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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.06.2008
Aktenzeichen: II B 19/07
Rechtsgebiete: FGO, StPO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
StPO § 98
StPO § 102
StPO § 105
StPO § 304
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Bei der durch das Amtsgericht (AG) X angeordneten Durchsuchung der Geschäftsräume einer Bank wurden Unterlagen aufgefunden, nach denen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Jahren 1993 und 1994 von seinem legitimationsgeprüften Konto bei dieser Bank festverzinsliche Wertpapiere mit einem Nennwert von insgesamt ... DM unter Angabe seines Namens auf verschiedene Schweizer Banken übertragen hatte. Nachdem das AG X und das Landgericht (LG) X die Beschlagnahme dieser Unterlagen zunächst abgelehnt hatten, erließ das AG X am 17. März 1999 einen gesonderten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen die Bank zur Aufklärung der Depotüberträge festverzinslicher Wertpapiere auf eigene ausländische Konten des Klägers. Noch bevor das LG X diesen Beschluss aufgehoben hatte, übersandte die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts Y die den Kläger betreffenden Unterlagen an den Beklagten und Beschwerdegegner (das für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt --FA--).

Auf Anfrage des FA hin bestritt der Kläger das Bestehen einer Geschäftsbeziehung zu ausländischen Banken. Daraufhin ordnete das AG Z durch Beschlüsse vom 14. November 2000 die Durchsuchung der Wohnung und des Arbeitsplatzes des Klägers sowie der Wohnung seiner Mutter (M) an. Bei diesen Durchsuchungen wurden zahlreiche Bankunterlagen, insbesondere in der Wohnung der M, beschlagnahmt. Die Beschlagnahme der bei M sichergestellten Unterlagen bestätigte das AG Z mit Beschluss vom 23. Januar 2001. Die Beschwerden des Klägers und der M gegen die Beschlüsse vom 14. November 2000 blieben erfolglos. Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Aufgrund der beschlagnahmten Unterlagen schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und setzte gegen den Kläger für die Jahre 1989 bis 1996 Vermögensteuer fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der Kläger stützt seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensmängel.

II. Die Beschwerde ist --soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht-- unbegründet.

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision dargelegt werden.

Diesen Erfordernissen entspricht die Beschwerdebegründung nur teilweise.

a) Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) erforderlich sei.

aa) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehören u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung nach Datum und Aktenzeichen oder Fundstelle (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2007 X B 147/06, BFH/NV 2007, 2073, und vom 25. Januar 2008 X B 179/06, BFH/NV 2008, 608, je m.w.N.) sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handle (BFH-Beschlüsse vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293; vom 20. Februar 2008 VIII B 83/07, BFH/NV 2008, 978, und vom 20. Februar 2008 VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980).

Hat das FG seine Entscheidung kumulativ begründet, d.h. auf mehrere aus seiner Sicht selbständig tragende Gründe gestützt, muss wegen jeder dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO gemäß den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 VIII B 42/07, BFH/NV 2008, 802; vom 7. Dezember 2007 III B 172/06, BFH/NV 2008, 558; vom 7. Dezember 2007 VIII B 110/07, BFH/NV 2008, 613; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 V R 22/05, BFHE 217, 24, BStBl II 2007, 426).

bb) Diesen Begründungsanforderungen wird die Divergenzrüge des Klägers nicht gerecht.

Das FG hat in seiner Entscheidung zwar ausgeführt, die Übertragung von Kapitalvermögen, welches die Freibeträge zur Vermögensteuer übersteige, begründe einen strafrechtlichen Anfangsverdacht. Es hat aber die Entscheidung nicht allein oder vorrangig auf einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gestützt. Vielmehr war für das FG in erster Linie die Tatbestandswirkung der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des AG Z und die Erfolglosigkeit der dagegen gerichteten Beschwerden maßgeblich. Das FG ist dabei der ständigen Rechtsprechung des BFH gefolgt. Wird im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung die Durchsuchung der Wohnung des Steuerpflichtigen sowie die Beschlagnahme nach den §§ 98, 102, 105 der Strafprozessordnung (StPO) angeordnet, so obliegt die Prüfung, ob diese Maßnahmen mangels Tatverdachts oder aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind, nach dieser Rechtsprechung nicht den Finanzbehörden, sondern dem AG und dem im Beschwerdeverfahren nach § 304 StPO zuständigen LG. Wird der Beschluss des AG nicht angefochten oder die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen, entfaltet die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung Tatbestandswirkung mit der Folge, dass den Steuergerichten eine nochmalige Überprüfung der entsprechenden Beschlüsse verwehrt ist und sie für das Steuerfestsetzungsverfahren von deren Rechtmäßigkeit auszugehen haben (BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749; vom 15. Mai 2002 V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279; vom 17. Juli 2003 X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594, und vom 25. November 2005 VIII B 271/04, BFH/NV 2006, 483). Dies gilt jedenfalls, soweit es sich bei den Beschlüssen des AG und des LG nicht um sog. Nichtentscheidungen oder nichtige Entscheidungen handelt (BFH-Beschlüsse vom 10. März 1992 X B 18/91, BFH/NV 1992, 367, und in BFH/NV 2002, 749) bzw. soweit sich die Beschlüsse nicht als offensichtlich grob fehlerhaft und damit als greifbar gesetzwidrig erweisen (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B 11/00, BFHE 195, 40, BStBl II 2001, 624).

Die Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Tatbestandswirkung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen entfällt, betrifft den Einzelfall und rechtfertigt schon deshalb grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 2007 II B 107/06, BFH/NV 2008, 573; vom 7. Dezember 2007 VIII B 68/07, BFH/NV 2008, 590; vom 18. Dezember 2007 XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595).

Der Kläger hat im Übrigen nicht substantiiert dargelegt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien. Hinsichtlich der von ihm erhobenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken fehlt eine Auseinandersetzung mit dem bereits vom FG angeführten BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 II R 3/04 (BFH/NV 2006, 1). Nach dieser Entscheidung darf die Steuerfahndung Kontrollmaterial über von einem inländischen legitimationsgeprüften Konto aus getätigte Kapitalanlagen in der Schweiz bei hinreichendem Anlass an das Wohnsitz-Finanzamt weiterleiten, ohne dass ein strafrechtlicher Anfangsverdacht bestehen muss. Ein solcher hinreichender Anlass kann sich insbesondere aus der Höhe des in die Schweiz transferierten Kapitals unter Berücksichtigung des Schweizer Bankgeheimnisses ergeben. Wie der BFH unter II. 1. e) der Entscheidung im Einzelnen ausgeführt hat, bestehen dagegen im Hinblick auf die in Art. 56 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C-340/97, 1; zuvor Art. 73b Abs. 1 des Vertrages) garantierte Freiheit des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten keine Bedenken.

Mit diesen Ausführungen hat sich der Kläger nicht auseinander gesetzt. Diese Auseinandersetzung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger frühere Entscheidungen des BFH zu der Problematik (Beschlüsse vom 6. Februar 2001 VII B 277/00, BFHE 194, 26, BStBl II 2001, 306; in BFHE 195, 40, BStBl II 2001, 624, und in BFH/NV 2002, 749) angeführt hat. Bei der Entscheidung über die Zulassung einer Revision ist stets von der aktuellen Rechtsprechung auszugehen (BFH-Beschlüsse vom 11. August 2006 V B 23/04, BFH/NV 2007, 60, und vom 20. Dezember 2006 I B 141/05, BFH/NV 2007, 928).

cc) Soweit der Kläger eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rügt, fehlt es bereits an der erforderlichen Konkretisierung der nach seiner Ansicht einschlägigen Entscheidungen nach Datum und Aktenzeichen und/oder Fundstelle.

b) Der Kläger ist auch nicht auf die vom FG angeführte Rechtsprechung des BFH eingegangen, nach der ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden, im Besteuerungsverfahren nicht besteht. Es gibt daher auch kein allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung (BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1594, je m.w.N.).

2. Das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat der Kläger nicht schlüssig dargetan.

a) Soweit der Kläger meint, das FG sei zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verpflichtet gewesen, übersieht er, dass Gerichte, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nach Art. 234 EG zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Das FG ist danach auch dann nicht verpflichtet, eine solche Vorabentscheidung einzuholen, wenn es die Revision gegen sein Urteil nicht zulässt (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 1996 VII B 169/95, BFH/NV 1996, 652, m.w.N., und vom 14. März 2008 V B 137/06, juris).

b) Die Rüge des Klägers, das FG hätte seinem Vorbringen, bei der Durchsuchung der Bank seien weit mehr Zufallsfunde als vom FG angenommen beschlagnahmt worden, nachgehen und entsprechende Beweise erheben müssen, ist ebenfalls nicht als schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels zu beurteilen. Der Kläger hat insbesondere nicht --wie erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751, und vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603)-- dargelegt, inwiefern diese Beweiserhebung auf der Grundlage des --ggf. auch unrichtigen-- materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Auf die materiell-rechtliche Auffassung des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

c) Der vom Kläger als verletzt gerügte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verpflichtet das Gericht nur dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch dazu, der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch einen Beteiligten zu folgen (BFH-Beschlüsse vom 11. November 2005 II B 11/05, BFH/NV 2006, 254; vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35; vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397, und vom 3. Dezember 2007 II S 11/07, BFH/NV 2008, 529).

Ende der Entscheidung

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