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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.09.2004
Aktenzeichen: I R 83/04
Rechtsgebiete: KStG 1991, FGO


Vorschriften:

KStG 1991 § 8b
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Finanzierungskosten für den Erwerb und Kosten der Verwaltung von Anteilen an einer inländischen Tochtergesellschaft, die ihrerseits aus Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften steuerfreie Einnahmen erzielt, in den Jahren 1993 bis 1995 als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

Die Klage gegen die entsprechend geänderten Steuerbescheide war nur hinsichtlich der Streitjahre 1994 und 1995 erfolgreich, hinsichtlich des Streitjahres 1993 jedoch nicht. Gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1120 abgedruckte Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 10. Dezember 2002 4 K 1044/99 haben beide Beteiligten Revision eingelegt, die unter dem Az. I R 17/03 geführt wird. Der Senat hat das Verfahren, soweit dieses das Streitjahr 1993 und damit die Revision der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrifft, mit Beschluss vom heutigen Tage zur gesonderten Entscheidung abgetrennt (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie die Steuerbescheide betreffend das Streitjahr 1993 aufzuheben, hilfsweise die Rechtssache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im Klageverfahren hatte sie insofern beantragt, die angefochtenen Steuerbescheide abzuändern und weitere Fremdkapitalzinsen und Verwaltungskosten, soweit sie auf nach § 8b des Körperschaftsteuergesetzes 1991 steuerfrei gestellte Einnahmen entfallen, in Höhe von 461 526 DM in 1993 als abzugsfähige Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Das --zwischenzeitlich für die Besteuerung der Klägerin zuständig gewordene (vgl. § 4 der Verordnung über die Zuständigkeiten der hessischen Finanzämter vom 11. Dezember 2003, Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl-- I 2003, 335) und im Wege des gesetzlichen Beteiligtenwechsels als nunmehriger Beklagter und Revisionsbeklagter in das Verfahren eingetretene (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. August 1979 VIII R 115/76, BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 714, m.w.N.)-- Finanzamt (FA) beantragt, die Revision zu verwerfen.

II. Die Revision der Klägerin betreffend das Streitjahr 1993 ist unzulässig. Sie wurde erst am 28. Mai 2004 und damit außerhalb der in § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmten Monatsfrist gegen das ihr am 10. Februar 2003 zugestellte FG-Urteil eingelegt.

Der Auffassung der Klägerin, der Lauf dieser Frist sei nicht in Gang gesetzt worden, weil es in Deutschland bis heute an der fristgerechten Umsetzung der sog. Kapitalverkehrsrichtlinie (Art. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 178/5) in nationales Recht fehle und weil sie sich unter Berücksichtigung von Art. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 4. Oktober 1954 (BGBl II 1955, 833) darauf berufen könne, ist nicht beizupflichten.

1. Die Klägerin stützt ihre Ansicht auf die vom EuGH in dem Urteil vom 25. Juli 1991 C-208/90, Slg. I-1991, 4269, 4292) entwickelten Grundsätze, wonach der Ablauf nationaler Verfahrensfristen wie der Widerspruchs- und Klagefrist gehemmt ist (sog. Emmott'sche Fristenhemmung), "wenn der nationale Verwaltungsakt im Widerspruch zum europäischen Gemeinschaftsrecht ergeht und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem trotz Ablaufs der Umsetzungsfrist der Mitgliedstaat den Gemeinschaftsrechtsakt nicht ordnungsgemäß in nationales Recht transformiert hat". Diese Rechtsprechung des EuGH geht jedoch von dem Grundsatz aus, dass das Gemeinschaftsrecht es vor einer Harmonisierung von Bestimmungen über die Verfahrensgrundsätze nicht verbietet, einem Bürger, der vor einem innerstaatlichen Gericht die Entscheidung einer innerstaatlichen Stelle wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht anficht, den Ablauf der im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Fristen für die Rechtsverfolgung entgegenzuhalten (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 1976 33/76, Slg. I-1976, 1989). Dieser Auffassung entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26. August 1977 7 C 71.74, Neue Juristische Wochenschrift 1978, 508; Beschluss vom 4. Oktober 1999 1 B 55/99, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2000, 193). Das von der Klägerin herangezogene Urteil des EuGH in Slg. I-1991, 4269 betraf zusätzliche Leistungen zur sozialen Sicherheit auf der Grundlage einer Richtlinie zum Verbot von Diskriminierungen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht rechtzeitig umgesetzt worden war. In diesem Zusammenhang hat das Gericht entschieden, dass ein Staat, der die Richtlinien nicht ordnungsgemäß in seine interne Rechtsordnung umgesetzt hat, durch das Gemeinschaftsrecht gehindert ist, sich auf die nationalen Verfahrensvorschriften über Klagefristen gegenüber einer Klage zu berufen, die ein Einzelner vor den nationalen Gerichten zum Schutz der durch die Richtlinie unmittelbar verliehenen Rechte erhoben hat. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 1997 C-188/95 (Slg. I-1997, 6783) betont, dass diese Entscheidung durch die besonderen Umstände jenes Falles gerechtfertigt war, in denen dem Betroffenen durch den Ablauf der Klagefrist jede Möglichkeit genommen war, seinen Anspruch auf Gleichbehandlung geltend zu machen (Rn. 51). Der EuGH hat demgegenüber in dem vorbezeichneten Urteil entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht es bei seinem derzeitigen Stand einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, sich gegenüber Klagen auf Erstattung richtlinienwidrig erhobener Abgaben auf eine nationale Verjährungsfrist, die vom Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Forderungen an läuft, zu berufen, sofern diese Frist für die Geltendmachung auf Gemeinschaftsrecht gestützter Ansprüche nicht ungünstiger ist als für die Geltendmachung auf nationales Recht gestützter Ansprüche und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Daraus folgt, dass der EuGH den in dem Verfahren "Emmott" entwickelten Rechtsgrundsatz auf Fallkonstellationen der dort gegebenen Art beschränkt wissen will.

2. Bezogen auf die Gegebenheiten des Streitfalles spricht nichts dafür, dass für die Klägerin in jenem Zeitpunkt, in dem das hier angefochtene FG-Urteil ergangen ist, durch die Revisionseinlegungsfrist die Durchsetzung von Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert worden sein könnte. Die (nationale) Rechtslage hinsichtlich der im Streitfall in Rede stehenden Abziehbarkeit der Aufwendungen unterschied sich bezogen auf das Jahr 1993 in nichts von jener für die Jahre 1994 und 1995. Die Klägerin war unter diesen Umständen nicht gehindert, gegen das Urteil ihrerseits für das Jahr 1993, für das sie mit ihrer Klage vor dem FG unterlegen war, Revision einzulegen und sich auf einen Verstoß gegen Bundes- oder Gemeinschaftsrecht zu berufen. Ihr Einwand, die Ungewissheit der Rechtslage sei erst infolge der Schlussanträge des Generalanwalts in der EuGH-Sache Manninen Rs. C-319/02 (Internationales Steuerrecht 2004, 316) weitgehend beseitigt worden, ändert daran nichts. Diese Ungewissheit bestätigt im Gegenteil, dass es erforderlich gewesen wäre, beizeiten Rechtsmittel einzulegen, um die nötige Gewissheit herbeizuführen. Es hat deshalb hinsichtlich des Laufs der Revisionseinlegungsfrist mit den Ausführungen des EuGH in dem Urteil in Slg. I-1976, 1989 sein Bewenden.



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