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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: II B 14/00
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 165 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrer 1989 verstorbenen Mutter. Die durch letztwillige Verfügung auf ihr Pflichtteilsrecht beschränkte jüngere Schwester der Klägerin wird vom überörtlichen Sozialhilfeträger unterhalten. In ihrer 1990 eingereichten Erbschaftsteuererklärung bezifferte die Klägerin den Reinwert des Nachlasses auf 139 931 DM. In Höhe eines Viertels dieses Betrages (34 983 DM) machte sie eine Pflichtteilsverbindlichkeit gegenüber der Schwester geltend. Nach Auskunft des für die Schwester bestellten Ergänzungspflegers hatte dieser den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht. Zahlungen auf den Pflichtteilsanspruch sind nicht erfolgt, und zwar weder an die Schwester noch an den überörtlichen Sozialhilfeträger.

Mit Verfügung vom 5. Oktober 1993 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Besteuerung zunächst gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) aus, weil die Höhe des Pflichtteilsanspruchs noch nicht festgestanden habe. Auf einen Vergleichsvorschlag der Klägerin ging das FA nicht ein. Mit Bescheid vom 8. Februar 1994 setzte es dann die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung zweier Vorschenkungen bei einem steuerpflichtigen Erwerb von 130 700 DM auf 6 535 DM fest. Die Pflichtteilsverbindlichkeit ließ es nicht zum Abzug zu, da keine Zahlungen auf den Pflichtteil geleistet worden seien.

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin darüber hinaus Festsetzungsverjährung sowie Verwirkung geltend gemacht hatte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte den Gründen der Einspruchsentscheidung, wonach es an einer wirtschaftlichen Belastung durch die Pflichtteilsverbindlichkeit gefehlt habe. Dem fügte es lediglich ergänzend an, es vermöge nicht nachzuvollziehen, weshalb Festsetzungsverjährung eingetreten oder der Steueranspruch wegen des Schweigens des FA auf einen Vergleichsvorschlag verwirkt sein soll.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht ausreichend dargelegt.

Die Klägerin hat keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ausdrücklich aufgeworfen. Ihrem Vorbringen kann lediglich entnommen werden, dass sie sich gegen das Verneinen der Verwirkung sowie dagegen wendet, dass das Schweigen auf den unterbreiteten Vergleichsvorschlag mit fehlerhafter Begründung nicht als zur Verwirkung führendes Verhalten anerkannt worden ist. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätten aber Ausführungen dazu gehört, dass und worin hinsichtlich der Voraussetzungen einer Verwirkung und der Zulässigkeit eines Vergleichs mit den Steuerbehörden noch ungeklärte Rechtsfragen bestehen, deren Klärung für den Streitfall erheblich ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Dies ist nicht geschehen.

2. Auch soweit die Klägerin aus der Formulierung des FG, es vermöge nicht nachzuvollziehen, weshalb im Streitfall Festsetzungsverjährung oder Verwirkung eingetreten sein soll, ableitet, das FG hätte sein Unvermögen durch weitere Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) beheben müssen, fehlt es an einer schlüssigen Beschwerdebegründung i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Wie sich aus Abs. 2 Nr. 3 der Vorschrift ergibt, wäre darzulegen gewesen, dass das angefochtene Urteil ausgehend von der Rechtsauffassung des FG auf dem gerügten Aufklärungsmangel beruhen kann. Angesichts der Tatsache, dass das FG unter Angabe der Rechtsgrundlagen Ausführungen zum Beginn und zum Ende der Festsetzungsfrist gemacht hat, hätte eine schlüssige Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit der geltend gemachten Festsetzungsverjährung erfordert darzutun, dass und weshalb sich bei weiterer Sachaufklärung andere Zeitpunkte des Fristanlaufs und/oder -ablaufs ergeben hätten. Nur dann nämlich konnte das angefochtene Urteil auf dem gerügten Aufklärungsmangel beruhen. Im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verwirkung wäre die Rechtsauffassung des FG, ein Vergleich sei im Steuerfestsetzungsverfahren nicht zulässig, der Aufklärungsrüge unabhängig davon zugrunde zu legen gewesen, ob und inwieweit diese Auffassung zutreffend ist. Durch das Zitieren des BFH-Urteils vom 8. Oktober 1986 II R 167/84 (BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12) hat das FG darüber hinaus zu erkennen gegeben, dass es in der Frage der Verwirkung diesem Urteil folgt. Daher hätte die Klägerin darlegen müssen, dass eine weitere Sachaufklärung Tatsachen erbracht hätte, die an den Maßstäben dieses Urteils gemessen eine Verwirkung ergeben hätten. Auch dies ist nicht geschehen. Stattdessen argumentiert die Klägerin, dass die Erbschaftsteuer wegen eines "Beschleunigungsprinzips" spätestens bis zum Ende des auf die Abgabe der Steuererklärung folgenden Jahres festgesetzt sein müsse.

3. Hinsichtlich der Rüge, das FG hätte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, ist die Beschwerde ebenfalls unzulässig. Mit dieser Rüge macht die Klägerin eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör geltend (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1991 VII B 186/91, BFH/NV 1992, 358). Dazu wäre erforderlich gewesen, darzulegen, was sie in einer mündlichen Verhandlung zusätzlich vorgetragen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355). Diesem Erfordernis ist durch den Hinweis auf den bisherigen Sachvortrag der Klägerin und ihre während des Klageverfahrens eingereichten Schriftsätze nicht genügt. Denn die Formulierung des FG, es könne die Ansicht der Klägerin über den Eintritt der Festsetzungsverjährung oder einer Verwirkung nicht nachvollziehen, besagt nicht, ihm hätten noch Entscheidungsgrundlagen gefehlt, sondern soll zum Ausdruck bringen, dass bei Würdigung des gesamten klägerischen Sachvortrags keinerlei Anhaltspunkte für eine Festsetzungsverjährung oder Verwirkung bestünden.

4. Mit der Rüge, durch die Nichtzulassung der Revision sei ihr, der Klägerin, der gesetzliche Richter, nämlich der Richter der Revisionsinstanz, entzogen worden, trägt die Klägerin keinen Verfahrensmangel vor, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zur Zulassung der Revision führen kann. Hinsichtlich dieser Rüge ist nämlich ausgeschlossen, dass die Vorentscheidung auf dem geltend gemachten Mangel beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Für die Kontrolle der Entscheidung des FG über die Zulassung der Revision ist im Übrigen mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 FGO ein eigenes Rechtsmittel vorgesehen, von dem die Klägerin auch Gebrauch gemacht hat.

Ende der Entscheidung

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