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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: II R 8/04
Rechtsgebiete: ErbStG, BewG


Vorschriften:

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 10 Abs. 1 Satz 1
BewG § 9
BewG § 11 Abs. 2
Gründet ein Einzelunternehmer mit einem Angehörigen eine GmbH und bringt er dabei sein Unternehmen zu Buchwerten in die GmbH ein, kann darin eine freigebige Zuwendung des GmbH-Geschäftsanteils an den Angehörigen liegen, deren Wert dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des Geschäftsanteils nach der Einbringung des Unternehmens und der Stammeinlage des Angehörigen entspricht.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), sein Vater (V) und seine Mutter (M) schlossen am 30. November 1993 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Errichtung einer GmbH mit bar zu leistenden Stammeinlagen von 24 000 DM (Kläger), 8 000 DM (V) und 18 000 DM (M). Die Übertragung der Geschäftsanteile auf Dritte durch rechtsgeschäftliche Verfügung oder im Erbfall unterliegt vertraglichen Beschränkungen. Bei der Bemessung der Abfindung für ausscheidende Gesellschafter bleiben stille Reserven unberücksichtigt.

Mit einer weiteren, am selben Tag errichteten notariellen Urkunde vereinbarten der Kläger, V und M, nach rechtswirksamer Errichtung der GmbH durch Eintragung in das Handelsregister das Stammkapital um eine von V zu übernehmende Stammeinlage von 10 000 DM zu erhöhen. V leistete diese Stammeinlage wie vereinbart als Sacheinlage, indem er alle aktiven und passiven Wirtschaftsgüter des von ihm betriebenen Einzelunternehmens zu den in der Bilanz zum 31. Dezember 1993 ausgewiesenen Buchwerten mit Wirkung zum 1. Januar 1994 in die GmbH einbrachte. Soweit das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital die von V übernommene neue Stammeinlage überstieg, wurde es V als Darlehen gutgeschrieben. Die GmbH führte das Unternehmen mit den bisherigen Buchwerten fort.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm aufgrund der bei dem Einzelunternehmen zum Einbringungszeit-punkt vorhandenen erheblichen stillen Reserven an, es liege eine Schenkung von V an den Kläger und an M in Höhe der Unter-schiedsbeträge zwischen dem Nominalwert von deren Anteilen am Stammkapital der GmbH und dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten gemeinen Wert dieser Anteile von 1 216 DM je 100 DM Nominalwert nach der Einbringung des Einzelunternehmens vor, ermittelte danach einen Wert der Bereicherung des Klägers von 267 840 DM (1 216 DM x 240 = 291 840 DM ./. 24 000 DM) und setzte nach Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags gegen den Kläger Schenkungsteuer von 9 779 DM fest.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erklärte das FA den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid im Hinblick auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nach § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 574 veröffentlichten Urteil mit der Begründung statt, die Einbringung des Einzelunternehmens habe lediglich zu einer Erhöhung des Werts des dem Kläger bereits gehörenden Geschäftsanteils und nicht zu einer substantiellen Vermögensverschiebung geführt. Die Werterhöhung habe sich zudem nicht auf Kosten von V vollzogen und unterliege deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht der Schenkungsteuer (Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160, und vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. In der Einbringung des Einzelunternehmens des V in die GmbH liege eine freigebige Zuwendung an die übrigen Gesellschafter in der Form einer mittelbaren Schenkung, durch die diese auf Kosten von V bereichert worden seien. Der Wille des V zur Unentgeltlichkeit sei ebenfalls gegeben gewesen. Das FA beruft sich dazu auch auf R 18 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 Nr. 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass in den am selben Tag getroffenen Vereinbarungen über die Errichtung der GmbH und die Kapitalerhöhung keine freigebige Zuwendung unter Lebenden, durch die der Kläger auf Kosten von V bereichert wurde (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), lag. Das FA hat die Schenkungsteuer auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

1. Die am 30. November 1993 getroffenen Vereinbarungen über die Errichtung der GmbH und die Einbringung des Einzelunternehmens des V in die GmbH bildeten ein einheitliches Rechtsgeschäft und hatten zur Folge, dass der Kläger seinen Geschäftsanteil an der GmbH mit dem gemeinen Wert nach der Einbringung des Unternehmens in die GmbH von V geschenkt erhalten hat.

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (BFH-Urteile vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460; vom 6. März 2002 II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030, und vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188). Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll. Entscheidend für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist indes, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker --endgültig-- tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG in der jeweils geltenden Fassung anknüpft (BFH-Urteil in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, m.w.N.). Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteil in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188).

Eine freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt über das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale die Verwirklichung eines subjektiven Tatbestands voraus. Es genügt dabei, wenn sich der Zuwendende der (Teil-) Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst ist. Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reicht regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hingegen nicht an. Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, ist dabei regelmäßig prima facie zu unterstellen. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht ("animus donandi") ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BFHE 183, 253, BStBl II 1997, 832, m.w.N.).

b) Der Kläger hat nach diesen Grundsätzen seinen Geschäftsanteil an der GmbH von V geschenkt bekommen.

Der Vertrag über die Errichtung der GmbH und die Vereinbarung über die Kapitalerhöhung und die Einbringung des Unternehmens des V in die GmbH zu Buchwerten bilden ein einheitliches Rechtsgeschäft, da sie an ein und demselben Tag vor der Entstehung der GmbH durch Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) getroffen wurden und sich somit als bloße Teilakte eines einzigen, lediglich formal in getrennte Vereinbarungen aufgespaltenen Vorgangs darstellen, der auf die freigebige Zuwendung des Geschäftsanteils an den Kläger gerichtet war (vgl. Gebel in der Anmerkung zur Vorentscheidung, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --ZEV-- 2004, 298; zustimmend Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 7 ErbStG Rz. 182 d). Diese Gestaltung weicht dadurch entscheidungserheblich von dem Sachverhalt ab, der dem BFH-Urteil in BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616 zugrunde lag. Der damalige Kläger hatte seinen Anteil an der neu gegründeten GmbH bereits erworben, als der Betriebsüberlassungs- und Pachtvertrag abgeschlossen wurde, der nach Ansicht des Finanzamts und des Finanzgerichts zu einer schenkungsteuerpflichtigen freigebigen Zuwendung an den Kläger geführt hatte. Der Vertragsabschluss hatte danach lediglich zu einer Erhöhung des Werts des dem Kläger bereits zustehenden Anteils an der GmbH geführt. Diese Werterhöhung hat der BFH als nicht schenkungsteuerpflichtig beurteilt.

Da der Kläger seinen Geschäftsanteil an der GmbH von V geschenkt erhalten hat, ist die vom FG herangezogene Rechtsprechung des BFH, wonach disquotale Einlagen eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, die zu einer bloßen Erhöhung des Werts der Gesellschaftsanteile anderer Gesellschafter führen, nicht der Schenkungsteuer unterliegen (BFH-Urteile in BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160, und in BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616), nicht einschlägig. Auf die hiervon abweichende Verwal-tungsauffassung (R 18 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 Nr. 2 ErbStR) braucht somit nicht eingegangen zu werden. Es muss auch nicht geprüft werden, ob diese Rechtsprechung mit dem BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94 (BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, Abschn. C.III.), wonach es sich bei dem gegenüber einer Kapitalgesellschaft ausgesprochenen Forderungsverzicht um eine schenkweise Zuwendung des Gläubigers an deren Gesellschafter handeln kann, vereinbar ist (vgl. dazu Groh, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1050, 1053).

Einer Schenkung des Geschäftsanteils durch V steht nicht entgegen, dass der Kläger den Anteil mit Eintragung der GmbH in das Handelsregister originär erworben hat. Der BFH hat dies für den originären Erwerb eines neuen Geschäftsanteils durch einen Dritten im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH für den Fall, dass der gemeine Wert des neuen Geschäftsanteils die zu leistende Einlage übersteigt, bereits entschieden (Urteile vom 20. Dezember 2000 II R 42/99, BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454, und vom 30. Mai 2001 II R 6/98, BFH/NV 2002, 26; vgl. dazu Viskorf, Finanz-Rundschau --FR-- 2001, 910). Für den Erwerb von Geschäftsanteilen bei Gründung einer GmbH gilt nichts anderes.

Der Kläger ist auch, wie es § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG voraussetzt, auf Kosten von V bereichert worden. V hat aufgrund der getroffenen Vereinbarungen sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in die GmbH eingebracht, ohne dass er dafür durch den Wert seiner Geschäftsanteile und das vereinbarte Darlehen eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Die in seinem Einzelunternehmen vorhandenen stillen Reserven kamen V selbst nach der Einbringung in die GmbH nur in dem Verhältnis zugute, in dem der Wert seiner Geschäftsanteile zum gesamten Stammkapital der GmbH stand.

c) V handelte auch mit dem Bewusstsein der Unentgeltlichkeit. Ihm war bekannt, dass in seinem Einzelunternehmen erhebliche stille Reserven vorhanden waren, dass deshalb der Geschäftsanteil des Klägers nach der Einbringung des Unternehmens in die GmbH zu Buchwerten einen weit über dessen Stammeinlage hinausgehenden Wert haben würde (vgl. auch Schreiben des Klägers vom 11. November 1998 an das FA) und dass er ohne die von ihm freiwillig getroffene Vereinbarung vom 30. November 1993 nicht zu der Einbringung verpflichtet gewesen wäre. Das reicht für die Annahme des Bewusstseins der Unentgeltlichkeit aus, ohne dass es darauf ankommt, welche konkreten Motive für V im Vordergrund standen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 26).

2. Die Höhe der vom FA festgesetzten Schenkungsteuer ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der steuerpflichtige Erwerb des Klägers ist seine Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), die im Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert seines Geschäftsanteils an der GmbH nach der Einbringung des Einzelunternehmens in diese (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--) und seiner Stammeinlage besteht, wie das FA zutreffend angenommen hat. Da sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten lässt, ist er nach § 12 Abs. 1a ErbStG in der im Jahr 1994 geltenden Fassung (heute § 12 Abs. 2 ErbStG) i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Das vom FA der Schätzung zugrunde gelegte Stuttgarter Verfahren ist eine den Anforderungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entsprechende Bewertungsmethode (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 II R 46/96, BFH/NV 1999, 17, m.w.N.). Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Verfügungsbeschränkungen für Übertragungen der Geschäftsanteile durch Geschäfte unter Lebenden und im Todesfall gehören zu den persönlichen Verhältnissen i.S. des § 9 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind. Die Gesellschafter sind diese Bindungen im eigenen und gegenseitigen Interesse eingegangen und können sie jederzeit wieder beseitigen. Ziel der Verfügungsbeschränkungen ist der Schutz der Gesellschaft gegen das Eindringen Dritter. Dieser Schutz dient mittelbar auch den Interessen der Gesellschafter. Der Anteilswert wird dadurch nicht beeinträchtigt (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 17). Bei der Stammeinlage handelt es sich nach der Rechtsprechung um gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG abziehbaren Erwerbsaufwand (BFH-Urteile in BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454, und in BFH/NV 2002, 26).

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