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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: II R 87/00
Rechtsgebiete: GrEStG 1983


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 1
GrEStG 1983 § 1 Abs. 6
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 3
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 4
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die A-GmbH war Eigentümerin eines im Inland belegenen Grundstücks. Alleingesellschafter der A-GmbH war Herr A. A war auch Alleingesellschafter der nach niederländischem Recht gegründeten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Am 31. Mai 1994 beschloss die Klägerin eine Kapitalerhöhung. Auch die neuen Anteile wurden an A ausgegeben. Als Gegenleistung verpflichtete sich A gegenüber der Klägerin, sämtliche Anteile an der A-GmbH auf die Klägerin zu übertragen.

Für diesen Vorgang setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 3. September 1996 Grunderwerbsteuer fest. Nach Auffassung des FA war der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) erfüllt.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass A aufgrund seiner Gesellschafterstellung in der A-GmbH bereits vor der Anteilsübertragung wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Daran habe sich durch Einlage der Anteile in die Klägerin nichts geändert, da er auch deren Alleingesellschafter sei. Der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück durch die die Gesellschaften beherrschende Person dürfe nur einmal besteuert werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Verpflichtung des A, alle Anteile an der A-GmbH auf die Klägerin zu übertragen, erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Oktober 1993 II R 116/90 (BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121) ergebe sich nichts anderes. Der BFH habe lediglich entschieden, dass eine unmittelbare Vereinigung aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft dann keine grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz habe, wenn dem Betreffenden die Anteile bereits zuvor teils mittelbar und teils unmittelbar zuzurechnen gewesen wären.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Gerügt wird Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bestätigt.

1. Der Rechtsvorgang vom 31. Mai 1994 unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 in der für den Streitfall maßgebenden Fassung der Grunderwerbsteuer. Nach dieser Vorschrift werden Rechtsgeschäfte besteuert, die den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft begründen, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Sämtliche tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Vorschrift sind im Streitfall erfüllt. Zum Vermögen der A-GmbH gehörte ein inländisches Grundstück. Alle Anteile an der A-GmbH waren in der Hand des A vereinigt. A verpflichtete sich, alle Anteile an der A-GmbH auf die Klägerin zu übertragen.

Die Tatsache, dass A nicht nur alleiniger Gesellschafter der A-GmbH, sondern auch der Klägerin war, schließt die Tatbestandsmäßigkeit der Anteilsübertragung nicht aus. Die Alleingesellschafterstellung des A bei beiden Gesellschaften lässt die zivilrechtliche Selbständigkeit der beteiligten natürlichen und juristischen Personen unangetastet. Auch für die grunderwerbsteuerliche Betrachtung ist daher von der Selbständigkeit dieser Personen auszugehen. Dies hat zur Folge, dass Rechtsvorgänge i.S. von § 1 GrEStG 1983 zwischen diesen selbständigen Personen notwendigerweise mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden sind und damit den Tatbestand erfüllen. So begegnet es keinem Zweifel, dass Eigentumsübertragungen an Grundstücken i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 sowohl zwischen den beiden Gesellschaften als auch zwischen den Gesellschaften und A der Grunderwerbsteuer unterliegen würden. Dies gilt auch für den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 3 bzw. 4 GrEStG 1983. Diese Vorschrift behandelt denjenigen, der infolge der Übertragung aller Anteile Alleingesellschafter einer Gesellschaft wird, so, als gehörten ihm diejenigen Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Die Übertragung vereinigter Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz ist mithin grunderwerbsteuerrechtlich so zu behandeln wie die Übertragung von Grundstückseigentum. Auch setzt eine Grunderwerbsteuerbarkeit nicht zwingend voraus, dass ein wirtschaftlicher Grundstücksumsatz vorliegt (vgl. zu Anteilsübertragungen zwischen Treuhändern desselben Treugebers BFH-Urteil vom 3. April 1974 II 186/65, BFHE 112, 531, BStBl II 1974, 643). Die Tatsache, dass der alle Anteile an einer Gesellschaft Übertragende zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist, steht einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nrn. 3 bzw. 4 GrEStG 1983 daher nicht entgegen (so bereits BFH-Beschluss vom 4. Dezember 1996 II B 110/96, BFH/NV 1997, 440; BFH-Urteil vom 30. März 1988 II R 81/85, BFHE 153, 239, BStBl II 1988, 682). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.

Entgegen der Auffassung der Revision wird diese Rechtsauffassung durch die BFH-Urteile in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121 und vom 12. Januar 1994 II R 130/91 (BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408) nicht in Frage gestellt. Die für den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 angestellten Überlegungen zum Verhältnis zwischen mittelbarer und unmittelbarer Anteilsvereinigung lassen sich auf den Tatbestand der Übertragung der vereinigten Anteile nach § 1 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 GrEStG 1983 nicht übertragen. Die Übertragung vereinigter Anteile zwischen Alleingesellschafter und GmbH ist stets mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden und damit grundsätzlich steuerbar.

2. Eine Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG 1983 kommt im Streitfall nicht in Betracht. Dem Erwerb der Klägerin nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 ist kein anderer Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG 1983 vorausgegangen. An den aufeinander folgenden Rechtsvorgängen muss auf der Erwerberseite dieselbe Person beteiligt sein --Erwerberidentität-- (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 177, m.w.N.). Dies ist im Streitfall nicht der Fall. Vor dem infrage stehenden Erwerbsvorgang war das Grundstück der A-GmbH der Klägerin unter keinem Gesichtspunkt grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen.

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