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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: I R 72/03
Rechtsgebiete: KStG 1991, EStG, AO 1977


Vorschriften:

KStG 1991 § 8 Abs. 1
KStG 1991 § 29
KStG 1991 § 30 Abs. 2
KStG 1991 § 30 Abs. 2 Nr. 4
KStG 1991 § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a
EStG §§ 4 ff.
AO 1977 § 176 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist aufgrund einer Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der im Jahr 1994 gegründeten A-GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Mitgeschäftsführer in den Streitjahren 1994 und 1995 X war. X war auch Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Klägerin ihr Unternehmen betrieb. Die Nutzung der Fläche durch die A-GmbH erfolgte in den Streitjahren aufgrund eines Mietvertrages mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an welcher X zu 65 v.H. beteiligt war und welche ihrerseits die Flächen von X angemietet hatte. X war seinerseits als Einzelunternehmer tätig.

Im Jahr 1994 kam es auf dem Betriebsgelände zu einer Gasexplosion, die die A-GmbH zu einer Betriebsunterbrechung zwang. Trotz dieser Betriebsunterbrechung und der eingeschränkten Nutzbarkeit des Mietobjektes bis Ende 1994 zahlte die A-GmbH weiterhin die volle Miete, die seitens der GbR für den Zeitraum 1. Juni 1994 bis 31. Dezember 1994 am 21. März 1995 abgerechnet wurde; die Zahlung erfolgte am 13. April 1995. Für das Jahr 1995 war der monatliche Mietzins nach den Darlegungen der A-GmbH am 20. Dezember 1994 ab dem 1. Januar 1995 mündlich auf 15 000 DM erhöht worden. Am 20. Dezember 1995 wurde der sich daraus ergebende Mehraufwand von 60 000 DM nachgebucht; gezahlt wurde erst im Folgejahr. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah sowohl in dieser Nachzahlung als auch in der Weiterzahlung der Miete während der Betriebsunterbrechung in Höhe von 75 000 DM verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).

Während der Zeit der Betriebsunterbrechung erbrachte die A-GmbH zur Auslastung ihres Personals Leistungen verschiedener Art an das Einzelunternehmen von X. Mit Rechnung vom 3. Januar 1995 berechnete sie für diese Leistungen einen Betrag von 270 000 DM. Die Forderung wurde über ein bei der A-GmbH geführtes Verrechnungskonto des X am 1. Juli 1996 getilgt. Die Beteiligten erzielten im Rahmen einer bei der A-GmbH und bei X als Einzelunternehmer in den Jahren 1997 und 1998 für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung Einigkeit darüber, dass die Forderungen der A-GmbH gegen X lediglich in Höhe von 135 000 DM als solche anzuerkennen seien, während die weiteren 135 000 DM eine verdeckte Einlage des X darstellten. Dementsprechend setzte das FA die Forderung der A-GmbH gegen X von 270 000 DM auf 135 000 DM herab und erfasste stattdessen in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 jeweils eine entsprechende Einlageforderung. Ein gliederungsrechtlicher Ansatz dieser Forderung gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) im EK 04 zum 31. Dezember 1994 und zum 31. Dezember 1995 unterblieb, da die Einlageforderung erst im Jahre 1996 getilgt worden war.

Im Einspruchsverfahren gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide wandte sich die A-GmbH zunächst lediglich gegen die gliederungsrechtliche Behandlung der verdeckten Einlage, im anschließenden Klageverfahren auch gegen die Annahme einer vGA. Die Klage hatte nur im ersteren Punkt --der gliederungsrechtlichen Behandlung-- Erfolg: Gemäß § 29 KStG 1991 sei das Eigenkapital zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres in das für Ausschüttungen verwendbare Eigenkapital (vEK) und das übrige Eigenkapital aufzuteilen, wobei wiederum das vEK entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern sei und unbelastet gebliebene Vermögensmehrungen nach § 30 Abs. 2 KStG 1991 weiter zu unterteilen seien, u.a. auch in Einlagen der Anteilseigener, die das Eigenkapital erhöht hätten und deren Verwendung für die vGA nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führe (§ 40 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F.). Da das Eigenkapital im Sinne der Gliederungsrechnung gemäß § 29 KStG a.F. aus der Steuerbilanz abzuleiten sei, bestimmten sich auch der Begriff der Einlage und deren steuerliche Behandlung nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1991 i.V.m. §§ 4 ff. des Einkommensteuergesetzes. Eine Einlageforderung stelle hiernach ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut dar. Zeitpunkt und Umfang der Bilanzierung richte sich nach dem Entstehen der Forderung und ihrer Werthaltigkeit, im Streitfall also per 31. Dezember 1995 in Höhe von 135 000 DM. Die steuerbilanzielle Behandlung sei für die gliederungsrechtliche Behandlung der Einlage maßgebend. Körperschaftssteuerrechtliche Sondervorschriften stünden dem nicht entgegen. Das Senatsurteil vom 29. Mai 1996 I R 118/93 (BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92), das nicht auf den Zeitpunkt der bilanziellen Erfassung, sondern des tatsächlichen Zuflusses abstelle, widerspreche dem nicht, da es (nur) für einen als Einlage zu behandelnden Anspruch auf Rückgewähr einer vGA ergangen sei. Die Entscheidung lasse sich nicht auf (verdeckte) Einlagen schlechthin übertragen.

Seine dagegen gerichtete Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 28. Mai 2003 2 K 1615/00 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur (vollständigen) Klageabweisung.

Das FG hat angenommen, dass die A-GmbH an ihren Gesellschafter X durch überhöhte Mietzahlungen Gewinne verdeckt ausgeschüttet hat. Es hat weiterhin angenommen, dass X infolge Verzichts auf Forderungen gegenüber der A-GmbH in diese einen Betrag in Höhe von 135 000 DM verdeckt eingelegt hat. Beiden Annahmen hat die Klägerin nicht widersprochen. Die Beteiligten streiten nur noch darüber, in welchem Zeitpunkt die Einlageforderung in das sog. EK 04 einzustellen ist. Nach Auffassung des FG war diese bereits in der Gliederungsrechnung des vEK zum 31. Dezember 1995 als Zugang in das EK 04 gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 4 KStG 1991 zu erfassen und infolge dessen mit abgeflossenen vGA zu verrechnen. Das FA ist indes zu Recht anderer Meinung.

1. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (seit dem Urteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92) entschieden hat, richtet sich der Ansatz einer Einlageforderung im vEK nicht nach Bilanzrecht. Ausschlaggebend für die gliederungsrechtliche Behandlung einer solchen Forderung ist vielmehr der Zeitpunkt ihrer Erfüllung; erst dann ist sie im EK 04 zu erfassen. Dies ergibt sich aus der Auslegung der § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KStG 1991 entsprechend den Zielen des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92.

Die Vorinstanz ist bei ihrer Entscheidung zwar von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ausgegangen. Sie hält diese allerdings im Streitfall nicht für anwendbar, weil hier nicht --wie im Senatsurteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92-- über die als Einlageforderung zu behandelnde Rückgewähr einer vGA, sondern um eine "originäre" (verdeckte) Einlageforderung zu urteilen ist. Dieser Unterscheidung ist jedoch nicht beizupflichten (ebenso z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz § 30 KStG a.F. Rz. 171; Antweiler in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 30 a.F. Rz. 135; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 30 KStG a.F. Rz. 75 a). Die erwähnten gliederungsrechtlichen Sonderregelungen differenzieren nicht nach der Art der Einlageforderung. Sie gehen der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung vielmehr generell vor und verdrängen diese für den Bereich der vEK-Ermittlung: Einlagen sind in der Gliederungsrechnung erst in jenem Zeitpunkt zu erfassen, in dem sie der Körperschaft tatsächlich zufließen, korrespondierend zu Ausschüttungen, die das vEK ihrerseits erst mindern, wenn sie tatsächlich abfließen. Bilanzielle Ansätze sind hier wie dort unbeachtlich. Würde man dem FG folgen, ergäben sich Unabgestimmtheiten für jene Fälle, in denen eingelegte, aber noch nicht zugeflossene Beträge ausgeschüttet werden.

2. Das FA war nicht durch Gründe der Vertrauensschutzgewährung gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gehindert, das Senatsurteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92 anzuwenden. Zwar hat der Senat durch dieses Urteil seine frühere abweichende Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24) ausdrücklich geändert. Vertrauensschutz zur Anwendung der bisherigen Rechtsprechung könnte der A-GmbH hiernach unter den Gegebenheiten des Streitfalles aber nur gewährt werden, wenn sie diese Rechtsprechung bereits in ihren Steuererklärungen berücksichtigt hätte, ohne dass dies für das FA erkennbar war, und wenn anzunehmen ist, dass es bei Kenntnis der Umstände die bisherige Rechtsprechung angewandt hätte. Nach den vom FG getroffenen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) tatsächlichen Feststellungen war die A-GmbH in ihren Steuererklärungen aber gerade nicht von der Annahme einer verdeckten Einlage und damit auch nicht von deren gliederungsrechtlichen Behandlung nach Maßgabe der früheren Rechtsprechung des Senats ausgegangen. Sie hatte die Forderungen gegenüber X vielmehr als solche aus (schuldrechtlichen) Leistungsbeziehungen ausgewiesen. Zur (partiellen) Annahme einer verdeckten Einlage gelangte man erst im Laufe der später durchgeführten Betriebsprüfung, nachdem der Betriebsprüfer die Höhe der Forderungen moniert hatte. In Anbetracht dessen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 176 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 AO 1977 nicht erfüllt, ohne dass es noch auf die Frage ankäme, ob das FA den ursprünglichen Steuerfestsetzungen und -feststellungen aufgrund der abgegebenen Erklärungen mutmaßlich noch die bisherige Rechtsprechung oder aber bereits das Senatsurteil in BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92 zugrunde gelegt hätte.

3. Infolge der abweichenden Rechtsauffassung der Vorinstanz war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Klage war vollen Umfanges abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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