Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: II R 12/00
Rechtsgebiete: GrEStG 1983


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 6
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 7
1. Unter "Verfolgung wirtschaftlicher Interessen" bei Abtretung eines Kaufangebots durch den Benennungsberechtigten ist die Möglichkeit zu verstehen, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen. Liegt der Vorteil in der Ausübung der sonst dem Veräußerer gegebenen Möglichkeit, den jeweiligen benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, setzt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG voraus, dass der Benennungsberechtigte --verdeckt-- an den neuen Verträgen "verdient" und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhat.

2. Sofern sich das Interesse des Benennungsberechtigten oder der mit ihm verbundenen Bank darauf beschränkt, Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus bestehenden Darlehensverträgen mit dem Grundstückseigentümer zu realisieren, liegt kein die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG begründendes Interesse vor.


Gründe:

I.

Mit notarieller Urkunde vom 4. Januar 1995 bot der Grundstückseigentümer A der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH und Co. KG, oder einem von der Klägerin noch zu benennenden Dritten den Abschluss eines Kaufvertrages über ein Grundstück an. Für die Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Das Grundstück war mit Grundschulden einer Bank belastet, die aus mehreren Darlehensverträgen Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Grundstückseigentümer besaß. Die Bank war alleinige Kommanditistin der Klägerin. Sie bediente sich der Klägerin zur Rückführung der Verbindlichkeiten des (später in Konkurs gefallenen) Grundstückseigentümers in der Erwartung, der bei einem freihändigen Verkauf zu erzielende Kaufpreis werde höher sein als der Erlös aus einer Zwangsvollstreckung.

Mit notarieller Urkunde vom 20. Februar 1995 benannte die Klägerin die Eheleute B als Käufer des Grundstücks und trat ihnen die ihr aus dem Kaufangebot zustehenden Rechte ab. Die Eheleute B nahmen das Angebot an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer nach dem mit 140 v.H. berechneten Einheitswert fest. Das FA beurteilte den Vorgang als Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Grunderwerbsteuergesetzes --GrEStG--). Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe bei der Benennung und der Abtretung in Verfolgung wirtschaftlicher Interessen der Bank gehandelt, die als Grundpfandrechtsgläubigerin ein Interesse an einem hohen Verkaufserlös unter Vermeidung einer Zwangsvollstreckung gehabt habe (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000, 451).

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und trägt vor: Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG seien nicht erfüllt. Die Tätigkeit der Klägerin habe der Vermeidung der Zwangsvollstreckung und der Erzielung eines hohen Kaufpreises im freihändigen Verkauf gedient, denn sie habe vorrangig die Interessen des (insolvent gewordenen) Grundstückseigentümers verfolgt. Das Interesse des Grundstückseigentümers sei nicht mit dem Interesse der Bank deckungsgleich. Denn der potentielle Veräußerungserlös und das Kreditvolumen würden nur in den seltensten Fällen übereinstimmen. Aus der Einschaltung der Klägerin und aus der Verwertung des Verkaufsangebots durch sie ziehe also in erster Linie der Grundstückseigentümer einen Nutzen. Ein "Zusatznutzen" der Bank sei nicht erkennbar; die Rückführung des Kredits sei allenfalls ein Reflex aus dem Nutzen, den der Grundstückseigentümer aus der Gestaltung ziehe.

Sofern angenommen werde, die Klägerin habe wirtschaftliche Interessen der Bank verfolgt, fehle es zur Steuerbarkeit der Angebotsabtretung daran, dass sie nicht im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts der Bank gegenüber vertraglich gebunden gewesen sei. Die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Bank als Kommanditistin mit der Klägerin wirke sich auf das Benennungsrecht nicht aus. Die Ausübung des Benennungsrechts sei Sache der Geschäftsführung. Von dieser seien Kommanditisten gesetzlich ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Vorentscheidung enthält in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die eine revisionsrechtliche Überprüfung der Besteuerungsgrundlage ermöglichen würden. Dies ist ein materiell-rechtlicher Fehler in der Urteilsfindung, der für sich genommen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31; vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die Abtretung selbst, wenn ihr kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dahingestellt bleiben kann, ob ein zur Abtretung verpflichtendes Kausalgeschäft oder nur die Abtretung selbst gegeben ist, da die übrigen Voraussetzungen in beiden Alternativen übereinstimmen und die Bemessungsgrundlage für die Steuer in beiden Fällen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu ermitteln ist.

2. Die nach dem Wortlaut der beiden Tatbestandsalternativen vorausgesetzten Merkmale sind im Streitfall erfüllt. Der Grundstückseigentümer hat der Klägerin oder einer von ihr zu benennenden dritten Person ein unwiderrufliches befristetes Angebot zum Abschluss des in der notariellen Urkunde vom 4. Januar 1995 bezeichneten Kaufvertrags unterbreitet. Die Klägerin hat mit notariell beurkundeter Erklärung vom 20. Februar 1995 entweder sich zur Abtretung der aus dem Angebot erwachsenen Rechte verpflichtet oder --ohne ein solches Verpflichtungsgeschäft-- diese Rechte an die als Erwerber benannten Eheleute B abgetreten. Mit deren am gleichen Tag erklärter Annahme ist der Grundstückskaufvertrag zwischen ihnen und dem Veräußerer zustande gekommen. Damit ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG seinem Wortlaut nach erfüllt.

3. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG setzt als weiteres --ungeschriebenes-- Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte wirtschaftliche Interessen eines Dritten wahrnimmt, dem gegenüber er im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden ist. Ein Handeln im Interesse des Grundstücksveräußerers oder des (präsumtiven) -erwerbers reicht nicht aus (zuletzt BFH-Urteil vom 15. März 2000 II R 30/98, BFHE 191, 419, BStBl II 2000, 359, m.w.N.).

a) Unter Verfolgung wirtschaftlicher Interessen versteht der Senat die Möglichkeit, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen. Dies setzt einerseits nicht voraus, dass eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG vorliegt (Senatsurteile vom 16. April 1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525; vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Andererseits reicht für die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG nicht ein wirtschaftliches Interesse, das über den Abschluss des Grundstückskaufvertrages nicht hinausgeht, wie es bei Maklerverträgen der Fall ist (BFH in BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Da § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG den Handel mit Kaufangeboten erfasst und damit Geschäfte besteuert, die einen vermiedenen Zwischenerwerb ersetzen oder einer Verwertung des Kaufvertragsangebotes dienen, kommt es darauf an, dass der Benennungsberechtigte wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfährt und sich einen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschafft. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein durch Ausübung der sonst dem Veräußerer gegebenen Möglichkeit, den jeweiligen benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411, m.w.N.). Vorausgesetzt ist jedoch auch in diesem Fall, dass der Benennungsberechtigte --verdeckt-- an den neuen Verträgen "verdient" und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhat.

b) Hat der Benennungsberechtigte die uneingeschränkte Möglichkeit, das Grundstück zu seinem Vorteil weiterzugeben, so indiziert dies grundsätzlich ein Handeln in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen. Diese Indizwirkung entfällt nur dann, wenn der Benennungsberechtigte ausschließlich im Interesse des Grundstücksveräußerers oder des präsumtiven Erwerbers tätig geworden ist. Für das Vorliegen dieses Sachverhalts trägt der Benennungsberechtigte ggf. die Feststellungslast (BFH in BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411).

4. Das Urteil des FG enthält keine Feststellungen tatsächlicher Art, die dem Senat die Prüfung ermöglichen, ob die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG rechtsfehlerfrei angewendet worden ist.

a) Das FG stützt sich bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Frage nach dem wirtschaftlichen Interesse der Bank anscheinend, d.h. ohne dies klarzustellen, auf einen Erfahrungssatz, wonach es einem Gläubiger zum Vorteil gereicht, wenn dem Schuldner Geldmittel zufließen. Diese Erwägung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil das bloße Interesse, das jeder Grundpfandrechtsgläubiger am Verkauf eines Grundstücks und damit am Geldmittelzufluss beim Schuldner hat, nicht ausreicht, um einen Grundstückshandel i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG zu bejahen. Mangels entsprechender Feststellungen --etwa zur Kreditabrechnung der Bank mit dem Schuldner-- kann der Senat nicht beurteilen, ob die Bank die Möglichkeit hatte, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der Rechtsstellung der benennungsberechtigten Klägerin wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit dem Grundstück zu ziehen. Hierzu wäre es beispielsweise erforderlich gewesen festzustellen, wem der Erlös aus der Grundstücksveräußerung, insbesondere ein eventueller Spitzenbetrag, der die abzulösenden Darlehensbeträge überstieg, zugute kam. Sofern sich das Interesse der Bank darauf beschränkte, ihre Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus den bestehenden Darlehensverträgen zu realisieren, läge kein die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG begründendes Interesse vor. Für die Beurteilung, ob ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Klägerin gegeben ist, wäre unter anderem festzustellen, welche Vorteile die Klägerin selbst aus ihrer Tätigkeit zur Verwertung des Grundstücks ziehen konnte.

b) Da im Streitfall die Bank Dritter im Verhältnis zur benennungsberechtigten Klägerin ist, müsste nach der Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG für den Fall, dass ein rechtserheblicher Vorteil der Bank feststellbar ist, die Klägerin wirtschaftliche Interessen der Bank wahrgenommen haben und ihr gegenüber im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden gewesen sein. Feststellungen des FG zur rechtlichen Bindung der Klägerin gegenüber der Bank fehlen --wie die Klägerin zu Recht rügt-- gänzlich.



Ende der Entscheidung

Zurück