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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.11.1999
Aktenzeichen: I R 4/99
Rechtsgebiete: KStG, FondsG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
FondsG § 10
FondsG § 2 Abs. 1
FondsG § 10 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, deren Gesellschafter landwirtschaftliche Erzeugerverbände sind, dient dem A, einer Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 des Gesetzes über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, seit dem 1. Januar 1994 nur noch der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft --Absatzfondsgesetz-- vom 26. Juni 1969, BGBl I 1969, 635, für die Streitjahre 1985 bis 1995 in den Fassungen der Neuverkündungen vom 8. November 1976, BGBl I 1976, 3109, und vom 21. Juni 1993, BGBl I 1993, 998, dieses in der Fassung vom 2. August 1994, BGBl I 1994, 2018 --AbsFondsG--), zur Durchführung seiner ihm gemäß § 2 Abs. 1 AbsFondsG gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und bezweckt die zentrale Förderung des Absatzes und der Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Agrarwirtschaft (§ 2 Abs. 2 AbsFondsG). Zur Erreichung dieses Zwecks führt sie alle geeigneten Maßnahmen zur Erschließung und Pflege von Märkten im In- und Ausland durch, insbesondere Werbe- und Verkaufsförderungsaktionen, Marktforschung und -strategieentwicklung sowie Förderung von Herkunfts- und Gütezeichen und Entwicklung neuer Produkte. Dabei hat die Klägerin die Richtlinien des A zu beachten und im übrigen ihre Tätigkeit nach dem Gesamtinteresse der deutschen Agrarwirtschaft auszurichten. Die hierfür erforderlichen Mittel werden ihr von dem A zur Verfügung gestellt (§ 2 Abs. 4 AbsFondsG).

Die Klägerin darf kein eigenes erwerbswirtschaftliches Warengeschäft betreiben (§ 2 Abs. 2 AbsFondsG). Sie strebt nach § 2 Abs. 4 Satz 2 ihres Gesellschaftsvertrages nicht die Erzielung von eigenen Gewinnen, sondern lediglich die Förderung der deutschen Agarwirtschaft an. Außer Zuwendungen des A, die sich in den Streitjahren 1985 bis 1995 --in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen-- zwischen 72 v.H. und 83 v.H. der Gesamterträge beliefen, und der Europäischen Gemeinschaft erhält die Klägerin auch Zuschüsse von Bundesländern zur Durchführung von inländischen Ausstellungen und Messen. Weiter erzielt sie eigene Einnahmen aus der Abgabe von Werbemitteln und Informationszeitschriften, aus Gütezeichenprüfungen sowie aus der Weiterbelastung von Werbekosten an Unternehmen und Institute der Agrarwirtschaft. Über eigenes Anlagevermögen verfügt sie nicht. Das Eigentum an immateriellen Vermögensgegenständen sowie an Sach- und Finanzanlagen geht entsprechend den Bestimmungen des Zuwendungsbescheids des A jeweils bei der Anschaffung auf diesen über und wird von der Klägerin treuhänderisch verwaltet. Die Klägerin wies in allen Streitjahren ein Geschäftsergebnis von 0 DM aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah in der Tätigkeit der Klägerin den Betrieb einer Werbeberatung und Werbeagentur. Ein solcher Betrieb würde indes nicht gewinnlos geführt, sondern einen Reingewinn erwirtschaften, wobei ein Gewinnsatz von 2 v.H. des Umsatzes als angemessen anzusehen sei. Dadurch, daß die Klägerin keine entsprechenden Entgelte für ihre Leistungen verlangt habe, habe sie Gewinne verhindert und damit solche verdeckt ausgeschüttet.

Die gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer-Meßbeträge 1985 bis 1995 erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab ihr mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 398 abgedruckten Urteil statt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, soweit es die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer-Meßbeträge 1985 bis 1995 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet.

Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu berücksichtigen; sie mindern das Einkommen nicht. Für die Ermittlung des Gewerbeertrages gilt Entsprechendes (§ 7 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes).

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

Die Vorinstanz ist von diesen Rechtsgrundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Senats ausgegangen und hat sie richtig angewandt. Die Annahme einer vGA ist hiernach nicht gerechtfertigt.

Unternehmensgegenstand der Klägerin als "zentraler Einrichtung der Wirtschaft" (§ 2 Abs. 2 AbsFondsG) ist die Durchführung der dem --seinerseits steuerbefreiten (vgl. § 13 AbsFondsG)-- A gemäß § 2 Abs. 1 AbsFondsG gesetzlich auferlegte "zentrale Förderung des Absatzes und der Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Agrarwirtschaft". Bei der Klägerin handelt es sich sonach um ein Unternehmen, dessen sich der A bedient und in das die besagten Förderungsmaßnahmen als --öffentliche-- Aufgabe aufgrund entsprechender gesetzlicher Verpflichtung ausgelagert worden ist. Es mag sein, daß ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich grundsätzlich auch die Klägerin messen lassen muß, dafür --neben dem vollen Ausgleich der Kostendeckung-- einen angemessenen Gewinnaufschlag verlangen würde (vgl. für ähnlich gelagerte Sachverhalte z.B. Senatsurteile vom 19. August 1998 I R 21/98, BFHE 187, 18, BStBl II 1999, 99, in Abgrenzung zu einem der Kostendeckung verpflichteten Verein; vom 13. August 1997 I R 85/96, BFHE 184, 311, BStBl II 1998, 161, im Hinblick auf einen Berufsverband gegenüber seinen Mitgliedern; vom 10. Juli 1996 I R 108-109/95, BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230, bezogen auf den Betrieb gewerblicher Art einer Gebietskörperschaft). Gleichermaßen trifft es zu, daß eine Kapitalgesellschaft im Grundsatz darauf angelegt ist, Gewinne zu erzielen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673, für Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Erstausstattung einer Kapitalgesellschaft). Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Denn auch wenn die satzungsmäßige Verpflichtung zur Gewinnlosigkeit und zur bloßen Kostendeckung einem Fremdvergleich --bei isolierter Betrachtung-- nicht standhielte, könnte in dem Verzicht auf angemessene Gewinnaufschläge gleichwohl keine vGA gesehen werden. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG beinhaltet, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, keine allgemeine Ermächtigung zur pauschalen Einkommenskorrektur nach Maßgabe branchendurchschnittlicher Gewinnvorgaben (so aber offenbar Achenbach in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anh. zu § 8 KStG, Stichwort Non-profit-Unternehmen). Vielmehr bleiben unternehmerische Fehlentscheidungen und hierdurch ausgelöste Verluste einer Kapitalgesellschaft betrieblich veranlaßt und sind prinzipiell steuerlich hinzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540, bezogen auf Risikogeschäfte). Für eine Gewinnlosigkeit verhält es sich im Grundsatz nicht anders, und zwar gleichviel, ob diese satzungsmäßig verankert ist oder nicht (vgl. auch § 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Zu Korrekturen kann es hier wie dort immer nur dann kommen, wenn die Überzeugung gewonnen werden kann, daß für Verlust oder Gewinnlosigkeit gesellschaftliche und damit ertragsteuerlich unbeachtliche Beweggründe maßgebend gewesen sind (vgl. z.B. die vorgenannten Senatsurteile in BFHE 187, 18, BStBl II 1999, 99; in BFHE 184, 311, BStBl II 1998, 161; in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230, sowie in BFHE 186, 540; ebenso z.B. B. Lang in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 666 f., 1193, 1227; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Anh. zu § 8, Stichwort Non-Profit-Gesellschaften; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Anm. 97 f.; Staiger in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Anm. 300, Stichwort Gewinnlosigkeit).

Daran fehlt es im Streitfall. Nach dem tatrichterlich festgestellten Tatbestand (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Rechtslage nach Maßgabe des Absatzfondsgesetzes hat die Klägerin in den Streitjahren --gegen Kostenerstattung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Zuwendungen-- ausschließlich Leistungen in Gestalt von Maßnahmen zur Förderung der deutschen Agrarwirtschaft erbracht, die als solche im öffentlichen Interesse erfolgen und an sich (nur) dem A, nicht aber ihren Gesellschaftern obliegen. Sie hat dafür keine Entgelte erlangt, die sich konkreten Aufträgen oder Leistungen zuordnen lassen, sondern kostendeckende Zuwendungen im Rahmen sog. institutioneller Förderung, damit sie in die Lage versetzt wird, sich in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks zu betätigen (vgl. insoweit das zur Umsatzsteuer der Schwestergesellschaft der Klägerin ergangene BFH-Urteil vom 20. April 1988 X R 3/82, BFHE 153, 445, BStBl II 1988, 792). Zwar mögen die erbrachten Fördermaßnahmen im Ergebnis auch den Interessen ihrer Gesellschafter --als Spitzenverbänden der deutschen Agrarwirtschaft-- entsprochen und diesen genützt haben. Ein solcher unterstellter Nutzen wäre jedoch ein lediglich mittelbarer Reflex, der nicht ausreicht, um eine gesellschaftlich motivierte Vermögensminderung annehmen zu können.

Insbesondere läßt sich eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung nicht, wie die Revision annimmt, aus dem Umstand herleiten, daß der A sich gemäß § 10 AbsFondsG aus Beiträgen der Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft refinanziert, die ihrerseits, was im einzelnen vom FG nicht festgestellt worden ist, Mitglieder der landwirtschaftlichen Erzeugerverbände und damit der Gesellschafter der Klägerin sein mögen. Das FA folgert daraus, daß diese Beiträge höher ausfallen würden, wenn die Klägerin angemessene Gewinnaufschläge vornähme; deren Gesellschafter wären deswegen begünstigt. Abgesehen davon, daß diese Vorteilsvermutung doch eher eine spekulative ist, ergibt sich aus § 10 Abs. 3 AbsFondsG eine --nach Betriebsarten gestaffelte-- gesetzlich pauschalierte und als Zwangsabgabe ausgestaltete Beitragsbemessung, die sich gerade nicht an den tatsächlichen Ausgaben des A ausrichtet. Schon von daher ist nicht ersichtlich, ob und wie sich eine "Verteuerung" der von der Klägerin erbrachten Leistungen auf die Beitragshöhe auswirken würde. Ebensowenig ist erkennbar, daß der Gewinnverzicht der Klägerin der Preis dafür ist, daß die Verbände ihrerseits "kostenlos" in den Genuß der Marketingleistungen für die Agrarprodukte gelangen würden. Vielmehr ist dies der Preis für die Kostendeckung durch den A.

Die dem A gegenüber, für diesen und/oder an dessen Stelle erbrachten Leistungen der Klägerin lassen sich deren Gesellschaftern aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sog. Nahestehens als eigene Vorteile zurechnen (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301). Trotz und ungeachtet der in gewisser Weise gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessenlage zwischen dem A einerseits und den Gesellschaftern andererseits --laut Unternehmenszweck der Klägerin: dem "Gesamtinteresse der deutschen Agrarwirtschaft"-- ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte für ein derartiges, durch konkrete Umstände belegtes Nahestehen. Solches wird auch vom FA im Ergebnis nicht (mehr) ernstlich behauptet.



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