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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: III B 100/04
Rechtsgebiete: AO 1977, InvZulG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 12 Nr. 5
AO 1977 § 164 Abs. 1
InvZulG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InvZulG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
InvZulG § 2 Satz 1 Nr. 1
InvZulG § 2 Satz 1 Nr. 2
InvZulG § 3 Satz 1 Nr. 4
InvZulG § 2 Abs. 2
InvZulG § 5 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine in den alten Bundesländern ansässige GmbH, beantragte unter der Anschrift "Betriebsstätte K, X-Straße 15" beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1996/1999 für die Kalenderjahre 1997 bis 2001. Für 1997 und 1998 begehrte sie eine Zulage in Höhe von 10 %, für 1999 in Höhe von 20 %, sowie für 2000 und 2001 in Höhe von 25 % aus Aufwendungen für die Herstellung von Tribünen.

Das FA setzte die Investitionszulagen zunächst antragsgemäß nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Aufgrund einer Außenprüfung setzte es unter Aufhebung der bisherigen Bescheide die Zulagen mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 für 1997 bis 2000 und mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 für 2001 auf 0 € fest und forderte die gezahlten Beträge zurück. Dagegen legte die Antragstellerin vergeblich Einsprüche ein. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Die Anträge, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen, lehnten FA und FG ab.

Das FG sah ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aus mehreren Gründen nicht als gegeben an: Die Anträge scheiterten bereits an den formellen Anforderungen. Die Antragstellerin unterhalte einen Mischbetrieb, in dem sie Tribünen verkaufe sowie innerhalb und außerhalb des Fördergebiets vermiete. Die den Anträgen beigegebenen Kostenaufstellungen mit einer Vielzahl von Belegen über den Erwerb von Einzelteilen, aber auch die Positionen "Arbeitslohn" und "Verwaltungskosten" erlaubten keine nachvollziehbare und unterscheidbare Zuordnung der Aufwendungen auf die für den Verkauf und die Vermietung innerhalb beziehungsweise außerhalb des Fördergebiets verwendeten Tribünen.

Auch sei die Voraussetzung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 (Zugehörigkeit zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet) nicht erfüllt. Bei der Lagerhalle in K handle es sich zwar um eine Betriebsstätte im Fördergebiet, nämlich um ein Warenlager nach § 12 Nr. 5 AO 1977, die Betriebsstätte der Geschäftsleitung liege jedoch außerhalb des Fördergebiets. Die in der Lagerhalle aufbewahrten Tribünenteile hätten nicht zum Anlagevermögen dieser Betriebsstätte gehört, denn die Verträge über die Vermietung von Tribünen innerhalb des Fördergebiets seien nicht von dort aus geschlossen worden. Der 1998 in das Fördergebiet gezogene Mitarbeiter sei kein für Vertragsabschlüsse zuständiger und zeichnungsbefugter Vertreter der Antragstellerin gewesen.

Die sog. Verbleibensvoraussetzung nach § 2 (Abs. 1) Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996/1999 sei ebenfalls nicht erfüllt. Zwar sei bei den Miet-Tribünen nicht erforderlich, dass sie ständig in der Betriebsstätte im Fördergebiet verblieben. Bei längerfristiger Vermietung bestehe ein Anspruch auf Investitionszulage aber nur, wenn auch der Mieter --hätte er investiert-- Anspruch auf Investitionszulage hätte. Da im Streitfall schon eine Identifizierung und Unterscheidung von Miet-Tribünenteilen nicht möglich sei, seien der genaue Zeitraum und der Verbleib der Tribünen nicht belegt. Nach den Speditionsrechnungen in der Betriebsprüfungshandakte über Transporte von Tribünenteilen aus dem Fördergebiet und in das Fördergebiet könnten Tribünen aus dem Fördergebiet auch längerfristig außerhalb des Fördergebiets eingesetzt worden sein. Aber selbst wenn die Tribünen über einen längeren Zeitraum bei dem Mieter S verblieben wären, sei nicht ersichtlich, ob dieser eine Investitionszulage bekommen hätte, wenn er selbst investiert hätte. Für die Jahre 1999 bis 2001 scheitere die Gewährung der Investitionszulage bereits daran, dass keine begünstigten Wirtschaftsgüter i.S. des § 2 Abs. 2 InvZulG 1999 vorlägen; die Betriebsstätte im Fördergebiet (Lagerhalle) stelle keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen dar und es handle sich auch nicht um einen "kleinen oder mittleren Betrieb des Handwerks".

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin sinngemäß geltend: Das FG habe bei der gebotenen vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht als möglich unterstellen dürfen, dass die Miettribünen auch außerhalb des Fördergebiets zum Einsatz gekommen seien. Auch habe es der Zuständigkeit für Vertragsabschlüsse über die Vermietung der Tribünen zu Unrecht Bedeutung beigemessen. Die Antragstellerin stelle Tribünen selbst her und veräußere diese. Die Produktion der für den S hergestellten Tribüne ab 1994 sei über mehrere Jahre verteilt gewesen. Eigentlich sei vorgesehen gewesen, auch diese Tribüne zu veräußern, lediglich aufgrund der Finanzschwäche in den neuen Bundesländern habe dann auf Vermietung umgestellt werden müssen, da der Veräußerungspreis von den Betreibern nicht auf einmal habe aufgebracht werden können. Im Hinblick auf die einmal vereinbarte langfristige Vermietung habe es keiner weiteren Entscheidungen über den Einsatz der Tribüne bedurft. Im Übrigen scheitere ein Verbringen in die alten Bundesländer schon an der Schwere der Tribünen, da es mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden sei. Zu den Feststellungen der Betriebsprüfung sei zu bemerken, dass immer wieder Ersatzteile aus dem alten Bundesgebiet zum S hätten verbracht werden müssen; auch seien bei Veranstaltungen am S, die über das übliche Maß hinausgegangen seien, zusätzliche weitere Tribünen aus dem Westen in das Fördergebiet verbracht worden. Auch verstoße die Rechtsprechung, nach der den Verbleibensvoraussetzungen besondere Bedeutung zukomme, wenn das Unternehmen über eine "West-Betriebsstätte" verfüge, gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Es müsse sichergestellt sein, dass Unternehmen, die außerhalb des Fördergebiets ihren Hauptsitz hätten, bei Investitionen in den Fördergebieten nicht schlechter gestellt würden als Unternehmen mit Hauptsitz im Fördergebiet.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Bescheide vom 16. und 18. Dezember 2003 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt. Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Investitionszulagenbescheide bestehen.

Das FA durfte die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Investitionszulagenbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 aufheben und die Investitionszulage jeweils auf 0 € festsetzen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1996 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).

a) Für die Aufwendungen zur Herstellung der Tribünen in den Jahren 1997 und 1998 hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Investitionszulage, weil die Tribünen nicht in einer Betriebsstätte i.S. des § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996 verblieben sind.

Für die Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter, die nach 1994 begonnen und vor 1999 abgeschlossen wird, steht dem Investor --unter weiteren Voraussetzungen-- eine Grundzulage in Höhe von 5 % zu, wenn sein Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe gehört und die hergestellten Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben (§ 2 Satz 1 Nr. 2, § 3 Satz 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1996).

Die Wirtschaftsgüter müssen zwar nicht in einem Betrieb (einer Betriebsstätte) des Anspruchsberechtigten verbleiben. Werden sie --wie im Streitfall-- innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums an einen anderen Betrieb vermietet, bleibt nach der Rechtsprechung des Senats der Anspruch auf Investitionszulage erhalten, wenn es sich entweder um eine nur kurzfristige Nutzungsüberlassung --bis zu drei Monaten-- handelt oder wenn der Mieter seinerseits --hätte er anstelle des Vermieters investiert-- eine Investitionszulage bekommen könnte (Senatsurteile vom 19. Februar 2004 III R 14/02, BFHE 204, 537, BStBl II 2004, 570, m.w.N., und vom 3. März 2005 III R 46/03, BFH/NV 2005, 1371).

Die von der Antragstellerin hergestellten Tribünen sind nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in ihrem Betrieb verblieben, sondern langfristig an die Betreiber des Sachsenrings vermietet worden. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen und es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Betrieb des S um einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes handelt, was nach § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Grundzulage gewesen wäre. Vielmehr ist der Beschwerdebegründung zu entnehmen, dass es sich um ein Dienstleistungsunternehmen handelt, das sportliche Großveranstaltungen durchführt.

Ein Anspruch auf die von der Antragstellerin beantragte erhöhte Investitionszulage nach § 5 Abs. 3 InvZulG von 10 % bestand schon deshalb nicht, weil dies vorausgesetzt hätte, dass die Tribünen drei Jahre in einem Betrieb der Antragstellerin verbleiben.

b) Für die Streitjahre 1999 bis 2001 scheitert der Anspruch der Antragstellerin auf die Investitionszulage daran, dass die Wirtschaftsgüter nicht mindestens fünf Jahre nach ihrer Herstellung in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes oder in Betrieben der produktionsnahen Dienstleistungen verblieben sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999). Wie unter II. 2. a dargelegt, handelte es sich bei dem Unternehmen, dem die Antragstellerin die Tribünen überlassen hat, um ein Dienstleistungsunternehmen, das sportliche Großveranstaltungen durchführt.

c) Auf die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Anforderungen an die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zu einer Betriebsstätte im Fördergebiet gleichheits- und damit verfassungswidrig überhöht sind, wenn die Betriebsstätte der Geschäftsleitung außerhalb des Fördergebiets liegt, kommt es im Streitfall nicht an.

Ende der Entscheidung

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