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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: II B 54/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 79b Abs. 2
FGO § 91 Abs. 1 Satz 1
FGO § 91 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Alleinerbe seiner im Jahr 1997 verstorbenen Ehefrau. Er machte im Klageverfahren gegen den vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erlassenen Erbschaftsteuerbescheid geltend, der Erwerb sei um eine ihm zustehende fiktive Zugewinnausgleichsforderung in Höhe von 657 500 DM zu vermindern (§ 5 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --ErbStG--). Der Aufforderung, die Anlage "Zugewinnausgleichsberechnung" auszufüllen und entsprechende Erläuterungen, Aufstellungen und Unterlagen beizufügen (Schreiben des FA vom 11. Dezember 2001 und des Finanzgerichts --FG-- vom 20. Dezember 2001), kam der durch eine Steuerberatungsgesellschaft mbH als Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger zunächst nicht nach, obwohl er diese Schreiben ausweislich des Schriftsatzes vom 4. Februar 2002 erhalten hatte. Erst nachdem ihn das FG wiederholt dazu aufgefordert hatte, zuletzt unter Setzung einer Frist nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), legte der Kläger eine Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung, jedoch keine Unterlagen dazu vor. Das FA vertrat mit Schreiben vom 10. November 2004 die Auffassung, die Berechnung könne wegen im Einzelnen genannter Mängel der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Der Bitte des FG, sich dazu zu äußern und eine korrigierte Berechnung einzureichen (Schreiben vom 15. November 2004 und Erinnerung vom 5. Januar 2005), entsprach der Kläger nicht.

Die Prozessbevollmächtigte wurde mit dem ihr am 11. Februar 2005 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Schreiben des FG vom 9. Februar 2005 zur mündlichen Verhandlung vor dem FG am 2. März 2005 geladen und dabei darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 91 Abs. 2 FGO). In der mündlichen Verhandlung vor dem FG erschien für den Kläger niemand. Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter stellte nach der Sitzungsniederschrift die ordnungsgemäße Ladung der nicht erschienenen Prozessbevollmächtigten des Klägers fest und wies die Klage mit der Begründung ab, die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs weise so schwere Mängel auf, dass sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden könne und auch eine Schätzung ausscheide.

Der Kläger stützt seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf Verfahrensmängel. Die Ladung sei dem Prozessbevollmächtigten persönlich wohl infolge eines Büroversehens nicht vorgelegt worden. Da er deshalb ohne Verschulden nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sei, liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Er habe keine Gelegenheit mehr zu weiterem Vortrag gehabt.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Kläger hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig dargelegt.

Da die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO ordnungsgemäß geladen worden war und die Ladung den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Hinweis enthalten hatte, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, durfte das FG zur Sache verhandeln und entscheiden, obwohl in der mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand erschienen war, ohne dass es auf Verschulden der Prozessbevollmächtigten oder von deren Geschäftsführer ankommt.

a) Indem der Gesetzgeber bei ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit eines Beteiligten ohne Rücksicht auf den Grund seines Ausbleibens zulässt, nimmt er ersichtlich in Kauf, dass ein Beteiligter auch unverschuldet an der Teilnahme verhindert sein kann. Der durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör wird dadurch nicht verletzt. Dieser Anspruch begründet kein Recht auf mündliche Verhandlung. Das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlung ist kein Verfassungsrechtsgrundsatz, sondern lediglich eine einfachrechtliche Prozessrechtsmaxime. Das Gericht hat allerdings bei der Ermessensentscheidung, ob es trotz Ausbleibens eines Beteiligten in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt, den Anspruch auf rechtliches Gehör zu berücksichtigen (vgl. dazu im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948).

b) Der Kläger hat abgesehen vom behaupteten fehlenden Verschulden am Fernbleiben in der mündlichen Verhandlung, das dem FG nicht bekannt war und daher von ihm nicht berücksichtigt werden konnte, keine Gründe angeführt, die das FG zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung hätten veranlassen müssen. Ein Grund dafür ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger hatte aufgrund des Schreibens des FA vom 10. November 2004 und der wiederholten Aufforderung des FG, dazu Stellung zu nehmen und eine korrigierte Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung vorzulegen, bis zur mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Äußerung, zumal er bereits seit Jahren die Anforderungen an die Berechnung und die Erforderlichkeit der Zusammenstellung von Belegen gekannt und das FG ihm eine Frist nach § 79b Abs. 2 FGO gesetzt hatte. Diese Gelegenheit hat er nicht genutzt und auch keine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme beantragt. Dies geht als Verletzung seiner Mitwirkungspflichten (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO) zu seinen Lasten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör setzt voraus, dass der Betroffene seine prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nutzt (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566).

Ende der Entscheidung

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