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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.12.1997
Aktenzeichen: I R 95/96
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 13a
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 1
BUNDESFINANZHOF

1. Sind inländische Grundstücke Teil eines ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, so beschränkt § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Steuerbarkeit auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die aus den im Inland belegenen Grundstücken erzielt werden.

2. Die einen beschränkt Steuerpflichtigen treffenden inländischen Einkünfteermittlungsvorschriften beziehen sich stets nur auf die steuerbaren Einkünfte.

3. § 13a Abs. 1 EStG ist auch auf die inländischen Ländereien eines beschränkt steuerpflichtigen Landwirtes anwendbar.

EStG § 13a, § 49 Abs. 1 Nr. 1

Urteil vom 17. Dezember 1997 - I R 95/96

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1996, 366)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Er hat seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden. Dort betreibt er eine Landwirtschaft, zu der auch im Inland belegene Flächen gehören. Auf diesen betreibt der Kläger eine viehlose Bewirtschaftung. Insoweit erzielt er unstreitig beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Während der Kläger in der Vergangenheit seinen inländischen Gewinn gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber dem Kläger am 20. April 1995 eine Verfügung, wonach die Voraussetzungen für eine Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) weggefallen seien, weil bei den Voraussetzungen des § 13a EStG auf den gesamten Betrieb abzustellen sei. Der Kläger wurde aufgefordert, ab dem am 1. Juli 1995 beginnenden Wirtschaftsjahr seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder 3 EStG zu ermitteln.

Sowohl die vom Kläger eingelegte Beschwerde als auch die später von ihm erhobene Klage (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 366) blieben erfolglos.

Der Kläger stützt seine Revision sinngemäß auf die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, die Vorentscheidung und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es hat Stellung genommen, jedoch keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Beschwerdeentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG), an die der erkennende Senat mangels erhobener Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hat der Kläger im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Damit ist er nicht unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Er ist nur beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Die beschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich nur auf die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG (§ 1 Abs. 4 EStG). Dazu gehören Einkünfte "aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft" (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Entsprechend kann sich im Falle der beschränkten Steuerpflicht auch § 13a EStG nur auf die im Inland betriebene Land- und Forstwirtschaft beziehen. Dies folgt sowohl aus dem Wesen der beschränkten Steuerpflicht als auch aus der Bezugnahme in § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf die §§ 13, 14 EStG. Die steuerlichen Einkünfteermittlungsvorschriften beziehen sich nur auf die sog. steuerbaren Einkünfte. Deshalb betrifft auch § 13a EStG als Gewinnermittlungsvorschrift nur die steuerbaren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 EStG.

2. Nach § 13a Abs. 1 EStG ist der Gewinn "für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" nach den Abs. 3 bis 8 zu ermitteln, wenn

1) der Steuerpflichtige nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen,

2) der Ausgangswert nach Abs. 4 mehr als 0 DM, jedoch nicht mehr als 32 000 DM beträgt und

3) die Tierbestände drei Vieheinheiten je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche oder insgesamt 30 Vieheinheiten nicht übersteigen. Unter näher umschriebenen Voraussetzungen erhöht sich die Grenze für die ersten 15 Hektar auf vier Vieheinheiten je Hektar. Im Streitfall erfüllt der Kläger bezogen auf seine im Inland betriebene Land- und Forstwirtschaft unstreitig alle diese Voraussetzungen.

3. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind inländische Einkünfte solche "aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft". Der Senat läßt offen, ob § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG die inländischen Grundstücke des Klägers als Teil eines ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes oder als einen selbständigen inländischen Betrieb versteht (vgl. Stahl-Sura in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 49 EStG Anm. 135). Jedenfalls ist die Steuerbarkeit auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beschränkt, die aus den im Inland belegenen Grundstücken erzielt werden (vgl. Lüdicke in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 49 Rz. 250). Damit beziehen sich auch die den Kläger treffenden Einkünfteermittlungsvorschriften nur auf diese Einkünfte. Dies belegt u.a. § 141 der Abgabenordnung (AO 1977). Die dort genannten betragsmäßigen Voraussetzungen für eine Buchführungspflicht sind betriebsbezogen zu verstehen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 141 AO 1977 Rz. 3). Dennoch bestimmt sich die Buchführungspflicht ausschließlich nach der im Inland steuerbaren Geschäftstätigkeit (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O, Rz. 2). Eine andere gesetzliche Regelung wäre kaum verständlich. Es macht keinen Sinn, von einem ausländischen Unternehmen, das über eine relativ kleine Betriebsstätte im Inland verfügt, zu verlangen, daß es für seinen gesamten Betrieb eine Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht vorlegt. Bei der Anwendung der §§ 49 Abs. 1 Nr. 1 und 13a EStG ist von den gleichen Grundsätzen auszugehen. Dem steht nicht entgegen, daß es in Einzelfällen hingenommen werden kann, wenn die im Inland steuerbaren Einkünfte aus einer Einkünfteermittlung für den gesamten (sich auch auf das Ausland erstreckenden) Betrieb abgeleitet werden, weil eine direkte Gewinnermittlung technisch nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist. Deshalb bezieht sich die Einkünfteermittlungspflicht dennoch nur auf die steuerbaren Einkünfte. Aus der Tatsache, daß der IV. Senat den Betriebsbegriff i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG objektbezogen versteht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508; vom 24. Juli 1986 IV R 137/84, BFHE 147, 352, BStBl II 1986, 808; vom 26. Februar 1987 IV R 325/84, BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772; vom 3. März 1988 IV R 212/85, BFH/NV 1988, 558), können keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, auf welche Einkünfte sich die steuerlichen Einkünfteermittlungsvorschriften beziehen.

4. Die Richtigkeit der oben wiedergegebenen Rechtsauffassung belegt auch § 13a Abs. 4 EStG. Danach ist der in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannte Ausgangswert aus dem maßgebenden "Einheitswert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft" abzuleiten. Daraus folgt, daß § 13a EStG nur anwendbar ist, wenn für den "Betrieb" ein Einheitswert festzustellen ist. Nach § 32 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. §§ 33 bis 109a BewG ist ein Einheitswert nur für die inländischen Teile einer Land- und Forstwirtschaft festzustellen. Der Senat muß deshalb nicht entscheiden, ob § 13a EStG stets dann unanwendbar ist, wenn zu der Land- und Forstwirtschaft eines unbeschränkt Steuerpflichtigen auch im Ausland belegene Teile gehören (so Debatin, Der Betrieb 1988, 1285, 1286; Blümich/Fischer, Einkommensteuergesetz, § 13a Rdnr. 5; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 13a EStG Rdnr. 11; Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 34e EStG Anm. 8; a.A. Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 13a Rdnr. A 11; Stahl-Sura in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 49 EStG Rdnr. 125). Entscheidend ist, daß die beschränkte Einkommensteuerpflicht gegenständlich auf die inländischen Einkünfte beschränkt ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 1995 I R 10/95, BFHE 178, 376, BStBl II 1995, 868). § 13a EStG kann sich als Gewinnermittlungsvorschrift nur auf Einkünfte beziehen, für die eine sachliche Steuerpflicht besteht. "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" i.S. des § 13a Abs. 1 EStG ist deshalb bezogen auf einen beschränkt steuerpflichtigen Landwirt wegen § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur der inländische Teil seiner Land- und Forstwirtschaft, für den auch der Einheitswert festzustellen ist. Das Problem der steuerlichen Behandlung sog. Traktatländereien stellt sich in diesen Fällen nicht (vgl. Oberfinanzdirektion Hannover, Verfügung vom 5. August 1977 S 2230 - 74 StO 221).

5. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Verfügung des FA vom 20. April 1995 ist rechtswidrig. Der Kläger erfüllt für seine im Inland betriebene Land- und Forstwirtschaft alle in § 13a EStG genannten Voraussetzungen. Deshalb war der Klage stattzugeben. Die Verfügung vom 20. April 1995 und die Beschwerdeentscheidung vom 6. Juni 1995 waren aufzuheben.

Ende der Entscheidung

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