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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: II B 110/02
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 4
FGO § 155
ZPO § 87 Abs. 1
ZPO § 249 Abs. 1
ZPO § 246 Abs. 1
ZPO § 246 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 8. Juli 2002 eine Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Juli 2002 zugestellt. Diese haben wegen der Nichtzulassung der Revision am 22. August 2002 Beschwerde eingelegt und angekündigt, die Begründung innerhalb der 2-Monats-Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nachzureichen. Am 18. September 2002 zeigten sie jedoch dem Bundesfinanzhof (BFH) an, das Mandat sei niedergelegt und beendet worden.

Am 24. September 2002 meldete sich beim BFH Rechtsanwalt H (RA H) mit dem Hinweis, seitens der Klägerin mit der Prozessvertretung beauftragt worden zu sein, und beantragte, die am selben Tage ablaufende Frist zur Begründung der Beschwerde zu verlängern und Akteneinsicht zu gewähren. Die Begründungsfrist wurde daraufhin vom Gericht bis zum 24. Oktober 2002 verlängert; ferner wurde im Hinblick auf das Akteneinsichtsgesuch um Vorlage einer Prozessvollmacht der Klägerin gebeten. Daraufhin teilte RA H am 15. Oktober 2002 mit, eine Vollmacht der Klägerin "derzeit" nicht beibringen zu können, da der alleinige Liquidator der Klägerin kürzlich sein Amt niedergelegt habe. Ein neuer Liquidator sei bislang nicht bestellt. Es werde angeregt, bis zum Abschluss des Bestellungsverfahrens das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

Nach einem Hinweis des Gerichts auf die Fortgeltung der den bisherigen Prozessbevollmächtigten erteilten Vollmacht gemäß § 87 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erteilten diese RA H am 22. Oktober 2002 Untervollmacht. Am 8. November 2002 teilte dann RA H mit, "die Annahme der Erteilung der Untervollmacht ... abzulehnen".

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann --wie im Streitfall geschehen-- nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO auf Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden. Die Klägerin hat innerhalb der bis zum 24. Oktober 2002 verlängerten Frist keine Beschwerdebegründung beim BFH eingereicht.

Der Lauf der Begründungsfrist hat auch nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 249 Abs. 1 ZPO aufgehört; die Voraussetzungen für eine Verfahrensunterbrechung oder -aussetzung sind bis zum Fristablauf (24. Oktober 2002) nicht eingetreten. Denn selbst wenn hier im Hinblick darauf, dass der einzige Liquidator sein Amt niedergelegt hat, ein Fall des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters (§ 241 ZPO) vorliegen sollte, führte dies nach § 246 Abs. 1 ZPO nicht zu einer Verfahrensunterbrechung, weil im Streitfall eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand. Die Klägerin war nämlich bei der Einlegung der Beschwerde durch Prozessbevollmächtigte vertreten. Die rechtliche Wirksamkeit der Bevollmächtigung ist durch die dem Gericht angezeigte Mandatsniederlegung nicht erloschen. Denn nach § 87 Abs. 1 ZPO erlischt diese erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts.

Eine solche Anzeige liegt nicht vor. Insbesondere kann die Erklärung des RA H, mit der Prozessvertretung der Klägerin beauftragt worden zu sein, nicht als Anzeige in diesem Sinne gewertet werden. Denn § 87 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass der "bestellte andere Anwalt" seine Vertretungsmacht aus einer "Vollmacht" herleitet, die der Vertretene ihm erteilt hat. Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen Vorschriften über den Anwaltsprozess, wo es in § 78 Abs. 1 ZPO heißt, dass die Partei sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen muss (vgl. hierzu auch § 62a FGO). Die Anzeige der Bestellung eines Nichtbevollmächtigten kann die Rechtswirkungen des § 87 Abs. 1 ZPO nicht herbeiführen. Im Streitfall hatte RA H nach seinen eigenen Erklärungen keine Vollmacht des allein zur Erteilung der Vollmacht befugten Liquidators. Seine Anzeige, die Klägerin zu vertreten, konnte somit nicht zum Erlöschen der Vollmacht der bisherigen Prozessbevollmächtigten führen.

Auch die Erteilung der Untervollmacht für RA H durch die bisherigen Prozessbevollmächtigten konnte nach § 87 Abs. 1 ZPO nicht zur Wirksamkeit der Mandatsniederlegung gegenüber dem Gericht führen. Denn die Erteilung der Untervollmacht setzt gerade das Fortbestehen der Vertretungsmacht des Hauptbevollmächtigten voraus und beseitigt diese nicht. Es handelt sich insoweit nicht um die "Bestellung eines anderen Anwalts" durch die Klägerin i.S. von § 87 Abs. 1 ZPO.

Schließlich liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 246 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor, unter denen im Falle des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters auch bei anwaltlicher Vertretung die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen ist. Hierzu hätte es nämlich eines entsprechenden "Antrags des Bevollmächtigten" bedurft. Zwar könnte in der "Anregung" des RA H, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, ein solcher Antrag gesehen werden. Bei RA H handelt es sich aber nicht um den "Bevollmächtigten" der Klägerin. Denn der "Antrag" wurde in dem selben Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 gestellt, mit dem RA H mitteilte, keine Vollmacht des alleinvertretungsberechtigten Liquidators beibringen zu können. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch die spätere Erteilung der Untervollmacht. Denn aus der Erklärung des RA H in seinem Schriftsatz vom 8. November 2002, die Untervollmacht zurückzuweisen, wird deutlich, dass RA H dem Gericht gegenüber keine Erklärungen für und gegen die Klägerin kraft der ihm möglicherweise aus Unterbevollmächtigung erwachsenen Vertretungsmacht abgeben wollte.



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