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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.07.2008
Aktenzeichen: II R 36/07
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2
Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrages dann nicht mehr entgegen, wenn dem Veräußerer bereits eine Löschungsbewilligung erteilt ist und er von dieser frei und unbeeinflusst durch den Ersterwerber Gebrauch machen kann.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der die H GmbH (H) mit 90 % und S mit 10 % beteiligt waren; Alleingesellschafterin der H ist FS, die Tochter des S. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Februar 2003 erwarb die Klägerin von der luxemburgischen T S.A. (T) ein Grundstück. Bei Abschluss dieses Kaufvertrages handelte S auf Erwerberseite als Geschäftsführer sowohl der H als auch der Klägerin. Zugunsten der Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 16. April 2003 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... € fest. Die Steuerfestsetzung wurde bestandskräftig.

Am 12. Juni 2003 trat T wegen Nichtzahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben. Dazu legte sie die Abschrift einer notariell beglaubigten Erklärung vom 14. November 2003 vor, in der sie die Löschung der Auflassungsvormerkung bewilligte und die T die Löschung im Grundbuch beantragte. Diese Erklärung war jedoch nicht dem Grundbuchamt zur Eintragung übersandt worden. Die Klägerin behauptet, die Löschungsbewilligung sei aufgrund eines Sekretariatsversehens nicht an das Grundbuchamt, sondern an die T übermittelt worden.

Durch weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Januar 2004 wurde das Grundstück zusammen mit einem benachbarten Grundstück zu einem nahezu unveränderten Preis von T an H verkauft. Für T handelte dabei S, der aufgrund zweier Vollmachten aus den Jahren 1997 und 2001 umfassend zur Vertretung der T in Grundstücksangelegenheiten befugt war. Auf Seiten der H traten sowohl S als auch FS auf. In derselben Urkunde bewilligten S und FS die Löschung der noch zugunsten der Klägerin eingetragenen Auflassungsvormerkung. H wurde nach Löschung der Auflassungsvormerkung als Eigentümerin eingetragen.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2004 lehnte das FA die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids ab, da die Auflassungsvormerkung bei Abschluss des zweiten Kaufvertrages noch im Grundbuch eingetragen und der Klägerin das weitere Schicksal des Grundstücks nicht gleichgültig gewesen sei. Ferner habe S den Geschehensablauf umfassend beherrschen können, da er nicht nur Geschäftsführer der Klägerin und der H, sondern auch Bevollmächtigter der T gewesen sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Steuerfestsetzung könne nicht gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben werden, da der Erwerb vom 26. Februar 2003 nicht vollständig rückgängig gemacht worden sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt weiter.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids vom 11. Oktober 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2005 das FA zu verpflichten, den Steuerbescheid vom 16. April 2003 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dem Ersterwerber sei mit einer Auflassungsvormerkung selbst dann noch eine der Anwendung des § 16 GrEStG entgegenstehende Rechtsposition verblieben, wenn er die Löschung der Auflassungsvormerkung bereits bewilligt habe und der Veräußerer über die Löschungsbewilligung frei verfügen könne.

1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

Ein Erwerbsvorgang ist dann "rückgängig gemacht", wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. März 1994 II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413; vom 19. März 2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom 21. Februar 2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; vom 25. April 2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726; vom 14. November 2007 II R 1/06, BFH/NV 2008, 403; BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 II B 67/05, BFH/NV 2006, 615).

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (vgl. BFH-Urteile vom 8. März 1995 II R 42/92, BFH/NV 1995, 924; vom 16. Februar 2005 II R 53/03, BFHE 209, 158, BStBl II 2005, 495; BFH-Beschluss vom 10. Juli 1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61). Dies erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770). Eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt nämlich die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 61; vom 21. Januar 2005 II B 165/03, BFH/NV 2005, 2049).

Diese Beeinträchtigung entfällt jedoch, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war sie aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der T bereits im November 2003 eine Löschungsbewilligung übersandt worden war und ob T --ggf.-- frei und unbeeinflusst durch die Klägerin bzw. die für diese handelnden Personen über diese Löschungsbewilligung verfügen konnte. Dies ist nachzuholen. Dabei wird zu würdigen sein, dass diese Löschungsbewilligung erst längere Zeit nach Rücktritt der T vom Kaufvertrag --nämlich erst am 14. November 2003-- erteilt worden sein soll und dass die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht aufgrund dieser Löschungsbewilligung, sondern erst aufgrund der zusammen mit dem Kaufvertrag vom 22. Januar 2004 notariell beurkundeten Löschungsbewilligung erfolgte. Diese zweite Löschungsbewilligung war selbst nicht geeignet, der Auflassungsvormerkung die Wirkung zu nehmen, einer (vollständigen) Rückgängigmachung des Ersterwerbs entgegen zu stehen, da sie zeitgleich mit der Weiterveräußerung in derselben Urkunde erteilt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 2006 II R 8/05, BFH/NV 2007, 273).

Ende der Entscheidung

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