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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: II R 40/03
Rechtsgebiete: VermG, VZOG


Vorschriften:

VermG § 1
VermG § 1 Abs. 6
VermG § 3 Abs. 1 Satz 2
VermG § 34 Abs. 3
VermG § 34 Abs. 3 Satz 1
VermG § 34 Abs. 3 Satz 2
VZOG § 1b Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Seit 1931 waren V und dessen Sohn S, bei denen es sich um Berechtigte i.S. des § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes (VermG) handelte, zu je 1/2 Eigentümer eines in Berlin belegenen Grundstücks. Während der nationalsozialistischen Diktatur wurde zunächst die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet; im Jahr 1940 wurde es durch Abwesenheitspfleger an einen Dritten veräußert. Dessen Vermögen wurde von den Behörden der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR eingezogen und das Grundstück in Eigentum des Volkes überführt.

V war nach Großbritannien, S in die USA emigriert; er wurde später Staatsbürger der USA. V wurde im Jahr 1951 von S und dessen zwei Geschwistern beerbt; Alleinerbin des im Jahr 1975 verstorbenen S ist dessen Ehefrau E.

Nach Art. 3 Abs. 9 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche --Vermögensregelungsabkommen-- vom 13. Mai 1992 (BGBl II 1992, 1223) gingen u.a. die Rechte der E an dem Grundstück gegen Zahlung eines pauschalen Abfindungsbetrags auf die Bundesrepublik (die Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) über. Dies stellte die Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin am 19. November 1997 durch einen auf § 1b Abs. 3 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) gestützten Vermögenszuordnungsbescheid fest.

Am 18. Mai 1998 erging ein Restitutionsbescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen, mit dessen Bestandskraft das Eigentum an dem Grundstück zur einen Hälfte auf die Klägerin und zur anderen Hälfte auf zwei natürliche Personen sowie die Klägerin in ungeteilter Erbengemeinschaft überging.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Im Einspruchs- und Klageverfahren begehrte die Klägerin vergeblich die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1566 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 34 Abs. 3 VermG.

Die Klägerin beantragt,

das FG-Urteil sowie den Bescheid vom 23. März 1999, die Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2001 und den Änderungsbescheid vom 9. Januar 2002 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Erwerb der Klägerin ist gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG grunderwerbsteuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Erben hinsichtlich der nach dem VermG erfolgenden Grundstückserwerbe von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt nach § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG jedoch nicht für Personen, die ihre Berechtigung durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben, und deren Rechtsnachfolger.

Die Klägerin hat ihre Berechtigung durch den Anspruchsübergang nach Art. 3 Abs. 9 des Vermögensregelungsabkommens --eines völkerrechtlichen Vertrages, der durch das Zustimmungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1992, 1222) in nationales Recht transformiert worden ist-- erworben. Der auf diesem Anspruchsübergang beruhende Grundstückserwerb ist nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG begünstigt.

Die Begünstigung ergibt sich daraus, dass § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG bei der vom FA vertretenen engen Auslegung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG keinen eigenen Anwendungsbereich hätte. Denn wenn --neben ihren Erben-- nur solche Personen in den Genuss der Steuerbefreiung kommen könnten, die selbst Opfer einer Unrechtsmaßnahme i.S. des § 1 VermG geworden sind, gäbe es keine Notwendigkeit, Personen, die ihre Berechtigung durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt haben, ausdrücklich und zusätzlich von der Steuerbefreiung auszunehmen. Bei objektiver Betrachtung des Zusammenspiels der Sätze 1 und 2 des § 34 Abs. 3 VermG ergibt sich vielmehr, dass es neben den "Erben" i.S. des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG --zu denen die Klägerin nicht gehört-- und den in § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG genannten Personen --zu denen die Klägerin ebenfalls nicht gehört-- noch eine weitere Gruppe der durch § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG Begünstigten gibt. Dazu gehört die Klägerin aufgrund ihres gesetzlichen Anspruchserwerbs nach dem Vermögensregelungsabkommen.

Das Ergebnis stimmt mit den Vorstellungen überein, von denen sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG hat leiten lassen. Die Neufassung diente ausweislich der Erwägungen des Bundestags-Rechtsausschusses (BTDrucks 12/6228, 106) dem Zweck, Personen, die ihren Anspruch aufgrund eines rechtsgeschäftlichen oder vergleichbaren Rechtsakts i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG (Abtretung, Verpfändung, Pfändung) erlangt haben, aus dem Anwendungsbereich der Steuerbefreiung auszuschließen. Das gesetzgeberische Ziel, den Handel mit Restitutionsansprüchen grunderwerbsteuerlich nicht zu begünstigen, wird durch die Einbeziehung der gesetzlichen Anspruchserwerbe nach dem Vermögensregelungsabkommen nicht gefährdet. Denn diesem Abkommen liegt derselbe Wiedergutmachungsgedanke zugrunde wie dem VermG.

2. Die Steuerbefreiung wird im Streitfall nicht durch § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG ausgeschlossen, weil die Klägerin ihre Berechtigung nicht durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung, sondern durch einen gesetzlichen Anspruchsübergang erlangt hat, der nicht von dieser Norm erfasst wird.

Ende der Entscheidung

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