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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: II R 34/01
Rechtsgebiete: BewG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

BewG § 106 Abs. 1
FGO § 57 Nr. 1
FGO § 40 Abs. 2
FGO § 76 Abs. 2
AO 1977 § 119 Abs. 1
AO 1977 § 124 Abs. 1
AO 1977 § 183 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 183 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 183 Abs. 1 Satz 3
AO 1977 § 352 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zum streitigen Stichtag 1. Januar 1990 bestand die Partenreederei MS X (Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) aus den Mitreedern A, dem Beigeladenen, und B. Das Betriebsvermögen umfasste im Wesentlichen das Motorschiff X, das im März 1983 für 4 Mio. DM angeschafft worden war. Am 3. Januar 1990 veräußerte der Beigeladene seinen Anteil an B, die das Unternehmen als Einzelunternehmen fortführte. Bei der Auseinandersetzung hatten die Mitreeder das Schiff mit 2 497 544 DM bewertet.

Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erstmals eine Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990 vor und bewertete dabei das Schiff "unter Berücksichtigung der mit dem Ausscheiden des Beigeladenen verbundenen besonderen Umstände" mit 2 Mio. DM. Dies führte durch Bescheid vom 5. August 1996 zu einem Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990 von 743 000 DM. Den Einheitswert teilte das FA auf den Beigeladenen und B auf. Den Bescheid gab es der B "für die Partenreederei MS X und deren Gesellschafter" bekannt. Auf den "im Auftrag der Steuerpflichtigen" unter dem Betreff "Einheitswertbescheid 1.1.1990 Partenreederei X" eingelegten Einspruch erließ das FA gegen die Klägerin --adressiert an die Steuerberater-- eine zurückweisende Einspruchsentscheidung.

Die unter Bezugnahme auf eine Vollmacht der B "im Namen der Partenreederei MS X" erhobene Klage, mit der geltend gemacht worden war, da der Erwerb der Schiffspart des Beigeladenen erst nach dem Bewertungsstichtag erfolgt sei, sei der Teilwert des Schiffes zum 1. Januar 1990 entsprechend den Richtlinien für die Bewertung der Seeschiffe (Seeschiffs-BewR) 1989 vom 13. Dezember 1990 (BStBl I 1991, 135) nur mit 1 018 081 DM anzusetzen, blieb erfolglos. Mit seiner im Rubrum gegen die Klägerin ergangenen Entscheidung vertrat das Finanzgericht (FG) die Ansicht, zwar ergebe sich nach den Seeschiffs-BewR 1989 der angestrebte Teilwert von 1 018 081 DM; die Seeschiffs-BewR 1989 sähen jedoch im letzten Satz der Tz. 13 vor, dass ein abweichender Wert vorgehe, wenn er nachgewiesen sei. Dies sei im Streitfall durch den Anteilserwerb vom 3. Januar 1990 geschehen. Der dabei angesetzte Wert des Schiffes lasse auf den Stichtagswert schließen. B und der Beigeladene seien nicht verwandt und hätten gegenläufige finanzielle Interessen verfolgt.

Mit der Revision wird gerügt, die Vorentscheidung verstoße gegen das Stichtagsprinzip gemäß § 22 Abs. 4 i.V.m. § 106 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der zum streitigen Stichtag geltenden Fassung und die Seeschiffs-BewR 1989.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen auf den 1. Januar 1990 vom 5. August 1996 sowie der Einspruchsentscheidung vom 23. April 1997 den Einheitswert auf ./. 239 000 DM festzustellen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist begründet. Die Klägerin ist durch die Übertragung des Anteils des Beigeladenen auf B im Januar 1990 erloschen. Infolgedessen konnte in einem von der Klägerin angestrengten Klageverfahren nur über deren Beteiligtenfähigkeit gemäß § 57 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Einspruchsbefugnis gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) verhandelt werden. Da das FG dies verkannt und die Klägerin nicht gemäß § 76 Abs. 2 FGO auf eine sachdienliche Antragsbeschränkung hingewiesen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Mitreeder der Klägerin waren nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG vor dem Ausscheiden des Beigeladenen nur noch dieser und B. Da es eine Einmann-Partenreederei nicht gibt, führte die Vereinigung aller Anteile in der Hand der B zur Vollbeendigung der Partenreederei und zur Fortführung des Reedereibetriebes durch die B als Einzelgewerbetreibende (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl. 2000, § 505 Anm. 1).

a) Die handelsrechtliche Vollbeendigung der Klägerin hat nicht zur Folge, dass sie mangels Beteiligtenfähigkeit i.S. des § 57 Nr. 1 FGO nicht mehr in der Lage war, wirksam Revision einzulegen. Angesichts des Rubrums, das die Partenreederei MS X als Klägerin nennt, konnte deren Rechtsnachfolgerin B zu Recht annehmen, die nicht mehr bestehende Partenreederei komme noch als Klägerin in Betracht, sei als solche von der Vorentscheidung betroffen und müsse deshalb in der Lage sein, sich gegen die Vorentscheidung zu wehren, was sie, B, zu veranlassen habe.

b) Dieses Recht zur Gegenwehr begründet jedoch im Streitfall keinen Anspruch auf revisionsgerichtliche Überprüfung der Vorentscheidung darauf, ob das FG die materiell-rechtliche Frage der Bewertung des Seeschiffs zutreffend entschieden hat. Vielmehr hat sie nur einen Anspruch auf revisionsgerichtliche Prüfung, ob und inwieweit das FG die Partenreederei MS X rechtmäßig als Beteiligte des Klageverfahrens angesehen hat. Diese Überprüfung ergibt zunächst, dass das FG die Partenreederei MS X als Klägerin, und damit als Verfahrensbeteiligte i.S. des § 57 Nr. 1 FGO behandeln durfte. Das folgt daraus, dass bereits die Einspruchsentscheidung gegen die Partenreederei ergangen war und aus diesem Grunde für den Klageweg dieselben Erwägungen zur Möglichkeit einer Gegenwehr zutreffen, wie sie für die Revision angestellt worden sind. Das FG hat jedoch zu Unrecht eine materiell-rechtliche Überprüfung des streitbefangenen Feststellungsbescheides auf den 1. Januar 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vorgenommen, anstatt sich auf die Frage zu beschränken, ob die Einspruchsentscheidung gegen die Partenreederei MS X ergehen durfte und gegen wen der Feststellungsbescheid gerichtet ist. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Der erkennende Senat kann zwar selbst feststellen, dass die Einspruchsentscheidung zu Unrecht gegen die Partenreederei MS X ergangen ist. Diese war weder Inhaltsadressat des streitbefangenen Feststellungsbescheides, noch stand ihr eine Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu, noch war der Einspruch in ihrem Namen eingelegt worden. Der Klägerin ist jedoch im Hinblick auf § 76 Abs. 2 FGO Gelegenheit zu geben, ihren Klageantrag auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung zu beschränken.

aa) Der Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1990 ist mit einer gemäß § 119 Abs. 1 AO 1977 hinreichenden Bestimmtheit gegen B und den Beigeladenen gerichtet. Die vom FA gewählte Formulierung, der Bescheid gelte "für die Partenreederei MS X sowie für deren nachstehend genannte Gesellschafter/Gemeinschafter", lässt in Verbindung mit der weiteren Aussage, dass er "mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergehe", sowie in Verbindung mit der Tatsache, dass der festgestellte Einheitswert nur unter B und dem Beigeladenen aufgeteilt und nur ihnen anteilig zugerechnet worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. September 1986 VIII R 267/80, BFH/NV 1987, 15), nur die Auslegung zu, dass diese als Feststellungsbeteiligte auch die (einzigen) Inhaltsadressaten sein sollen. Die Ansprache der B und des Beigeladenen als Inhaltsadressaten ist auch zutreffend. Denn bei dem Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens handelt es sich um einen einheitlichen Bescheid gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, der nach seinem Inhalt und der erstrebten Wirkung gegen die (ehemaligen) Mitreeder zu richten war (BFH-Urteil vom 22. November 1968 III R 37/68, BFHE 94, 523, BStBl II 1969, 260; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 179 AO 1977 Anm. 8).

bb) Gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 steht die Einspruchsbefugnis gegen derartige einheitliche Einheitswertbescheide dem zur Vertretung berufenen Geschäftsführer oder einem Einspruchsbevollmächtigten i.S. des Abs. 2 der Vorschrift für die Gesellschaft/Gemeinschaft zu. Die Vollbeendigung der Partenreederei MS X hat aber zur Folge, dass diese als Träger einer Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ausscheidet, weil sie ihre Handlungsfähigkeit verloren hatte. Insofern gilt dasselbe wie für Personengesellschaften, die durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters handelsrechtlich vollbeendet sind (s. zur insoweit vergleichbaren Klagebefugnis: Urteil des BFH vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333, sowie Tipke/Kruse, a.a.O., § 48 FGO Anm. 15).

cc) Der Einspruch war auch nicht von der Partenreederei MS X eingelegt worden. Er war zwar unter dem Betreff "Partenreederei MS X" eingelegt worden; daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass diese auch Einspruchsführerin sein sollte. Die Formulierung kann vielmehr auch als Hinweis auf das frühere Gesellschafts-/Gemeinschaftsverhältnis verstanden werden, auf das bezogen zumindest ein früherer Mitreeder persönlich Einspruch einlegen wollte. Für diese Auslegung spricht, dass im Betreff auch die Steuernummer der Einheitswertakte genannt wird und diese Steuernummer gemäß den obigen Ausführungen zum zutreffenden Inhaltsadressaten nicht für die Partenreederei als solche, die insoweit nicht Steuersubjekt ist, sondern für die Mitreeder als Feststellungsbeteiligte vergeben ist. Etwa verbleibende Unsicherheiten in der Bestimmung des Einspruchsführers dürfen nicht zu Lasten der ehemaligen Mitreeder gehen, da diese Unsicherheiten vom FA zu vertreten wären, das im Feststellungsbescheid neben den Mitreedern auch die Partenreederei nennt.

b) War somit das Ergehen der Einspruchsentscheidung gegen die Partenreederei MS X unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zutreffend, hätte das FG die Einspruchsentscheidung aufheben müssen, ohne dabei auf die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides einzugehen. Der Klägerin ist Gelegenheit zu geben, im zweiten Rechtsgang ihren Klageantrag auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung zu beschränken (§ 76 Abs. 2 FGO). Sollte sie ihren Klageantrag nicht auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken, wäre die Klage mit dem weitergehenden Antrag auf Änderung des streitbefangenen Feststellungsbescheides mangels Rechtsschutzbedürfnisses (§ 40 Abs. 2 FGO) abzuweisen.

c) Vor einer Entscheidung des FA über den somit im Verhältnis zu den zutreffenden Einspruchsführern noch offenen Einspruch ist zunächst zu klären, ob B allein oder beide ehemaligen Mitreeder als Einspruchsführer anzusehen sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bislang nicht festgestellt ist und sich auch den Akten nicht entnehmen lässt, ob der Feststellungsbescheid auf den 1. Januar 1990 dem Beigeladenen bekannt gegeben worden ist (§ 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1 AO 1977). Ausweislich der Akten ist die Bekanntgabe an die B als Empfangsbevollmächtigte u.a. der "nachstehend genannten Gesellschafter" der Partenreederei erfolgt. Dazu gehört auch der Beigeladene. Es ist aber nicht ersichtlich, woraus sich die Berechtigung der B, den Bescheid auch für den Beigeladenen entgegenzunehmen, ergeben soll. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass B i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zur gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt war. Frühere Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens waren dem steuerlichen Berater zugesandt worden. Eine Empfangsvollmacht gemäß § 183 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO 1977 scheidet nach Abs. 2 der Vorschrift aus, weil dem FA bekannt war, dass die Partenreederei MS X mit dem Ausscheiden des vorletzten Mitreeders vollbeendet worden ist. Zwar sieht Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift wiederum vor, dass Abs. 2 in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift nicht eingreift; jedoch ist nicht festgestellt, ob eine dafür erforderliche rechtsgeschäftliche Empfangsvollmacht --also eine Empfangsvollmacht, die sich nicht lediglich aus der gesellschaftsrechtlichen Vertretungsbefugnis oder aus einem Verwaltungsakt des FA ergibt (vgl. dazu Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 183 Anm. 17)-- vorlag. Sollte es an einer Bekanntgabe des Feststellungsbescheides gegen den Beigeladenen fehlen, wäre der Bescheid nur gegenüber B wirksam geworden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Juni 1992 IV R 87/90, BFH/NV 1993, 457). Die Bekanntgabe an den Beigeladenen wäre ggf. nachzuholen.

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