Gegenzug die C-Aktien angeschafft (vgl. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 105). Werden Anteile im Wege des Tausches erworben, ist Anschaffungspreis der gemeine Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter (vgl. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 206). Auch bei einer Bewertung der Einlage mit den Anschaffungskosten wäre --unterstellt, die Anteile der C-AG und der VA wären wertgleich-- demnach kein anderer Wert als der Teilwert der C-Aktien anzusetzen.

3. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin hat die Aktien der C-AG mit 22 000 € bewertet. Dies entsprach den Anschaffungskosten, die F im Jahr 1999 für die Anteile an der VA aufwenden musste. Soweit dieser Ansatz den Teilwert der C-Aktien zum Zeitpunkt ihrer Einbringung unterschritt, war er fehlerhaft. Wie hoch der Teilwert dieser Anteile tatsächlich war, bedarf jedoch im Streitfall keiner Aufklärung. Denn selbst wenn die Klägerin bei der Veräußerung der Aktien für 347 900 € einen höheren Preis als deren Teilwert zum Zeitpunkt der Einlage rund sieben Wochen davor erzielt haben sollte, wäre dieser Gewinn gemäß § 8b Abs. 2 KStG 2002 steuerfrei (vgl. allgemein auch Gosch, KStG, § 8b Rz 349; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 171, m.w.N.). Der Teilwert der C-Aktien zum Zeitpunkt ihrer Einbringung ist nur für die Ermittlung des vom Beigeladenen erzielten Veräußerungsgewinns gemäß § 17 Abs. 2 EStG 2002 bei dessen Einkommensteuerfestsetzung von Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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