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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: II R 43/04
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die "Gesellschaft bürgerlichen Rechts S" (S-GbR) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 15. Februar 1994 einen in X gelegenen, aus mehreren Grundstücken (im zivilrechtlichen Sinne) bestehenden Grundbesitz mit mehreren zum Teil aneinander gebauten Mehrfamilienhäusern zu einem Kaufpreis von 2,7 Mio. DM. An der S-GbR waren seinerzeit die PR-GmbH, diese jedoch nur treuhänderisch für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), und der Bauunternehmer B mit jeweils 40 % sowie C und D mit jeweils 10 % beteiligt. Gesellschaftszweck sollte der Erwerb des Grundbesitzes in X, dessen Sanierung bzw. Bebauung, Vermietung und dauerhafte Verwaltung sein.

Am 13. April 1995 wurde die Klägerin unter Auflösung des Treuhandverhältnisses anstelle der PR-GmbH Gesellschafterin der S-GbR. Am selben Tage vereinbarten die Gesellschafter der S-GbR die Realteilung des Grundbesitzes entlang der Grundstücksgrenzen mit Ausnahme eines Grundstücksteils, der durch die Gesellschaft selbst bebaut und vermietet werden und deswegen im Gesamthandseigentum verbleiben sollte. Die Teilung des Grundbesitzes sollte ohne Ausgleichszahlungen erfolgen, da die zugeteilten Grundstücke dem Wert nach den Anteilen der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen entsprachen. Es wurde vereinbart, die gesamten Bau- und Renovierungsmaßnahmen als einheitliche Maßnahme und zu einheitlichen Kosten von der Gesellschaft durchführen zu lassen und die Gesamtkosten den einzelnen Grundstückseigentümern anteilig nach dem Maßstab der ihnen gehörenden Nutzflächen zuzuordnen und in Rechnung zu stellen. Die Gesellschaft konnte bis zum Ende des Jahres 2006 nur aus wichtigem Grund, später mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Die Geschäftsführung der S-GbR sollte durch einen oder mehrere Gesellschafter wahrgenommen werden. Zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten sollte --allerdings nur für "Routineangelegenheiten"-- jeder Gesellschafter berechtigt sein. Geschäftsführer und Vertreter waren nicht berechtigt, die übrigen Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen hinaus auch hinsichtlich ihres Privatvermögens zu verpflichten; hierzu sollten sie der schriftlichen Einwilligung bedürfen.

Im Zuge der Realteilung erwarb die Klägerin von der S-GbR durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13. April 1995 mehrere Grundstücke, u.a. eines in Größe von 524 qm mit aufstehendem Mehrfamilienhaus (Hausnummer 29a). Eine Gegenleistung (Ausgleichszahlung) sollte die Klägerin nicht erbringen.

Mit Vertrag vom 2. Juli 1995 beauftragte die Klägerin die PR-GmbH mit der Sanierung des Mehrfamilienhauses mit der Hausnummer 29a. Als Pauschalpreis wurde ein Betrag von 1 203 451,92 DM zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der PR-GmbH war die Klägerin. Diesem Vertragsabschluss vorausgegangen waren Angebote der PR-GmbH vom 5. und 7. Juni 1995 an die S-GbR, die die Sanierung des Gesamtobjektes betrafen. Der S-GbR lagen Vergleichsangebote anderer Generalübernehmer vor. Zur gleichen Zeit kam es auch zum Abschluss von Generalübernehmerverträgen zwischen der PR-GmbH und den übrigen Mitgesellschaftern der S-GbR in Bezug auf diejenigen Mehrfamilienhäuser, die diesen im Zuge der Realteilung übertragen worden waren. Den Verträgen lagen niedrigere Pauschalpreise zu Grunde als den früheren Globalangeboten der PR-GmbH.

Wegen des Grunderwerbs der Klägerin im Zuge der Realteilung (Vertrag vom 13. April 1995) setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 12. Juli 1996 nach einer Gegenleistung von 1 690 200 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 33 804 DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gegen die Klägerin fest. Er ging dabei davon aus, dass die Klägerin das Grundstück mit saniertem Gebäude erworben habe, und rechnete auch die Sanierungskosten zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung.

Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin, die Grunderwerbsteuer ohne Berücksichtigung der Sanierungskosten festzusetzen. Mit Entscheidung vom 20. Dezember 1999 erhöhte das FA die festgesetzte Grunderwerbsteuer, hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Als Gegenleistung legte es zum einen den auf das streitige Grundstück entfallenden Anteil am Kaufpreis (2,7 Mio. DM) der Altbausubstanz (257 184 DM) und des Grund und Bodens (66 453 DM) und zum anderen die Sanierungskosten einschließlich Umsatzsteuer (1 383 968 DM) zu Grunde und setzte ausgehend von einer Gesamtbemessungsgrundlage von 1 707 605 DM sowie Anwendung eines Steuersatzes von 2 % die Grunderwerbsteuer auf 34 152 DM fest.

Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Einbeziehung der Sanierungskosten in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung und beantragte, die Grunderwerbsteuer auf 3 309 € herabzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und antragsgemäß die Steuer herabgesetzt. Es hat hierzu die Auffassung vertreten, dass die Sanierungskosten nicht zur Gegenleistung für die Grundstücksübertragung auf die Klägerin gehören. Die Klägerin habe das Sanierungskonzept selbst beeinflusst und mit erarbeitet. Die Sanierung sei gemeinsam von den Gesellschaftern der S-GbR in gesamthänderischer Verbundenheit betrieben worden. Von der "Hinnahme" eines vorbereiteten Geschehensablaufs könne keine Rede sein.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das FG habe die Anwendung der Grundsätze des einheitlichen Vertragswerkes zu Unrecht verneint. Die Tatsache, dass die Klägerin auch Gesellschafterin der veräußernden S-GbR sei, führe nicht zu einer eigenen Sanierung durch die Klägerin. Denn hierfür sei grunderwerbsteuerrechtlich Personenidentität notwendig. Im Übrigen lägen genügend Indizien für einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grunderwerbsvertrag und dem später abgeschlossenen Sanierungsvertrag vor. Die Klägerin selbst habe kein eigenes Angebot eingeholt, sondern lediglich die S-GbR. Der parallele Geschehensablauf bei den anderen Erwerbern sei ein starkes Indiz für die Einheitlichkeit der Verträge. Die Klägerin sei lediglich in ein bereits vorbereitetes Konzept zur Sanierung eingetreten.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, allein der Umstand, dass die Klägerin das Sanierungskonzept selbst beeinflusst und mit erarbeitet habe, schließe die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes "saniertes Grundstück" aus. Die Vorentscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

a) Der für den Umfang der Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Leistungsgegenstand (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2004 II R 12/03, BFHE 208, 51, BStBl II 2005, 220, und vom 21. September 2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, beide mit weiteren Nachweisen).

Ein solcher sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde (BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, unter II.3.a).

Treten in einem solchen Fall auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 72/87, BFH/NV 1991, 344, und II R 145/87, BFH/NV 1991, 345, sowie vom 21. April 1999 II R 29/98, BFH/NV 1999, 1507, unter II.1.b) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663, unter II.1., m.w.N., und vom 21. September 2005 II R 49/04, BFH/NV 2006, 683, unter II.1.a aa). Eines schriftlichen Vertrags zwischen den auf der Veräußererseite verbundenen bzw. auftretenden Personen bedarf es nicht (BFH-Urteil vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446, m.w.N.). Vielmehr genügt ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken. Der bloße Hinweis auf eine Kaufgelegenheit oder einen Generalübernehmer oder Bauunternehmer reicht hingegen nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, unter II.1.a aa).

Darüber hinaus wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt (BFH-Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, und vom 15. März 2000 II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240, unter II.1.c).

Die durch die Annahme eines solchen einheitlichen Angebots ausgelöste Indizwirkung für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Kauf- und Bauvertrag gilt auch dann, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten. Denn die Abgabe eines einheitlichen Angebots durch eine von mehreren auf der Veräußererseite handelnden Personen ist kaum denkbar, ohne dass dem eine Abstimmung mit den übrigen Personen zugrunde liegt oder das Grundstück dem Handelnden vom Eigentümer anderweitig "an die Hand" gegeben worden ist.

Entgegen der Auffassung des FG kommt es hierbei nicht darauf an, ob die bis (annähernd) zur Baureife gediehene Vorplanung inhaltlich maßgebend von der Erwerberseite mit beeinflusst oder gar veranlasst worden ist. Denn hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob der Abschluss des Grundstückskaufvertrags an die Beauftragung eines bestimmten Bauunternehmers gekoppelt ist, macht es keinen Unterschied, ob der Erwerber das einheitliche Angebot der Veräußererseite unverändert übernimmt oder ob er der Veräußererseite konkrete Vorgaben macht, die dann zur Grundlage für das einheitliche, vom Erwerber akzeptierte Angebot über den Erwerb von Grundstück und Gebäude werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, unter II.1.a bb). Die Mitwirkung der Klägerin an dem Sanierungskonzept schließt deshalb nicht von vornherein einen einheitlichen Erwerbsgegenstand "saniertes Grundstück" aus.

b) Unabhängig davon ergeben aber die mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den BFH bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG keinen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Vertrag über den Erwerb des Grundstücks zwischen der Klägerin und der S-GbR einerseits und dem Sanierungsvertrag zwischen der Klägerin und der PR-GmbH andererseits.

aa) Die Klägerin war insbesondere gegenüber einer einheitlich agierenden Veräußererseite (hier: S-GbR und PR-GmbH) hinsichtlich der Sanierung der Altbausubstanz im Zeitpunkt des Abschlusses des Grunderwerbsvertrages (13. April 1995) nicht gebunden. Das FG hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin selbst erst mit dem Abschluss des Sanierungsvertrages am 2. Juli 1995 gegenüber der PR-GmbH gebunden hat.

Im Streitfall gibt es nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür, dass ein konkretes Sanierungskonzept unter Beteiligung der PR-GmbH bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstücksübertragungsvertrags vorlag, dem sich die Klägerin wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Einbindung in die S-GbR nicht mehr entziehen konnte. Insbesondere konnte weder die PR-GmbH als Gesellschafterin der S-GbR noch die Klägerin oder ein anderer Gesellschafter nach den Geschäftsführungs- und Vertretungsregelungen im Gesellschaftsvertrag der S-GbR ohne Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter Sanierungsaufträge (möglicherweise auch an sich selbst) erteilen.

Für eine Bindung der Klägerin reicht es im Übrigen auch nicht aus, dass sie sich gesellschaftsvertraglich bereits vor Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages dazu verpflichtet hat, zusammen mit den übrigen Mitgesellschaftern der S-GbR die gesamten Bau- und Sanierungsmaßnahmen an allen Gebäuden als einheitliche Maßnahme und zu einheitlichen Kosten durchzuführen und die notwendigen Einlagen entsprechend ihrer Beteiligungsquote an die S-GbR zu erbringen. Auch reicht es nicht aus, wenn die an der Bebauung Interessierte (hier die PR-GmbH) für sich davon ausging, die Klägerin werde die zur Sanierung erforderlichen Verträge nur mit ihr abschließen (BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 II R 71/93, BFH/NV 1995, 335).

bb) Es gibt nach den Tatsachenfeststellungen des FG auch keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die PR-GmbH allein oder im Zusammenwirken mit der S-GbR bis zum Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages der Klägerin aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung das Grundstück mit saniertem Gebäude zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten und die Klägerin dieses mit dem Abschluss der Verträge vom 13. April 1995 (Grunderwerb) und 2. Juli 1995 (Sanierung) als einheitliches angenommen hat. Für die Bewertung des Geschehens durch das FA, die Klägerin sei lediglich in ein bereits vorbereitetes Konzept zur Sanierung eingetreten, fehlen die tatsächlichen Grundlagen. Diese können auch nicht durch das Indiz "paralleler Geschehensablauf" ersetzt werden.

Ende der Entscheidung

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