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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.10.1999
Aktenzeichen: I R 68/98
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 13 Abs. 3
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
KStG § 13 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Wohnungsbauunternehmen. Ihr Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Bis zum Wegfall der Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen durch das Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) war sie von der Körperschaftsteuer befreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 10, 11 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- i.d.F. vor dem StRG 1990). Aufgrund der Gesetzesänderung und ihres Antrags auf Fortgeltung der Steuerbefreiung für den Veranlagungszeitraum 1990 (§ 54 Abs. 3 KStG i.d.F. des StRG 1990, später § 54 Abs. 4 KStG) wurde sie zum 1. Januar 1991 körperschaftsteuerpflichtig.

Zur Bewertung des Gebäudebestands in ihrer steuerlichen Anfangsbilanz zum 1. Januar 1991 stützte sich die Klägerin auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 30. März 1990 (BStBl I 1990, 149). Dieses läßt für Gebäude vormals gemeinnütziger Wohnungsunternehmen eine vereinfachte Ermittlung der in der steuerlichen Anfangsbilanz anzusetzenden Teilwerte zu. Danach sind in einem ersten Schritt die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie nachträgliche Herstellungskosten "mit dem jeweils in Betracht kommenden Baupreisindex (Jahresdurchschnitt) auf den Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz hochzurechnen". Die Klägerin legte für diese Umrechnung auf den Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz das arithmetische Mittel zwischen dem Index für November 1990 und dem für Februar 1991 zugrunde.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, nach dem Schreiben des BMF sei der durchschnittliche Baupreisindex des Jahres 1990 für die Hochrechnung auf den Stichtag der Anfangsbilanz maßgebend. Das FA ging deshalb von niedrigeren Bilanzansätzen für den Gebäudebestand aus und kürzte die Absetzungen für Abnutzung (AfA) um 33 293 DM im Jahre 1991 und um 33 264 DM im Jahre 1992.

Der Einspruch gegen die entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1991 und 1992 hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der nachfolgend erhobenen Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1288 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und unzutreffende Anwendung des § 13 Abs. 3 KStG sowie des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat die für die Auslegung von Verwaltungsanweisungen maßgebenden Grundsätze nicht beachtet.

1. Wird eine von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft steuerpflichtig und ermittelt sie ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, so hat sie auf den Zeitpunkt, in dem die Steuerpflicht beginnt, eine Anfangsbilanz aufzustellen (§ 13 Abs. 2 KStG). In dieser sind die Wirtschaftsgüter --vom Sonderfall des § 13 Abs. 4 KStG abgesehen-- mit den Teilwerten anzusetzen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Zur Ermittlung der Teilwerte für den Grundbesitz vormals gemeinnütziger Wohnungsunternehmen in dieser Anfangsbilanz läßt das BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 149 bzw. der gleichlautende Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen (FinMin NRW) vom 30. März 1990 S 2171 -30- V B 1 ein vereinfachtes Verfahren zu.

Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und unter dem Gesichtspunkt der nach außen hin publizierten Selbstbindung der Verwaltung hat ein Steuerpflichtiger grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe allgemeiner Verwaltungsanweisungen, die eine auf Erfahrungen der Verwaltung beruhende Schätzung z.B. von Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Teilwerten von aktiven oder passiven Wirtschaftsgütern zum Inhalt hat, besteuert zu werden, es sei denn, daß die Anwendung der Schätzungsrichtlinie im Regelfall oder im zu beurteilenden Einzelfall offensichtlich zu falschen Ergebnissen führt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 1985 IV R 56/82, BFH/NV 1986, 664; vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000).

Allerdings sind allgemeine Verwaltungsanweisungen nicht wie Gesetze auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1993 XI R 69/92, BFH/NV 1994, 500). Maßgebend ist nicht, wie das Gericht eine solche Anweisung verstünde, wenn sie Gesetz wäre, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte und wie sie dementsprechend verfahren ist (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1978 VI R 8/76, BFHE 126, 217, BStBl II 1979, 54). Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter die Verwaltungsanweisung fällt, so ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht (BFH-Urteile in BFHE 126, 217, BStBl II 1979, 54; in BFH/NV 1986, 664; vom 11. Dezember 1987 VI R 147/85, BFHE 152, 333, BStBl II 1988, 445; vom 10. August 1990 VI R 23-24/85, BFHE 162, 58, BStBl II 1990, 1065; BFH-Beschluß vom 24. August 1990 IX B 119/89, BFH/NV 1991, 312). Gleichermaßen muß es den Finanzbehörden vorbehalten bleiben, ein von ihnen zur Vereinfachung vorgegebenes Berechnungsschema zu konkretisieren, sofern bei verständiger Würdigung durch einen außenstehenden Dritten Unklarheiten verbleiben, wie die Anweisung zu verstehen ist.

2. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Die vom FA vorgenommene Auslegung des BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 149 bzw. des gleichlautenden Erlasses des FinMin NRW vom 30. März 1990 S 2171 -30- V B 1 ist nach deren Wortlaut und unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis möglich und deshalb nicht zu beanstanden.

Die vorgenannten Verwaltungsanweisungen sehen vor, die historischen Kosten "mit dem jeweils in Betracht kommenden Baupreisindex (Jahresdurchschnitt) auf den Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz hochzurechnen". Die Verwendung der Einzahl ("mit dem ... Baupreisindex") und nicht der Mehrzahl ("mit den ... Baupreisindizes) läßt erkennen, daß unter dem "Baupreisindex" nicht unmittelbar ein vom statistischen Bundesamt bzw. von den statistischen Landesämtern veröffentlichter, auf ein gängiges Basisjahr bezogener Index zu verstehen ist, sondern ein Baupreisindex, der aus einer --im nachfolgenden Satz der Verwaltungsvorschriften näher bestimmten-- Indexreihe abzuleiten ist und das Verhältnis zwischen dem Preisniveau am Bilanzstichtag und demjenigen im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes bzw. Fertigstellung der nachträglichen Baumaßnahme darstellt. Bestätigt wird diese Auslegung des Begriffs "Baukostenindex" durch das den Verwaltungsvorschriften als Anlage 1 beigefügte Ermittlungsschema. Danach sind die historischen Kosten lediglich mit jeweils einem Baukostenindex zu multiplizieren.

Der in den zitierten Verwaltungsvorschriften enthaltene Klammerzusatz "Jahresdurchschnitt" bezieht sich auf den Baukostenindex im vorgenannten Sinne, der bereits unmittelbar das Preisverhältnis zwischen dem Anschaffungs- bzw. Herstellungszeitpunkt und dem Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz wiedergibt. Ausgehend von diesem Verständnis des verwendeten Begriffs "Baukostenindex" ist den Schätzungsrichtlinien nicht sicher zu entnehmen, ob die Ergänzung "Jahresdurchschnitt" lediglich die für den Anschaffungs- bzw. Herstellungszeitpunkt zugrundezulegenden Preisverhältnisse festlegt, um eine genaue Ermittlung des Anschaffungs- oder Fertigstellungszeitpunkts innerhalb des jeweiligen Anschaffungs- bzw. Herstellungsjahres entbehrlich zu machen, oder ob gleichermaßen die für den Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz anzunehmenden Preisverhältnisse näher bezeichnet werden. Entgegen der Auffassung des FG läßt der Wortlaut der Verwaltungsanweisungen auch eine Auslegung zu, wonach jeweils ein Baukostenindex maßgebend sein soll, der das Verhältnis zwischen zwei in der Indexreihe angegebenen Jahresdurchschnittswerten darstellt. Die in den Schätzungsrichtlinien vorgesehene Hochrechnung "auf den Stichtag" der steuerlichen Anfangsbilanz steht einer derartigen Interpretation nicht zwingend entgegen. Zwar ist nach dieser Formulierung grundsätzlich das Preisniveau am Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz, d.h. im Streitfall am 1. Januar 1991 maßgebend. Dies schließt es jedoch nicht aus, die Preisverhältnisse zum 1. Januar 1991 aus Vereinfachungsgründen nach den durchschnittlichen Preisverhältnissen des Jahres 1990 zu schätzen, zumal weder vom Statistischen Bundesamt noch vom Statistischen Landesamt NRW Baupreisindizes für den 1. Januar eines Jahres veröffentlicht werden.

Die Frage, ob die Preisverhältnisse und damit die Teilwerte der Gebäude am Stichtag der steuerlichen Anfangsbilanz der Klägerin exakter bestimmt würden, wenn nicht der durchschnittliche Baupreisindex des Jahres 1990 zugrunde gelegt wird, sondern das arithmetische Mittel der für die Monate November 1990 und Februar 1991 erhobenen Baupreisindizes, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso kann offen bleiben, ob der mit der letztgenannten Berechnungsmethode verbundene zusätzliche Ermittlungsaufwand nur unwesentlich wäre. Selbst wenn beides zu bejahen sein sollte, läßt sich dem Wortlaut der hier in Rede stehenden Verwaltungsanweisungen nicht eindeutig entnehmen, daß die Verwaltung eine derartige Interpolation wollte. Insbesondere kann ein derartiger Regelungswille nicht mit der Begründung unterstellt werden, die Verwaltung müsse hinsichtlich der einzelnen von ihr vorgesehenen Rechenschritte jeweils den Ansatz genauerer Werte zulassen. Eine derartige Verpflichtung besteht jedenfalls dann nicht, wenn --wie im Streitfall-- die Verwaltung den Steuerpflichtigen lediglich ein vereinfachtes Bewertungsschema anbietet und es diesen unbenommen bleibt, höhere oder niedrigere Werte anderweitig nachzuweisen.

Da die vom FA vertretene Auslegung des BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 149 und des gleichlautenden Erlasses des FinMin NRW vom 30. März 1990 somit nach deren Wortlaut möglich ist, läge eine Ungleichbehandlung der Klägerin nur dann vor, wenn die Verwaltungspraxis der von der Klägerin vertretenen Auslegung dieser Verwaltungsanweisungen entsprechen würde und lediglich bei der Besteuerung der Klägerin (und eventuell in weiteren Einzelfällen) hiervon abgewichen worden wäre. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist jedoch davon auszugehen, daß die Verfügung der Oberfinanzdirektion Köln vom 25. März 1996 S 2730-18-St 133 (Deutsches Steuerrecht 1996, 785) der Verwaltungspraxis entspricht.

3. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar.

Höhere als die bislang berücksichtigten Gebäudeteilwerte hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Insoweit genügt es nicht, daß sie das Berechnungsschema des BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 149 übernommen und lediglich in einem Punkt (dem Baupreisindex) einen möglicherweise genaueren Wert als dort vorgesehen zugrunde gelegt hat. Das BMF-Schreiben bezweckt, die Teilwertermittlung zu vereinfachen, und nimmt dafür in Einzelfällen eine eher überhöhte Bewertung in Kauf (vgl. auch Müller-Gatermann, Finanz-Rundschau 1990, 345). Deshalb bedarf es einer weniger pauschalen und stärker konkret auf die einzelnen Objekte bezogenen Teilwertermittlung, wenn ein Steuerpflichtiger einen höheren Wertansatz begehrt. Eine derartige Schätzung, die auf der Grundlage der Wertermittlungsverordnung vom 6. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2209) vorgenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1998 X R 150/95, BFHE 186, 70, BStBl II 1998, 569), haben weder die Klägerin noch das FG durchgeführt.

4. Die Vorentscheidung ist aus den vorgenannten Gründen aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da der Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag speziell daran gelegen ist, einen höheren Wertansatz für ihren Gebäudebestand aufgrund der Schätzungsrichtlinien der Verwaltung, d.h. ohne weitergehende Sachverhaltsermittlungen und ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erreichen, und sich weder nach den Feststellungen des FG noch nach dem Beteiligtenvorbringen konkrete Anhaltspunkte für eine bislang zu niedrige Bewertung ergeben, ist die Klage abzuweisen.



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