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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: I R 62/01
Rechtsgebiete: KStG, EStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 1
EStG § 50a
EStG § 22 Nr. 3
EStG § 50a Abs. 4
EStG § 50a Abs. 5
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 6
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 9
EStG § 50a Abs. 5 Satz 5
EStG § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der S-GmbH. Deren Alleingesellschafterin war die in der Schweiz ansässige S-AG. Mit inhaltsgleichen Verträgen vom 5. Dezember 1988, vom 10. Dezember 1990 und vom 18. Februar 1993 übertrug die S-AG der S-GmbH Vertriebsrechte für die Bundesrepublik Deutschland an bestimmten betriebswirtschaftlichen Programmsystemen. In den Verträgen verpflichtete sich die S-AG als alleinige Eigentümerin der genannten Programme, die S-GmbH von allen vermeintlichen Schutzrechten Dritter freizustellen. Für den "Verkauf" der Software in der Bundesrepublik sollte der S-GmbH eine Provision in Höhe von 40 v.H. der erzielten Nettoüberlassungsvergütungen verbleiben. Für die "Vermittlung von Verträgen" der S-AG außerhalb der Bundesrepublik wurde ein Provisionssatz von 20 v.H. vereinbart. Der S-GmbH wurde das Recht eingeräumt, Wartungsverträge mit den Anwendern sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern abzuschließen. Die vereinnahmten Wartungsgebühren sollten ihr in voller Höhe verbleiben. Der S-GmbH wurde weiterhin das Recht eingeräumt, "Programmänderungen vorzunehmen, sofern diese notwendig seien, um die Programme an die Umgebung der übrigen ...-Systeme anzupassen". Sie konnte auch nach Genehmigung durch die S-AG inhaltliche Programmverbesserungen realisieren, wobei von Fall zu Fall entschieden werden sollte, inwieweit diese Verbesserungen an die S-AG verrechnet werden könnten. Die Programmrechte sollten jedoch in jedem Fall bei dieser verbleiben.

Das ursprüngliche Gesamtkonzept --insbesondere dessen betriebswirtschaftlicher Inhalt-- hatte die S-AG entwickelt. Die einzelnen Programme waren dagegen zunächst von der S-GmbH unter Hinzuziehung von Subunternehmern entwickelt und anschließend --zeitgleich mit dem Abschluss der Verträge-- an die S-AG veräußert worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die in den Streitjahren 1991 bis 1993 an die S-AG gezahlten Vergütungen als Lizenzgebühren, die zu inländischen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und zum Steuerabzug in Höhe von 25 v.H. nach § 50a EStG führten. Da die S-GmbH keine Körperschaftsteuer einbehalten und abgeführt hatte, wurde sie vom FA dementsprechend gemäß § 50a Abs. 5 EStG i.V.m. § 73g Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Haftung genommen.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1374 abgedruckt.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil und den angefochtenen Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FA stützt seinen Haftungsbescheid auf § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG. Die letztere Vorschrift setzt steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 50a Abs. 4 EStG voraus. Der im Streitfall insoweit allein einschlägige § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG verweist seinerseits auf § 49 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 6 und 9 EStG. Von diesen Regelungen scheidet § 49 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG im Streitfall von vornherein aus, weil die S-AG im Inland keine Betriebsstätte hatte und keinen ständigen Vertreter unterhielt und hier auch keine selbständige Arbeit ausübte. Darüber besteht unter den Beteiligten auch kein Streit. Diese sind jedoch uneins darüber, ob die S-AG den Besteuerungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG oder hilfsweise auch jenen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG dadurch erfüllt, dass sie der S-GmbH zeitlich begrenzt Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Computerprogrammen einräumte.

Die Klägerin verneint dies: Zwar handele es sich nach den auch insoweit verbindlichen tatrichterlichen Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bei den Computerprogrammen um urheberrechtlich geschützte Rechte, die der S-GmbH zur Nutzung überlassen werden konnten. Die Rechte seien auch in der Betriebsstätte der S-GmbH und damit in einer inländischen Betriebsstätte verwertet worden. Tatsächlich gehe es jedoch um die entgeltliche Anschaffung eines originären und in der Person der S-GmbH begründeten Alleinvertriebsrechts, welche nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats von § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht umfasst werde (vgl. Senatsurteile vom 27. Juli 1988 I R 130/84, BFHE 154, 227, BStBl II 1989, 101, und I R 87/85, BFH/NV 1989, 393). Die daneben bestehenden und von dem Alleinvertriebsrecht zu unterscheidenden Nutzungsrechte seien der S-GmbH unentgeltlich überlassen worden und könnten deswegen keinen Haftungsanspruch begründen.

Dieser Sachverhaltsbeurteilung der Klägerin hat sich die Vorinstanz nicht angeschlossen. Diese ist vielmehr zu der Erkenntnis gelangt, dass die S-AG der S-GmbH Urheberrechte an drei Computerprogrammen zeitlich begrenzt und gegen Entgelt zur Nutzung überlassen hat.

Der erkennende Senat hat keine Veranlassung, dem zu widersprechen: Letztlich handelt es sich bei dieser Beurteilung um die Auslegung der Vereinbarungen, die am 5. Dezember 1988, am 10. Dezember 1990 und am 18. Februar 1993 zwischen der S-AG und der S-GmbH geschlossen worden sind, und damit um einen tatsächlichen Vorgang, der dem FG übertragen und einer revisionsrechtlichen Einschätzung grundsätzlich entzogen ist (vgl. in ähnlicher Weise zur Frage der Überlassung künstlerischer Leistungen und des Namensrechts der Künstler zur Nutzung als einheitliche oder aber trennbare Leistungen Senatsbeschluss vom 27. Juni 2001 I B 153/00, BFH/NV 2001, 1563). Die Bindung an die tatrichterliche Vertragsauslegung entfällt im Streitfall weder durch Verfahrensfehler, die dem FG unterlaufen wären, noch durch Verstöße des FG gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze. Indem die Klägerin einwendet, das FG habe den Sachverhalt falsch eingeschätzt, stellt sie lediglich eine andere --ggf. ebenfalls mögliche-- Sachverhaltswürdigung an die Stelle der vom FG vorgenommene, die ungeachtet dessen jedoch ihrerseits eine mögliche Würdigung bleibt. Das gilt auch und insbesondere, was die Frage der Nutzbarkeit der in Rede stehenden Standard-Software und deren Nutzungsüberlassung anbelangt. Zwar ist der Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen insoweit nicht eindeutig. Weder der darin angesprochene "Verkauf" der Software in Deutschland noch die "Vermittlung von Verträgen" der S-AG weisen auf die Überlassung von Nutzungsrechten hin. Gleiches gilt im Ergebnis für die Vertragsbestimmungen, nach denen die S-GmbH mit den Anwendern Wartungsverträge abschließen und die für die Anpassungsmaßnahmen notwendigen Programmänderungen und -verbesserungen vornehmen durfte. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass dem Anpassungsrecht eine eigenständige Bedeutung zukommen sollte; möglicherweise diente es auch (nur) dazu, die bestimmungsgemäße Anwendung der Programme und somit deren Verkehrsfähigkeit sicherzustellen. Aus dem unstreitigen Sachvortrag der Klägerin ergibt sich jedoch, dass die S-AG der S-GmbH tatsächlich die Rechte zur Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung der Programme einräumte. Die Überlassung dieser Rechte war zeitlich begrenzt, da die Vereinbarungen kündbar waren. Es bleibt in diesem Zusammenhang auch unbeanstandet, wenn von der Vorinstanz vertragliche Gestaltungen, die urheberrechtlich geschützte Nutzungsrechte (vgl. § 69c des Urheberrechtsgesetzes) umfassen und in diesem Zusammenhang auch die Einräumung von Alleinvertriebsrechten einbeziehen, als Gesamtleistung angesehen werden, die einheitlich abgegolten werden. Es ist Sache des Einzelfalles, ob sich die übertragenen Rechte gegenständlich isolieren lassen.

Ist damit aber von der Sachverhaltswürdigung des FG auszugehen, durfte die S-GmbH gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG als Haftende in Anspruch genommen werden. Einwände gegen die Haftungshöhe und die formalen Haftungserfordernisse sind nicht erhoben worden; entsprechende Mängel der angefochtenen Bescheide sind auch nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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