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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.10.1999
Aktenzeichen: I S 2/99
Rechtsgebiete: ZPO, FGO


Vorschriften:

ZPO § 580 Nr. 7 b
ZPO § 114
FGO § 142
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 76 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Antragsteller war Geschäftsführer einer GmbH. Gegenüber der GmbH waren Schätzungsbescheide ergangen. Für die Steuerschulden der GmbH war der Antragsteller durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden, der bestandskräftig wurde. Die Klage des Antragstellers auf Feststellung der Nichtigkeit des ihm gegenüber ergangenen Haftungsbescheids war erfolglos geblieben.

Bei einer Akteneinsicht in einem anderen Verfahren stieß er auf eine Verfügung des Beklagten (Finanzamt --FA--) vom 13. April 1984, wonach die GmbH, deren Geschäftsführer er gewesen war, von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen befreit worden war, und auf eine interne Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) ... aus dem Jahre 1987, in der das FA darauf hingewiesen worden war, daß Beschwerden des Antragstellers wegen Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 1981 und 1982 noch nicht bearbeitet seien und dies nunmehr umgehend nachzuholen sei.

Unter Hinweis auf diese Unterlagen erhob der Antragsteller Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) im wesentlichen mit der Begründung, daß diese Urkunden den "Stil" des FA im Umgang mit ihm verdeutlichten. Insbesondere die Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen lasse auf willkürliches Handeln des FA beim Erlaß der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Steuerschätzungen schließen.

Die Restitutionsklage hatte keinen Erfolg. Auch die nunmehr vorgelegten Urkunden änderten nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) nichts an der Feststellung des vorausgegangenen Urteils, daß der bestandskräftige Haftungsbescheid bezüglich einzelner Haftungsbeträge zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig sei. Sie belegten nicht, daß der Haftungsbescheid aufgrund sachfremder Erwägungen erlassen worden und damit willkürlich sei. Der Nachweis nachlässiger Sachbearbeitung durch das FA begründe noch nicht die Nichtigkeit eines Bescheids. Selbst bei erheblicher Überschreitung des Schätzungsrahmens wären die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Schätzungsbescheide nicht nichtig.

Der Antragsteller beabsichtigt, gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und beantragt hierzu Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH), Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zugleich legte er innerhalb der Beschwerdefrist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor.

II. Der Antrag des Antragstellers auf PKH und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten ist abzulehnen.

1. Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, welche Anforderungen an die Begründung eines PKH-Antrags für eine beabsichtigte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 1996 V S 11/95, V B 122/95, BFH/NV 1996, 633). Jedenfalls ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers, noch aus der Vorentscheidung, noch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung, daß die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgversprechend sein könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Februar 1997 XI S 1/97, BFH/NV 1997, 703; ähnlich BFH-Beschluß vom 13. Mai 1998 II S 2/98, BFH/NV 1998, 1517).

Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 12. April 1994 VII S 31/93, BFH/NV 1995, 57) nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen von Revisionszulassungsgründen i.S. des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen. Danach kann eine Revision nur zugelassen werden, wenn eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Soweit der Antragsteller umfänglich die Unrichtigkeit der Vorentscheidung rügt, kann diese als solche nicht zur Revisionszulassung führen (vgl. z.B. auch BFH-Beschluß vom 27. April 1998 X B 182/97, BFH/NV 1998, 1496).

2. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nicht zu erkennen. Eine Rechtsfrage ist nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist, im Revisionsverfahren geklärt werden kann und ihre Klärung im Allgemeininteresse liegt. Die Ausführungen des Antragstellers, sollten sie zutreffen, könnten zwar im Streitfall die Überprüfung von Unregelmäßigkeiten bei der Sachbearbeitung durch das FA veranlassen. Dabei wäre jedoch nicht über eine im Allgemeininteresse liegende Rechtsfrage zu entscheiden, sondern über einen Einzelfall. Schon aus diesem Grund fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Im übrigen hat der BFH bereits wiederholt entschieden, daß willkürliche oder sachfremde Erwägungen bei Erlaß von Schätzungsbescheiden die --vom Antragsteller begehrte-- Nichtigkeit von Bescheiden zur Folge haben können (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259; BFH-Beschluß in BFHE 156, 376, BStBl II 1990, 351). Somit fehlt es auch am Klärungsbedarf einer sich möglicherweise im Revisionsverfahren stellenden Rechtsfrage.

Im übrigen stehen die vom Antragsteller nach Ergehen der Erstentscheidung aufgefundenen Urkunden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Schätzungen, so daß eine günstigere Entscheidung aufgrund der mittlerweile aufgefundenen Urkunden nicht zu erwarten ist (§ 580 Nr. 7 b ZPO). Auch nach Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen können sich Steuerschulden ergeben, so daß allein aus diesem Grund eine Schätzung noch nicht wegen Willkür nichtig sein muß.

3. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für eine mögliche Zulassung der Beschwerde wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor. Zwar rügt der Antragsteller verfassungswidriges Verhalten des FA, möglicherweise auch des FG. Darin liegt aber keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Voraussetzung hierfür wäre, daß das FG einen --seine Entscheidung tragenden-- abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem ebenfalls abstrakten Rechtssatz der Rechtsprechung des BFH oder des BVerfG abweicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 17). Das ist erkennbar nicht der Fall. Dabei bleibt zu berücksichtigen, daß es im vorinstanzlichen Urteil nicht um die Rechtmäßigkeit/Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden geht, sondern um die Zulässigkeit einer Restitutionsklage.

4. Auch wenn der Antragsteller wiederholt Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 2 FGO) u.ä. rügt, so betreffen diese Rügen allenfalls das der Restitutionsklage vorangehende Klageverfahren. Es ist auch anhand der Akten nicht erkennbar, daß das FG im Rahmen des Verfahrens über die Restitutionsklage den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt haben könnte.

Im Grunde begehrt der Antragsteller mit der Restitutionsklage bzw. seiner entsprechenden Nichtzulassungsbeschwerde die Aufhebung eines Haftungsbescheids, der auf, was unstreitig ist, einer überhöhten Schätzung beruht. Dieses Ziel hätte er mit fristgerechten Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln gegen die Schätzungsbescheide bzw. den Haftungsbescheid erreichen können. Die Restitutionsklage gegen das Urteil in Sachen Haftungsbescheid ist hierfür ungeeignet.

Dieses Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Ende der Entscheidung

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