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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: I R 79/98
Rechtsgebiete: GewStG, KStG, AO 1977


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 2 Satz 2
GewStG § 8 Nr. 10
KStG § 14 Nrn. 1 und 2
AO 1977 § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, einer GmbH, die die Übernahme und Durchführung schlüsselfertiger Bauten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte und Handlungen sowie die Unternehmensberatung in allen Bereichen, insbesondere auch Existenzgründungsberatungen, betrieb. Im Jahr 1989 erwarb sie 96 v.H. der Anteile an einer GmbH (C), deren wesentliches Vermögen aus einem zur Veräußerung bestimmten Grundstück bestand. Die Anschaffungskosten (einschließlich von der Erwerberin getragener Nebenkosten) beliefen sich auf ... DM. Am 30. November 1989 schloss die Gemeinschuldnerin mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit der C.

Im Wirtschaftsjahr 1989/90, das am 30. November 1990 endete, veräußerte die C das in ihrem Umlaufvermögen befindliche Grundstück. Dabei erzielte sie einen an die Gemeinschuldnerin abzuführenden Gewinn von ... DM. Da sich das nach der Gewinnabführung verbleibende Eigenkapital der C nur noch auf ... DM belief, schrieb die Gemeinschuldnerin ihre Geschäftsanteile auf den Nennwert DM ab. Um eine Überschuldung der Gemeinschuldnerin zu vermeiden, waren die Veräußerer der Geschäftsanteile an der C bereit, gegen Besserungsschein auf einen Teilbetrag des Kaufpreises in Höhe von 591 684 DM zu verzichten.

In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1990 erklärte die Gemeinschuldnerin einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM. In die Ermittlung dieses Betrages waren der von der C abgeführte Veräußerungsgewinn und die Minderung des Kaufpreises für die von der Gemeinschuldnerin erworbenen Anteile an der C als Ertrag, die bei der Gemeinschuldnerin vorgenommene Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der C als Aufwand eingeflossen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst und setzte den Gewerbesteuermessbetrag 1990 entsprechend unter Vorbehalt der Nachprüfung fest (Bescheid vom 20. Mai 1992, geändert durch Bescheid vom 29. Juni 1992). Im weiteren Verlauf stellte er sich aber --unter Hinweis auf Abschn. 42 Abs. 1 Satz 7 und 11 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1990-- auf den Standpunkt, dass die Teilwertabschreibung, die die Gemeinschuldnerin auf ihre Anteile an der C vorgenommen habe, den Gewinn des Organkreises nicht mindern dürfe, soweit sie auf die Gewinnabführung an die Gemeinschuldnerin zurückzuführen sei.

Die Klage gegen die hiernach ergangene, erneut geänderte Festsetzung des Gewerbsteuermessbetrages 1990 hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1425 abgedruckt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, dass die Voraussetzungen des § 14 Nrn. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt sind, als Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; siehe zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- Urteile vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73; vom 23. Januar 1992 XI R 47/89, BFHE 167, 158, BStBl II 1992, 630; vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504; vom 18. September 1996 I R 44/95, BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; vom 22. April 1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe --das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en)-- allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.

Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages nach dem Gewerbeertrag maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en) zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen. Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG (siehe Senatsurteile in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, m.w.N.; BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748).

2. a) Auf die vorgenannte Weise hat der erkennende Senat auch Gewinnminderungen infolge gewinnabführungsbedingten Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Organgesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des Organkreises durch entsprechende Hinzurechnungen korrigiert (neutralisiert). Wie er in seinem Urteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768 entschieden hat, mindern Teilwertabschreibungen aufgrund einer Gewinnabführung den Gewerbeertrag des Organkreises nicht. Zugleich wurde in dem Urteil zum Ausdruck gebracht, dass bei Teilwertabschreibungen, denen (auch) eine körperschaftsteuerliche Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag und damit eine Gewinnausschüttung zugrunde liegt, nicht anders zu verfahren sei als bei einer Teilwertabschreibung aufgrund einer nur gewerbesteuerlichen Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag, bei der der Gewinn abgeführt, nicht ausgeschüttet wird. - Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf dieses Urteil verwiesen.

b) Daran hält der Senat --vor allem auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsprechungskontinuität und vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich im Sinne dieser Rechtsprechung erfolgten Gesetzesänderung in § 8 Nr. 10 GewStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 mit Wirkung vom Erhebungszeitraum 1999 an-- fest. Das vom FA angefochtene Urteil der Vorinstanz und die Revisionserwiderung des Klägers bringen keine neuen und vom Senat bislang noch nicht abgehandelten Aspekte, so dass darauf nicht mehr näher einzugehen ist. Das betrifft auch (siehe im Urteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768, unter 3. f der Entscheidungsgründe) den zunächst vor allem von Herzig (Der Betrieb --DB-- 1990, 133, 136) angeführten und neuerdings von Kohlhaas (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 5; GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1999, 106, 704, 747), Kußmaul/ Richter (Steuer- und Bilanzpraxis 1999, 113, 116) und vom FG aufgegriffenen Gesichtspunkt, die Neutralisierung der abführungs- bzw. ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung durch deren Hinzurechnung zöge im Ergebnis eine "Überbesteuerung" nach sich, weil sie den vom Organträger bereits für den Erwerb der Organbeteiligung getragenen Aufwand ignoriere. Die insoweit befürchtete "Übermaßbesteuerung" droht schon deswegen nicht, weil die immanente Gewerbesteuerbelastung infolge der Aufdeckung der bei der Organgesellschaft vorhandenen stillen Reserven bereits bei der Bemessung des Kaufpreises für die Anteile an dieser Gesellschaft zu berücksichtigen und vorliegend auch tatsächlich berücksichtigt worden ist (ebenso Pieper, GmbHR 1999, 703, in Erwiderung auf Kohlhaas). In Anbetracht dessen besteht keine Veranlassung, zwischen innerorganschaftlichen Vorgängen und Veräußerungen an außenstehende Dritte --wie im Streitfall-- zu unterscheiden (so aber Kohlhaas, z.B. DStR 1998, 5; GmbHR 1999, 747, 751). Im Übrigen weist das FA zu Recht darauf hin, dass eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung in diesem Fall ohnehin nicht in Betracht kommt, weil die früheren Anteilseigner an der C die Beteiligungen im Privatvermögen hielten.

3. Wegen des vom Kläger weiterhin erhobenen Einwandes, die in Rede stehende Gewerbesteuerbelastung verstoße in Zusammenschau mit derjenigen durch die Körperschaftsteuer gegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten sog. Halbteilungsgrundsatz, nimmt der Senat auf sein Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 19/97 (BFH/NV 1998, 746, 748) Bezug. Hinsichtlich des darüber hinaus aufgeworfenen Vorwurfs, das FA habe im Streitfall das berechtigte Vertrauen in den Bestand der zunächst erklärungsgemäß durchgeführten Veranlagung verletzt, ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Gewerbesteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und jederzeit geändert werden durfte. Darin, dass das FA zunächst der Rechtsauffassung der Gemeinschuldnerin gefolgt ist und die vorgenommene Teilwertabschreibung akzeptiert hat, kann entgegen der Annahme des Klägers auch keine Billigkeitsentscheidung gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen werden.

4. Die Vorinstanz ist von dem Senatsurteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768 und von der hiernach nach wie vor für richtig gehaltenen Rechtsauffassung abgewichen. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben und die Klage war abzuweisen.



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