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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: II R 37/05
Rechtsgebiete: GrEStG, BewG


Vorschriften:

GrEStG § 3 Nr. 2
GrEStG § 6 Abs. 2
GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BewG § 138
1. Erwirbt ein Gesellschafter einer Personengesellschaft deren Gesamthandsvermögen durch Schenkung der Anteile der anderen Gesellschafter zu Alleineigentum, ist ein dabei erfolgender Übergang von Grundstücken aus dem Gesellschaftsvermögen in das Alleineigentum des Gesellschafters nach Maßgabe des § 3 Nr. 2 und des § 6 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei.

2. Liegt in einem solchen Fall eine gemischte Schenkung an den Erwerber vor, sind als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die um den Anteil des Erwerbers am Gesellschaftsvermögen verminderten Grundbesitzwerte anzusetzen, soweit sie nach schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen dem entgeltlichen Teil des Erwerbs entsprechen.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und sein Bruder (B) waren je zur Hälfte an einer vermögensverwaltenden GbR beteiligt, zu deren Gesellschaftsvermögen in den Bezirken verschiedener Finanzämter belegene Grundstücke gehörten. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. April 2001 vereinbarten die Gesellschafter, dass die GbR mit Wirkung zum 1. Mai 2001 aufgelöst werde und B dabei seine Beteiligung an der GbR mit allen damit verbundenen Aktiven und Passiven auf den Kläger übertrage und an ihn abtrete. Der Kläger verpflichtete sich zu bestimmten Zahlungen an B und an Dritte.

Das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt kam im Schenkungsteuerbescheid vom 12. Dezember 2003 zu dem Ergebnis, dass dieser Vorgang als eine gemischte Schenkung von B an den Kläger bzw. als eine Schenkung unter einer Leistungsauflage zu beurteilen sei, und setzte als Verkehrswert der Leistung des B einen Betrag von 3 702 702 DM und als Verkehrswert der Gegenleistungen des Klägers einen Betrag von 2 980 857 DM an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer für den Erwerb der früher im Gesamthandsvermögen der GbR befindlichen Grundstücke durch den Kläger gesondert fest. Er begründete die Grunderwerbsteuerbarkeit mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und verneinte die Anwendbarkeit von § 3 Nr. 2 GrEStG. Als Bemessungsgrundlagen der Steuer stellte das FA jeweils die Hälfte der von den Lagefinanzämtern nach § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellten Grundstückswerte (Summe: 4 155 000 DM) fest, insgesamt also 2 077 500 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) stellte mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1639 veröffentlichten Urteil die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer dem Klageantrag entsprechend auf den Teil des Verkehrswerts der vom Kläger zu erbringenden Gegenleistungen, der nach seiner Ansicht auf den Grundstückserwerb entfällt, nämlich 66,37 v.H. von 2 980 857 DM = 1 978 347 DM fest und verteilte diesen Betrag nach dem Verhältnis der Verkehrswerte auf die vom Kläger erworbenen Grundstücke. Zur Begründung führte es aus, die in § 3 Nr. 2 GrEStG vorgesehene Steuerbefreiung für Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) müsse über den Wortlaut hinaus auch in Fällen der vorliegenden Art angewandt werden. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer seien danach die schenkungsteuerrechtlich zu berücksichtigenden Gegenleistungen und Auflagen, soweit sie auf das erworbene Grundvermögen entfielen.

Das FA vertritt mit der Revision die Auffassung, § 3 Nr. 2 GrEStG sei dem Wortlaut nach nicht anwendbar, da es sich schenkungsteuerrechtlich um eine Abtretung von Gesellschaftsrechten und nicht um eine Grundstücksschenkung handle. Die Anwendung der Vorschrift sei auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Entscheidungsgründe ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts; die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Ansicht des FG, die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sei auch in Fällen der vorliegenden Art anwendbar, ist zutreffend. Seine Steuerberechnung entspricht jedoch nicht der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Im Ergebnis wirkt sich der Rechtsfehler nicht zu Ungunsten des FA aus.

1. Wird im Rahmen der Auflösung einer Personengesellschaft einer der Gesellschafter durch Anwachsung entsprechend § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Inhaber des gesamten Gesellschaftsvermögens einschließlich des Grundbesitzes, ist der dadurch bewirkte Übergang des Grundbesitzes aus dem Gesamthandsvermögen in das Alleineigentum des Gesellschafters nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. September 1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903; vom 16. Juli 1997 II R 27/95, BFHE 183, 259, BStBl II 1997, 663). Dieser Erwerb ist jedoch gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG (vorbehaltlich § 6 Abs. 4 GrEStG) grunderwerbsteuerfrei, soweit der Übernehmende am Vermögen der Gesamthand beteiligt war. Soweit der Anwachsung des Gesellschaftsvermögens eine freigebige Zuwendung des Anteils eines anderen Gesellschafters zugrunde liegt, tritt ferner nach Maßgabe des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grunderwerbsteuerfreiheit ein. Nach dieser Vorschrift sind u.a. Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen.

Der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass grunderwerbsteuerrechtlich ein Übergang der Grundstücke aus dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft in das Alleineigentum des Erwerbers vorliegt, während der Schenkungsteuer die freigebige Zuwendung des Gesellschaftsanteils an den Erwerber unterliegt. Dabei handelt es sich um rechtstechnische Anknüpfungspunkte, denen im Hinblick auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer einerseits und Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden, keine Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1963 II 155/60 U, BFHE 77, 706, BStBl III 1963, 579; vom 25. November 1964 II 34/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1965, 227). Der in § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG verwendete Begriff "Grundstücksschenkungen unter Lebenden" ist daher nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Sie gilt vielmehr aufgrund ihres soeben erwähnten Zwecks, eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden, auch dann, wenn Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer Personengesellschaft ist.

2. Hat der Gesellschafter, der das gesamte Gesellschaftsvermögen zu Alleineigentum übernimmt, dafür im Rahmen einer gemischten Schenkung Gegenleistungen zu erbringen, ist § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur auf den unentgeltlichen Teil des Erwerbs anwendbar. Der entgeltliche Teil des Erwerbs unterliegt der Grunderwerbsteuer, soweit nicht andere Befreiungsvorschriften eingreifen.

Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bilden dabei allerdings entgegen der Auffassung des FG nicht die vom Erwerber zu erbringenden Gegenleistungen, soweit sie auf den Grundbesitz entfallen, sondern die festgestellten Grundbesitzwerte (§§ 138 ff. BewG), soweit sie weder dem bisherigen Anteil des Erwerbers am Vermögen der Gesamthand noch dem unentgeltlichen Teil des Erwerbs entsprechen. Die Maßgeblichkeit der festgestellten Grundbesitzwerte ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG in der im Streitfall anwendbaren Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I, 402; vgl. § 23 Abs. 6 Satz 1 GrEStG).

Nach dieser Vorschrift wird die Steuer u.a. "bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage" nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. Derartige Erwerbsvorgänge sind solche Grundstücksübergänge zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, durch die die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert wird (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 54/02, BFHE 201, 326, BStBl II 2003, 483). Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn im Rahmen der Auflösung einer Personengesellschaft einer der Gesellschafter durch Anwachsung entsprechend § 738 BGB oder Gesamtrechtsnachfolge Inhaber des gesamten Gesellschaftsvermögens einschließlich des Grundbesitzes wird. § 8 Abs. 2 GrEStG ist eine Sonderregelung zu § 8 Abs. 1 GrEStG, wonach sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemisst. Dies schließt es aus, in den genannten Fällen die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistungen oder Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG), zu bemessen.

3. Im Streitfall sind danach als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht die vom Kläger zu erbringenden Gegenleistungen heranzuziehen, soweit sie dem erworbenen Grundbesitz zuzuordnen sind, sondern die Hälfte der für die Grundstücke festgestellten Bedarfswerte, soweit sie dem entgeltlichen Teil des Erwerbs entsprechen. Danach ergibt sich folgende Steuerberechnung:

Die Hälfte der gesondert festgestellten Grundstückswerte von 4 155 000 DM, also 2 077 500 DM, ist mit dem Verkehrswert der Gegenleistungen des Klägers (2 980 857 DM) zu multiplizieren und durch den Verkehrswert der Leistungen des B (3 702 702 DM) zu teilen. Das Ergebnis von 1 672 489 DM ist niedriger als die vom FG antragsgemäß festgestellte Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer von 1 978 347 DM. Die Revision des FA erweist sich somit im Ergebnis als unbegründet.

Ende der Entscheidung

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