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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.05.2005
Aktenzeichen: II R 57/03
Rechtsgebiete: BewG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

BewG § 138 Abs. 5
BewG § 138
BewG § 138 Abs. 2
BewG § 138 Abs. 3
BewG § 2 Abs. 1
FGO § 42
AO 1977 § 351 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist neben seinem Bruder X zu 1/2 Miterbe nach seiner am ... Januar 1999 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich ein Grundstück, welches die beiden Miterben zum Zwecke der Nachlassteilung in zwei gleich große Parzellen (Flurstück Nr. 1 und 2) aufgeteilt haben. Mit "Erbauseinandersetzungsvertrag" vom 9. März 2000 übertrugen die beiden Brüder "handelnd als Erbengemeinschaft" je 1/2 Miteigentumsanteil an der Parzelle 2 an den Kläger sowie seine Ehefrau sowie je 1/2 Miteigentumsanteil an der Parzelle 1 an den Bruder des Klägers sowie dessen Ehefrau. Nach Ziffer 3 des Vertrages wurde "eine Gegenleistung für diese Übertragung ausdrücklich nicht vereinbart".

Das Schenkungsteuerfinanzamt ersuchte den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die beiden Parzellen, weil es in der Übertragung der Miteigentumsanteile jeweils eine (wechselseitige) Schenkung an Bruder und Schwägerin in Höhe von jeweils 1/4 der übertragenen Parzelle sah. Das FA stellte durch Bescheid vom 9. März 2001 den Grundbesitzwert für den vom Bruder erworbenen Miteigentumsanteil an der unbebauten Parzelle 2 auf 40 500 DM (entspricht 1/4 des Grundbesitzwerts für die gesamte Parzelle) gegenüber dem Kläger auf den Stichtag "9. 3. 2000" gesondert fest.

Die nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, es liege überhaupt keine Schenkung vor, weil die Übertragungen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erfolgt seien, hatte aus anderen Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 166 veröffentlichten Entscheidung Bescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben, weil nach seiner Auffassung der Bedarfswert für die Parzelle 2 einheitlich gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau hätte festgestellt werden müssen.

Mit der Revision rügt das FA u.a. fehlerhafte Anwendung von § 138 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Auffassung des FG, bei der Schenkung von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück zugunsten mehrerer Bedachter sei der Grundstückswert diesen gegenüber einheitlich festzustellen, kann nicht gefolgt werden. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 18. August 2004 II R 22/04 (BFHE 207, 48, BStBl II 2005, 19) ausgeführt hat, ist eine einheitliche Feststellung der Grundbesitzwerte nach § 138 BewG auf die Fälle beschränkt, in denen der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung --AO 1977--). Bei freigebiger Zuwendung eines Grundstücks an mehrere Bedachte zu Miteigentum fehlt es aber an dieser Voraussetzung. Denn Gegenstand der Feststellung ist in diesen Fällen der jeweils in Einzelrechtsnachfolge erworbene Anteil am Grundstück und nicht das Grundstück als Ganzes. Daher sind so viele gesonderte Feststellungen vorzunehmen, wie schenkweise Erwerbsvorgänge über Miteigentumsanteile verwirklicht worden sind.

Die gegenteilige Ansicht des FG lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf das Grundstück als einer im Ganzen zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen. Denn soweit § 138 Abs. 2, 3 und 5 BewG den Begriff der wirtschaftlichen Einheit verwenden, kann dieser nicht losgelöst von dem Erwerbsgegenstand im Sinne der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie ggf. der Grunderwerbsteuer ausgefüllt werden. Ist von vornherein nur ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück freigebig zugewendet worden, kann sich die Frage nach einer über diesen Anteil hinausgreifenden wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 2 Abs. 1 BewG nicht stellen; vielmehr bildet der Anteil selbst die wirtschaftliche Einheit gemäß § 138 BewG (vgl. hierzu die ausführliche Begründung des Senatsurteils in BFHE 207, 48, BStBl II 2005, 19).

2. Die Sache ist spruchreif.

Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Die angefochtene Feststellung des Grundbesitzwerts verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Selbst wenn eine (dem Rechtsmittelverfahren gegen den Folgebescheid vorbehaltene) Rechtsüberprüfung ergäbe, dass --wie der Kläger meint-- mit dem Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages vom 9. März 2000 ein schenkungsteuerbarer Vorgang nicht verwirklicht wurde, führte dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Grundlagenbescheides (Feststellung des Grundbesitzwerts). Denn dieser enthält keine Regelung des Inhalts, dass eine Schenkung an den Kläger vorliegt. Insofern schließt es § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO 1977 aus, erst im Folgebescheid zu treffende Entscheidungen (hier über die Steuerbarkeit des Vorgangs) bereits im Rechtsmittelverfahren gegen den Grundlagenbescheid, der nur eine Wert- und Zurechungsfeststellung enthält, anzugreifen.

Soweit § 138 Abs. 5 BewG die Feststellung von Grundbesitzwerten nur für zulässig erklärt, soweit diese für die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer "erforderlich" sind, ist dies nicht so zu verstehen, dass das Feststellungsfinanzamt vor der Wertermittlung materiell-rechtlich zu prüfen hätte, ob ein schenkungsteuerbarer Vorgang vorliegt. Vielmehr ist die Wertfeststellung für das Feststellungsfinanzamt jedenfalls im Regelfall immer dann i.S. von § 138 Abs. 5 BewG "erforderlich", wenn ein Finanzamt um die Feststellung eines solchen Werts für Zwecke einer beabsichtigten Steuerfestsetzung nachsucht. Denn ob ein "Bedarf" besteht und damit die Wertfeststellung "erforderlich" ist, entscheidet nicht das Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977), sondern allein das Erbschaftsteuerfinanzamt (§ 35 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.V.m. § 19 Abs. 1 AO 1977), und zwar nicht durch einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern durch einen verwaltungsinternen Vorgang (Anforderung des Grundbesitzwerts beim Lagefinanzamt). Dieses Verfahren schließt es jedenfalls im Regelfall aus, im Rechtsmittelverfahren gegen den Feststellungsbescheid die Steuerbarkeit betreffende materiell-rechtliche Einwände zu berücksichtigen.

Ob etwas anderes in den Fällen gilt, in denen die Feststellung des Grundbesitzwerts "unvertretbar" (Urteil des FG Nürnberg vom 7. August 2003 IV 140/2003, EFG 2004, 23) erscheint oder ein Fall objektiver Willkür (vgl. Moench, Erbschaftsteuergesetz, § 12 Abschnitt II 1 Rdnr. 8: "völlig aus der Luft gegriffen") vorliegt, kann dahinstehen, denn ein solcher Fall liegt hier erkennbar nicht vor. Bei allen im Streitfall bestehenden berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit der Rechtsauffassung des FA hinsichtlich der Steuerbarkeit des zur Schenkungsteuer herangezogenen Lebenssachverhalts kann von einer unvertretbaren oder objektiv willkürlichen Verfahrensweise nicht gesprochen werden. Wurde ein Lagefinanzamt vom Feststellungsfinanzamt aufgefordert, eine Wertfeststellung auf einen bestimmten Stichtag für eine beabsichtigte Steuerfestsetzung vorzunehmen, kann das Lagefinanzamt regelmäßig ohne weitere Prüfung davon ausgehen, dass die Feststellung des Grundbesitzwerts i.S. von § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG "erforderlich" ist.

Anhaltspunkte dafür, dass die Wertfestsetzung der Höhe nach fehlerhaft ist, sind nicht erkennbar und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.



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