Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: II R 15/07
Rechtsgebiete: GrEStG, ErbStG, BGB


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GrEStG § 3 Nr. 2
GrEStG § 3 Nr. 3
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1094 Abs. 1
BGB § 2174
Hat der Erblasser vermächtnisweise angeordnet, einem von drei Miterben ein dingliches Vorkaufsrecht an einem im Nachlass befindlichen Grundstück zu bestellen, das hälftig den beiden anderen Miterben vermacht worden ist, und hat der Vorkaufsberechtigte sein Recht ausgeübt, ist der dadurch zustande gekommene Erwerbsvorgang weder nach § 3 Nr. 2 GrEStG noch nach Nr. 3 der Vorschrift grunderwerbsteuerfrei.
Gründe:

I.

Die 2003 verstorbene P hatte ihre Tochter, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), sowie deren beide Geschwister durch letztwillige Verfügung vom 2. Oktober 2003 zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt und den beiden Geschwistern im Voraus ihr Wohnhaus zu je hälftigem Miteigentum sowie der Klägerin für den ersten Verkauf dieses Grundstücks durch die Geschwister ein dingliches Vorkaufsrecht vermacht. Außerdem hatte P eine Testamentsvollstreckung durch die Klägerin angeordnet. Nach Umschreibung des Grundstücks auf die Miterben zur gesamten Hand und Eintragung des Vorkaufsrechts der Klägerin --Letzteres aufgrund Bewilligung vom 15. Dezember 2003-- übertrugen die Miterben das Grundstück auf die Geschwister der Klägerin in Miteigentum zu je 1/2. Drei Monate nach Umschreibung schlossen die beiden Geschwister mit Dritten einen Vertrag über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 255 000 €. Daraufhin übte die Klägerin ihr Vorkaufsrecht mit notariell beurkundeter Erklärung vom 13. September 2004 aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin für den aufgrund des ausgeübten Vorkaufsrechts verwirklichten Erwerbsvorgang mit Bescheid vom 24. September 2004 Grunderwerbsteuer in Höhe von 8 925 € fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) geltend gemacht hatte, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt den Befreiungstatbestand für nicht erfüllt. Die Klägerin habe das Grundstück nicht durch Vermächtnis i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), und damit nicht von Todes wegen, erworben. Ihr sei nicht das Grundstück vermacht worden, sondern lediglich ein Vorkaufsrecht. Ihr habe daher mit dem Erbfall noch kein Übereignungsanspruch bezüglich des Grundstücks zugestanden, sondern lediglich ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung noch von einem Grundstücksverkauf durch die Geschwister abhängig gewesen sei. Dieser Kaufvertrag und nicht der Erbfall sei "Entstehungsgrund" des Übereignungsanspruchs. Dem vermachten Vorkaufsrecht komme nur "instrumentale Bedeutung" zu. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 950 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG. Der Umstand, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts von einem Verkauf des Grundstücks durch die Geschwister abhängig gewesen sei, stehe seiner Gleichsetzung mit einem Ankaufsrecht aus einem Kaufrechtsvermächtnis nicht entgegen. Die vermächtnisweise Einräumung eines Ankaufsrechts sei nicht bedingungsfeindlich. Rechtsgrund ihres Erwerbs sei das Vermächtnis und somit ihr Erwerb ein solcher von Todes wegen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 24. September 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG liegen nicht vor.

1. Mit der Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts durch die Klägerin ist gemäß § 1098 Abs. 1 i.V.m. § 464 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bezüglich jedes Miteigentumsanteils ein Grundstückskauf zwischen ihr und einem der Geschwister unter den Bestimmungen zustande gekommen, welche Letztere mit den Dritten vereinbart hatten. Diese Kaufverträge unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, ohne gemäß § 3 Nr. 2 des Gesetzes befreit zu sein.

a) Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 21. Juli 1993 II R 118/90 (BFHE 172, 118, BStBl II 1993, 765) entschieden, dass nicht nur der Grundstückserwerb durch ein reines Sachvermächtnis, sondern auch derjenige aufgrund eines Kaufrechtsvermächtnisses von der Grunderwerbsteuer befreit ist, und dabei lediglich offen gelassen, ob dies auch dann gilt, wenn der Vermächtnisnehmer das Grundstück zum Verkehrswert erwerben musste. Mit Urteil vom 13. August 2008 II R 7/07 (BFH/NV 2008, 1760) hat der Senat in einem Rechtsstreit wegen Erbschaftsteuer erkannt, Erwerbsgegenstand eines grundstücksbezogenen Kaufrechtsvermächtnisses sei die aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gemäß § 2174 BGB gegen den Beschwerten auf Übertragung des betroffenen Grundstücks und nicht etwa --wie bis dahin angenommen-- ein Gestaltungsrecht. Damit erweist sich die zur Grunderwerbsteuer ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 172, 118, BStBl II 1993, 765 umso mehr als zutreffend, als nunmehr keine Unterschiede zwischen dem erbschaftsteuerrechtlichen und dem grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerb(-svorgang) mehr bestehen (vgl. zu den bisherigen Unterschieden: Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 3 Rz 32). Zivil- und damit erbschaftsteuerrechtlich ist Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs des mit einem Kaufrechtsvermächtnis Bedachten ebenso die Verfügung von Todes wegen wie bei einem reinen Sachvermächtnis. Lediglich die Zahlungspflicht des Vermächtnisnehmers hat ihren Rechtsgrund in dessen Verpflichtungserklärung, den Kaufpreis zu zahlen (so Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30. September 1959 V ZR 66/58, BGHZ 31, 13).

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist jedoch das ihr vermachte dingliche Vorkaufsrecht im Rahmen des § 3 Nr. 2 GrEStG nicht mit einem derartigen Kaufrechtsvermächtnis vergleichbar. Anders als bei einem grundstücksbezogenen Kaufrechtsvermächtnis ist die Forderung der Klägerin, die gemäß § 2174 BGB durch das zu ihren Gunsten verfügte Vermächtnis mit dem Tod der Mutter begründet worden ist, nicht --wenn auch aufschiebend bedingt-- auf Übertragung des Grundstücks gerichtet, sondern auf die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts an diesem Grundstück (vgl. Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht, 1975, S. 120). Während es bei einem Kaufrechtsvermächtnis nicht des Abschlusses eines Kaufvertrages bedarf, um den (aufschiebend bedingten) Übereignungsanspruch gegen den Beschwerten --also regelmäßig den oder die Erben-- zu begründen, und durch den Kaufvertrag lediglich die Pflicht zur Kaufpreiszahlung entsteht, ist der Klägerin durch den Tod der Mutter noch kein --auch noch kein aufschiebend bedingter-- Übereignungsanspruch erwachsen. Vielmehr hat sie durch Erwerb von Todes wegen lediglich einen Anspruch auf Einräumung eines Vorkaufsrechts erhalten (so Schurig, a.a.O.).

c) Anders als das Grundstück bei einem Kaufrechtsvermächtnis hat sich das vermachte dingliche Vorkaufsrecht weder im Vermögen der Mutter befunden noch ist es mit deren Tod entstanden. Es musste als dingliche Grundstücksbelastung erst von der Klägerin als Testamentsvollstreckerin bestellt und seine Eintragung bewilligt werden. Dies ist auch geschehen, wie aus der bei den Steuerakten befindlichen Benachrichtigung des Grundbuchamtes vom 29. Dezember 2003 über die Eintragung des Vorkaufsrechts "gemäß Bewilligung vom 15. Dezember 2003" hervorgeht. Spätestens mit der Eintragung des Vorkaufsrechts im Grundbuch war das zugunsten der Klägerin angeordnete Vermächtnis erfüllt, ohne dass damit ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG verbunden gewesen wäre.

d) Somit erfüllt einerseits der in der Person der Klägerin erfolgte Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG noch keinen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG. Andererseits stellt der in der Person der Klägerin verwirklichte Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG keinen Erwerbsvorgang von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mehr dar, sondern einen Erwerb unter Lebenden. Als solcher fällt er nicht unter § 3 Nr. 2 GrEStG. Eine Steuerbefreiung des streitbefangenen Grundstückserwerbs gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG wäre auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerechtfertigt. Der in dem Grundstück verkörperte Wert ist durch den Erbfall den beiden Geschwistern der Klägerin zugeflossen; die Klägerin hat es wie ein Dritter zu einem unter Fremden ausgehandelten Kaufpreis kaufen müssen. Die einzige Besonderheit bestand darin, dass sie den Zeitpunkt des Kaufs nicht beeinflussen und über das Ob eines Verkaufs sowie den Inhalt des Kaufvertrages nicht mitbestimmen konnte.

2. Auch eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG steht der Klägerin nicht zu. Gemäß dieser Vorschrift ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses ebenfalls grunderwerbsteuerfrei. Das Vorkaufsrecht der Klägerin diente aber nicht der Teilung des Nachlasses. Vielmehr enthielten bereits die Vorausvermächtnisse zugunsten der beiden Geschwister der Klägerin in der Wirkung Elemente einer Nachlassteilung. Durch die Vorausvermächtnisse verteilte sich der Nachlass so auf die Geschwister, dass die zu Lebzeiten der Mutter zugunsten der Klägerin erfolgte Schenkung des Nachbargrundstücks unter den Miterben ausgeglichen wurde. Damit war die Nachlassteilung unter den Miterben bezüglich des Grundstücks abgeschlossen.

3. Die Rüge der Klägerin, das FG habe ihr Recht auf Gehör verletzt, indem es unterstellt habe, dem Vorkaufsrecht komme kein Vermögenswert zu, greift nicht durch. Die Frage, ob ein und ggf. welcher Wert dem Vorkaufsrecht zuzumessen ist, kann im Streitfall auf sich beruhen.

Ende der Entscheidung

Zurück