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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.11.2001
Aktenzeichen: II S 4/01 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, VStG, AO 1977, StGB


Vorschriften:

FGO § 35
FGO § 56
FGO § 114
FGO § 62a Abs. 1
FGO § 62a Abs. 2
FGO § 129 Abs. 1
FGO § 142 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 1
VStG § 10 Nr. 1
AO 1977 § 370
StGB § 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit Beschluss vom 4. Mai 2001 gab das Finanzgericht (FG) einem Antrag der Antragsteller, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer (Antragsteller) auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der am 15. September 1999 im Wege der Hauptveranlagung ergangenen Vemögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1989, 1993 und 1995 sowie der am 22. September 1999 im Wege einer Neuveranlagung ergangenen Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1991 und 1994 (nur) bezüglich der Bescheide auf den 1. Januar 1989 und 1991 statt. Im Übrigen wies es den Antrag zurück. Soweit es dem Antrag stattgab, verwies es zur Begründung auf seinen Beschluss in einer anderen Sache, und zwar den Beschluss vom 7. August 2000 1 V 161/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000, 1227), mit dem es die Vollziehung der dort streitbefangenen Vermögensteuerbescheide ausgesetzt hatte, weil aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juli 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) Vermögensteuerhinterziehungen strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden könnten und weil Zweifel am Hinterziehungsvorsatz bestünden. Nach Aktenlage gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die damaligen Steuerpflichtigen gewusst hätten, vermögensteuerpflichtig und bezogen auf die Hauptveranlagungszeitpunkte auch erklärungspflichtig gewesen zu sein.

Im Tenor des Beschlusses vom 4. Mai 2001 ließ das FG die Beschwerde zu. In den Gründen führte es aus, es weiche mit seiner Entscheidung bezüglich der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1989 und 1991 von dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Dezember 2000 II B 84/00 ab. Mit diesem hatte der BFH in einer dritten Sache einen Aussetzungsbeschluss des FG, der ähnlich begründet war wie derjenige vom 7. August 2000 1 V 161/00, aufgehoben, weil die genannte Entscheidung des BVerfG in BStBl II 1995, 655 die Strafbarkeit einer Vermögensteuerhinterziehung nicht ausschließe und das Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes nicht ernstlich zweifelhaft sei.

Gegen den Beschluss des FG vom 4. Mai 2001 legten zunächst der Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) und sodann die Antragsteller --letztere persönlich-- Beschwerde ein.

Mehrere Monate nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) haben die Antragsteller einen "Antrag auf Prozesskostenhilfe in Verbindung mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO in Bezug auf den ... Rechtsstreit" wegen AdV gestellt. Außerdem begehren sie die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist beigefügt worden.

II. Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des FG vom 4. März 2001 ist unbegründet, weil die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Verfahrensbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Streitfall hat die Beschwerde der Antragsteller keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

Vor dem BFH muss sich jeder Beteiligte durch eine nach § 62a Abs. 1 und 2 FGO vertretungsberechtigte Person bzw. Gesellschaft vertreten lassen. Das gilt nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift auch für die Einlegung der Beschwerde. Die Antragsteller gehören nicht zum Kreis der hiernach vor dem BFH Vertretungsberechtigten. Die Beschwerde wäre demnach unzulässig (§ 155 FGO i.V.m. § 574 Satz 2 ZPO). Es kann offen bleiben, ob den Antragstellern für die erneute Einlegung der Beschwerde durch eine vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft auf einen gleichzeitig gestellten Antrag nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist des § 129 Abs. 1 FGO gewährt werden könnte (vgl. Beschlüsse des BFH vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62, 63, und vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338), denn auch bei einer nach § 62a Abs. 1 und 2 FGO ordnungsgemäßen Vertretung der Antragsteller hätte ihre Beschwerde keine hinreichenden Erfolgsaussichten i.S. des § 114 ZPO. Der Beschwerde der Antragsteller fehlte es nämlich an der erforderlichen Zulassung durch das FG.

Gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO steht den Beteiligten gegen eine Entscheidung des FG über die AdV die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Hat das FG mit einem einzigen Beschluss über die AdV mehrerer Steuerbescheide entschieden, kann es die Zulassung der Beschwerde dahin beschränken, dass sie nur bezüglich einzelner, näher genannter Steuerbescheide gelten soll. Diese Beschränkung muss nicht bereits im Tenor enthalten sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Beschlüsse des BFH vom 13. Dezember 1989 X R 83/88, BFH/NV 1990, 548, 550, unter I.; vom 4. Oktober 1994 I B 56/94, BFH/NV 1995, 687, sowie vom 15. November 1997 IX B 73/97, BFH/NV 1998, 607). Im Streitfall hat das FG in den Gründen seiner Entscheidung eine derartige Beschränkung der Zulassung der Beschwerde vorgenommen, indem es ausdrücklich angegeben hat, dass der Zulassungsgrund einer Abweichung von dem genannten Beschluss des BFH vom 7. Dezember 2000 II B 84/00 ausschließlich die Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1989 und 1991 betrifft. Damit hat es die Beschwerde nur insoweit zugelassen, als es dem Aussetzungsbegehren der Antragsteller stattgegeben hat. Infolgedessen kann gegen den Aussetzungsbeschluss nur das FA Beschwerde einlegen.

2. Sollte sich der PKH-Antrag der Antragsteller auch auf die Rechtsverteidigung gegen die vom FA eingelegte Beschwerde beziehen, mangelte es insoweit ebenfalls an den gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO erforderlichen Erfolgsaussichten.

Wie der Senat mit Urteil vom 24. Mai 2000 II R 25/99 (BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378) entschieden hat, können bezogen auf alle vor 1997 verwirklichten Tatbestände Zuwiderhandlungen gegen das bisherige Vermögensteuerrecht nach wie vor strafrechtlich verfolgt werden. Der Beschluss des BVerfG in BStBl II 1995, 655 steht dem nicht entgegen. Zwar hat das BVerfG in dem Beschluss die Tarifvorschrift des § 10 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) in allen seit 1983 gültig gewesenen Fassungen für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erklärt; es hat aber zugleich die weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Tatbestände angeordnet. Diese Anordnung ist nicht auf das Steuerfestsetzungsverfahren beschränkt, sondern erfasst die Vorschriften des bisherigen Vermögensteuerrechts auch in ihrer Eigenschaft als Ausfüllungsnormen des § 370 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) hindert eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung nicht, weil der Umstand, dass das VStG ab dem 1. Januar 1997 nicht mehr anwendbar ist, die Gesetzeslage bezüglich früherer Zeiträume/Stichtage nicht verändert hat. Die gegen diesen Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1242/00 ist vom BVerfG durch Beschluss vom 10. Mai 2001 nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Im Rahmen eines Verfahrens wegen AdV, in dem lediglich aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden ist, bestehen nach Aktenlage für die Antragsteller auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten, ernstliche Zweifel an ihrem Hinterziehungsvorsatz zu wecken. Die Antragsteller bestreiten nicht die Anlage von Kapitalvermögen in Luxemburg; vielmehr beschränken sie sich auf die Geltendmachung eines Verwertungsverbots. Einkünfte aus dem nach Luxemburg verbrachten Kapital sind nicht erklärt worden. Soweit sie nunmehr mit Schriftsatz vom 6. November 2001 eine Geldanlage in Dänemark bestreiten und sich dabei auf eine Bescheinigung der A-Bank vom 31. Oktober 2001 berufen, geht aus dieser Bescheinigung lediglich hervor, dass gegenwärtig bei dieser Bank kein Konto unter dem Namen der Antragsteller geführt wird. Gewichtige Gründe, die vor diesem Hintergrund gegen das Vorliegen auch eines Hinterziehungsvorsatzes bezüglich der Vermögensteuer sprechen könnten, sind bislang nicht zu erkennen.

Auch soweit die Antragsteller zu ihrer Rechtsverteidigung ein Verwertungsverbot geltend machen, ergeben sich keine hinreichenden Erfolgsaussichten i.S. des § 114 ZPO.

3. Soweit die Antragsteller PKH für ein beabsichtigtes Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO beantragen, kann dem Antrag ebenfalls nicht entsprochen werden. Dabei kann auf sich beruhen, ob es den Antragstellern um eine Art einstweilige AdV oder um einen Rechtsschutz gegen drohende oder bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geht. Ein Antrag auf einstweilige AdV, der auf vorläufigen Rechtsschutz für die Dauer des Aussetzungsverfahrens abzielt (vgl. dazu Dumke in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 69 Anm. 20), wäre unzulässig. Eine einstweilige AdV sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Beschluss des BFH vom 18. Juli 1968 VII B 145-147/67, BFHE 93, 217, BStBl II 1968, 744). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel vorläufigen Rechtsschutzes gegen drohende oder bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wäre ungeachtet sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht beim BFH, sondern beim FG als dem Gericht erster Instanz zu stellen (§ 35 FGO). Dieses wäre dann das "Prozessgericht" i.S. des § 117 Abs. 1 ZPO, bei dem ein etwaiger Antrag auf PKH gestellt werden müsste.

4. Sollten die Antragsteller dahin zu verstehen sein, dass sie nicht lediglich PKH für einen künftig noch zu stellenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren, sondern dahin, dass sie den Anordnungsantrag bereits mit dem Antrag auf PKH verbinden wollten, wäre ein solcher Anordnungsantrag unzulässig, weil es an der sachlichen Zuständigkeit des BFH fehlte. Sachlich zuständig wäre --wie bereits zu 3. ausgeführt-- gemäß § 35 FGO das FG. Der Antrag auf PKH scheiterte dann gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO an den mangelnden Erfolgsaussichten des beim BFH gestellten Anordnungsantrags.



Ende der Entscheidung

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