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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.01.2003
Aktenzeichen: II R 40/00
Rechtsgebiete: GewStG, KStG, BewG


Vorschriften:

GewStG § 3 Nr. 9
GewStG § 12 Abs. 5
KStG § 6 Abs. 5
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e
BewG § 19 Abs. 4
BewG § 106 Abs. 3
BewG § 106 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Unterstützungskasse in der Rechtsform einer GmbH. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das jeweils mit dem 30. September endet. Zum Schluss des Wirtschaftsjahres 1992/93 war ihr Vermögen ohne Berücksichtigung künftiger Kassenleistungen erstmals höher als das um 25 v.H. erhöhte zulässige Kassenvermögen i.S. des § 4d des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das diese Grenze übersteigende Vermögen machte zum 30. September 1993 6,64 v.H. des vorhandenen Vermögens aus. Dadurch entfiel gemäß § 6 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anteilig nicht nur die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG, sondern auch die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der 1993 geltenden Fassung.

Um den Steuermessbetrag nach dem Gewerbekapital berechnen zu können, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 4. September 1997 einen Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993, mit dem er den Einheitswert für Zwecke der Gewerbesteuer auf ... DM feststellte. Den Betrag errechnete er gestützt auf § 12 Abs. 1 Satz 2 und § 14 Abs. 2 Satz 2 GewStG durch Anwendung des Satzes von 6,64 v.H. auf das --die maßgebliche Grenze noch nicht übersteigende-- Vermögen vom 30. September 1992. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, gemäß § 19 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der damals geltenden Fassung habe auf den 1. Januar 1993 noch kein Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens ergehen dürfen, weil zu diesem Zeitpunkt bzw. zum 30. September 1992 noch keine Überdotierung vorgelegen habe, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 637 veröffentlichten Urteil aus, anders als bei einem erst während des Erhebungszeitraums gegründeten Betrieb habe die Klägerin bereits vor dem Erhebungszeitraum einen Gewerbebetrieb unterhalten. Dies ergebe sich bereits aus ihrer Rechtsform. Dass gleichwohl in der Vergangenheit keine Einheitswerte des Betriebsvermögens festgestellt worden seien, habe lediglich an der Gewerbesteuerbefreiung gelegen. Diese sei aber gemäß § 6 Abs. 5 KStG i.V.m. § 3 Nr. 9 GewStG rückwirkend für den Erhebungszeitraum 1993 entfallen, weil ihr Vermögen am Ende des Wirtschaftsjahres 1992/93 die Grenze des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG überschritten habe. Das Gewerbekapital zu Beginn dieses Erhebungszeitraums wiederum sei das gemäß § 12 Abs. 5 GewStG maßgebliche Kapital. Durch die in § 6 Abs. 5 KStG vorgeschriebene partielle Steuerpflicht solle nur ein rechnerisch ermittelter Einkommensanteil erfasst werden und nicht etwa der Teil des Einkommens, der tatsächlich mit dem übersteigenden Vermögen erwirtschaftet worden ist. Übertragen auf die Besteuerung des Gewerbekapitals sei es daher nicht systemwidrig, den Anteilssatz auf ein Vermögen zu Beginn des Erhebungszeitraums anzuwenden, das seinerseits noch nicht überdotiert gewesen sei. Dass die anteilige Vermögensteuerpflicht erst in dem Jahr einsetzt, das auf das Jahr der Überdotierung folgt, beruhe auf der ausdrücklichen Anordnung in § 3 Abs. 1 Nr. 5 des bis Ende 1996 anwendbaren Vermögensteuergesetzes (VStG). Eine vergleichbare Regelung fehle aber für die Gewerbesteuer. Ließe man die Berücksichtigung der Überdotierung des Vermögens erst auf den nachfolgenden Stichtag zu, könnte sie sich gewerbesteuerrechtlich nur insoweit auswirken, als sie zum Ende des nachfolgenden Erhebungszeitraums noch besteht. Sie müsste also in mindestens zwei aufeinander folgenden Erhebungszeiträumen gegeben sein.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 19 Abs. 4 BewG. Gemäß dieser Vorschrift sei kein Einheitswert des Betriebsvermögens festzustellen, wenn zum Feststellungszeitpunkt kein steuerpflichtiges Betriebsvermögen vorgelegen habe. Der Feststellung eines Einheitswerts ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 seien gemäß § 106 Abs. 3 und 4 BewG die Verhältnisse vom Abschlusstag des 30. September 1992 zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber ein überdotiertes Vermögen nicht bestanden. Folglich lasse sich auf den 1. Januar 1993 auch kein steuerpflichtiger Anteil des Vermögens ermitteln. Die Übertragung des für Ende September 1993 ermittelten Anteils des übersteigenden Vermögens auf die Verhältnisse zu Ende September 1992, verstoße gegen das Stichtagsprinzip. Dem ermittelten Anteil komme daher für den Erhebungszeitraum 1993 nur ertragsteuerliche Bedeutung zu. Bezüglich der Gewerbekapitalsteuer sei dagegen der Eintritt der partiellen Steuerpflicht der Klägerin im Erhebungszeitraum 1993 mit einer Neugründung des Gewerbebetriebs im Jahr 1993 vergleichbar. Zwar habe bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums ein Gewerbebetrieb bestanden, jedoch noch kein gewerbekapitalsteuerpflichtiges Vermögen vorgelegen. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG sei durch diesen Umstand zwingend vorgegeben. Dass eine vergleichbare Vorschrift für die Gewerbesteuer fehle, sei darin begründet, dass sie in Gestalt der Gewerbeertrag- und Gewerbekapitalsteuer auf zwei Komponenten beruhe. Daraus folge dann allerdings, dass eine Besteuerung des Gewerbekapitals nur möglich sei, wenn das überdotierte Vermögen für mindestens zwei aufeinander folgende Erhebungszeiträume bestanden habe.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 vom 4. September 1997 und die Einspruchsentscheidung vom 10. September 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 ist zu Recht ergangen.

1. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG ist für inländische Gewerbebetriebe, wozu gemäß den §§ 95, 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auch die Gesamtheit aller Wirtschaftsgüter zählt, die einer GmbH mit Sitz im Inland gehören, ein Einheitswert festzustellen. Dies gilt nach § 19 Abs. 4 BewG allerdings nur, wenn und soweit die Feststellung für die Besteuerung von Bedeutung ist. Daran fehlt es, wenn der Inhaber des Betriebsvermögens von den einheitswertabhängigen Steuern befreit ist. Von einem Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 abhängig sind die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer, und zwar Letztere insoweit, als sie auf das Gewerbekapital erhoben wird. Infolgedessen hat die Feststellung eines Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 zu unterbleiben, wenn der Inhaber des Betriebsvermögens für den Veranlagungszeitraum bzw. Erhebungszeitraum 1993 sowohl von der Vermögensteuer als auch von der Gewerbesteuer befreit ist. Unbeachtlich ist, ob die Steuerbefreiung über den gesamten mit dem 1. Januar 1993 beginnenden Hauptfeststellungszeitraum hinweg Bestand hat, da ggf. gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 BewG eine Nachfeststellung vorgenommen werden kann.

2. Im Streitfall war die Klägerin in 1993 zwar gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e und § 6 Abs. 5 KStG vollen Umfangs von der Vermögensteuer befreit, aber gemäß § 3 Nr. 9 GewStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e und § 6 Abs. 5 KStG nur partiell von der Gewerbesteuer.

a) § 3 Nr. 9 GewStG bestimmt, dass rechtsfähige Unterstützungskassen i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG von der Gewerbesteuer befreit sind, soweit sie die Voraussetzungen einer Körperschaftsteuerbefreiung erfüllen. Rechtsfähige Unterstützungskassen, die wie die Klägerin ihren Leistungsempfängern keinen Rechtsanspruch gewähren, sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG von der Körperschaftsteuer befreit, wenn am Schluss des Wirtschaftsjahres ihr Vermögen ohne Berücksichtigung künftiger Kassenleistungen nicht höher als das um 25 v.H. erhöhte zulässige Kassenvermögen i.S. des § 4d EStG ist. Übersteigt das Vermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres diesen Betrag, ist die Kasse gemäß § 6 Abs. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig, soweit ihr Einkommen anteilig auf das übersteigende Vermögen entfällt. Die Aufteilung des Einkommens in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil hat dabei nach dem rechnerischen Verhältnis des übersteigenden Vermögens zum Gesamtvermögen der Kasse zu erfolgen und nicht nach der wirtschaftlichen Zuordnung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 1991 I R 4/89, BFHE 165, 387, BStBl II 1992, 98, unter II. 1. c).

b) Die Vermögensverhältnisse zum Ende eines Wirtschaftsjahres entscheiden somit über das Bestehen und den Umfang einer Körperschaftsteuerpflicht für den Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§§ 8 Abs. 1, 49 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Infolge der Verweisung in § 3 Nr. 9 GewStG gilt dies auch bezüglich der Gewerbesteuerpflicht für den Erhebungszeitraum i.S. des § 14 Abs. 2 GewStG, in dem das Wirtschaftsjahr endet, und zwar nicht nur bezüglich der Gewerbesteuer auf den Gewerbeertrag, sondern --mangels ausdrücklicher gesetzlicher Ausnahmeregelung-- auch bezüglich der Steuer auf das Gewerbekapital. § 106 BewG steht dem nicht entgegen.

c) § 106 Abs. 3 BewG sieht für Betriebe, die regelmäßig jährliche Abschlüsse auf einen anderen Tag als auf den Schluss eines Kalenderjahres machen, vor, auf Antrag die Verhältnisse zum Schluss des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht. Für Stichtage ab dem 1. Januar 1993 macht das Antragserfordernis wegen der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz gemäß den §§ 95, 109 BewG keinen Sinn mehr (so Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Anhang § 106 Anm. 4). Auch bei Anwendung des § 106 Abs. 3 BewG ab dem 1. Januar 1993 auf alle Sachverhalte eines abweichenden Wirtschaftsjahres ergeben die §§ 3 Nr. 9, 14 Abs. 2 GewStG im Streitfall die Notwendigkeit, auf den 1. Januar 1993 einen Einheitswert des Betriebsvermögens für die Klägerin festzustellen.

d) Gemäß § 106 Abs. 4 BewG gilt nämlich der gemäß Abs. 3 der Vorschrift auf den Abschlusszeitpunkt ermittelte Einheitswert des Betriebsvermögens als Einheitswert vom Feststellungszeitpunkt. Der Feststellungszeitpunkt aber ist der Beginn des Erhebungszeitraums, dessen kalendermäßige Jahresbezeichnung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 GewStG) mit der des Feststellungszeitpunkts identisch ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 GewStG). Indem nun für die Frage der partiellen Gewerbesteuerpflicht wegen der Verweisung des § 3 Nr. 9 GewStG auf die §§ 5 und 6 KStG auf die Höhe des Vermögens der Unterstützungskasse zum Ende eines Wirtschaftsjahres abzustellen ist, folgt daraus bei einem in 1993 endenden Wirtschaftsjahr und einer dabei sich ergebenden Überdotierung der Kasse, dass gewerbesteuerrechtlich der Erhebungszeitraum 1993 betroffen ist und daher auf den Beginn --nämlich den 1. Januar 1993-- eine Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu erfolgen hat (so Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Stand November 1990, § 3 Anm. 47 d; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1999, § 3 Anm. 142; namenloser Beitrag in Der Betrieb --DB-- 1978, 1154; a.A. Hauck in DB 1980, 511). Darin liegt kein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip. Die Überdotierung der Kasse im Verlauf des Wirtschaftsjahres beeinflusst nicht den Wert des Betriebsvermögens zu Beginn des Erhebungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr geendet hat, sondern lediglich die Notwendigkeit, einen solchen Einheitswert auf diesen Zeitpunkt festzustellen.

e) Für eine Übertragung der Grundsätze, die bei Neugründung eines Gewerbebetriebs während des laufenden Erhebungszeitraums gelten, gibt es angesichts der gänzlich anderen rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage keine Veranlassung. Bei einer Neugründung kann nicht auf ein vorhandenes früheres Betriebsvermögen zurückgegriffen werden.

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