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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: III B 100/99
Rechtsgebiete: FGO, BGB, PartGG, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 132
FGO § 115 Abs. 3 Satz 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
FGO § 56 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
BGB § 133
PartGG § 2 Abs. 1 Satz 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 Satz 2
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 Satz 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Beamter im mittleren Staatsdienst. Mit Verfügung vom 2. Januar 1992 wurde er nach Berlin abgeordnet. Die Abordnung wurde mehrfach verlängert und dauerte bis zum ... Juni 1999 fort. Mit Schreiben vom 6. April 1992 beantragte der Kläger eine Zulage für Arbeitnehmer nach dem Berlinförderungsgesetz (BerlinFG). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte die Festsetzung der Zulage mit der Begründung ab, der Nachweis der behaupteten überwiegenden Dienstverrichtung in Berlin (West) sei vom Kläger nicht erbracht worden.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, das FA habe die Gewährung einer Zulage nach dem BerlinFG zu Recht abgelehnt und ließ die Revision nicht zu.

Die vom Kläger hierauf eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision trägt den Briefkopf der Partnerschaftsgesellschaft

"Dr. A ( Dr. B ( C & Partner Rechtsanwälte ( Notarin".

Als Prozessbevollmächtigte des Klägers sind im Rubrum der Nichtzulassungsbeschwerde genannt: "Dr. A, Dr. B, C + Partner, (Adresse)..." . Der Unterzeichner der Beschwerdeschrift, Rechtsanwalt Dr. B, hat die Beschwerde unter Beifügung der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht" und mit dem Zusatz der Gesellschaftsbezeichnung "Dr. A - Dr. B - C & Partner" gezeichnet. Der Antrag des Klägers, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen, ist in der "Ich-Form" formuliert.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da sie von einer postulationsunfähigen Partnerschaftsgesellschaft eingelegt worden sei.

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 14. Februar 2000 trägt der Kläger vor, der Zulässigkeit der Beschwerde stehe die Regelung zum Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) nicht entgegen.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war daher gemäß § 132 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.

1. Nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG muss sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH), wie dies auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil des FG hervorgeht, jeder Beteiligte --sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt-- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Fehlt es an der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen, ist die betreffende Prozesshandlung unwirksam (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 23. April 1999 VII B 300/98, BFH/NV 1999, 1361; Urteil vom 26. Februar 1999 XI R 66/97, BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363, ständige Rechtsprechung), und zwar auch dann, wenn --wie im Streitfall-- der Beschwerdeschriftsatz nicht direkt an den BFH, sondern gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 FGO an das FG gerichtet war und dort eingereicht wurde (vgl. Senatsentscheidung vom 29. Juli 1996 III R 11/96, BFH/NV 1997, 141).

2. Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision ist von einer Partnerschaftsgesellschaft vorgelegt worden; diese gehört nicht zu den nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG vor dem BFH vertretungsbefugten Personen (BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 I R 6/99, BFHE 189, 1, BStBl II 1999, 666; in BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363; BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1361).

Zurechnungssubjekt des prozessualen Handelns einer Partnerschaftsgesellschaft ist die Partnerschaft selbst als ein der juristischen Person weitgehend angenähertes eigenständiges Rechtsgebilde (BFH-Urteil in BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363). Legt eine Partnerschaftsgesellschaft ein Rechtsmittel ein, ist dieses selbst dann als unzulässig zu werten, wenn dabei ein der Gesellschaft angehörender Partner tätig wird, welcher als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater zu den vor dem BFH gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsberechtigten Berufsträgern gehört (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1361; BFH-Urteile in BFHE 189, 1, BStBl II 1999, 666; in BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363).

3. Die Beschwerde ist im Streitfall auch von der Partnerschaftsgesellschaft und nicht von dem unterzeichnenden Rechtsanwalt B eingelegt worden.

Die Frage, ob ein Rechtsmittel von dem geschäftsführenden Partner einer Partnerschaftsgesellschaft persönlich oder namens der Gesellschaft eingelegt worden ist, beurteilt sich entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anhand des Wortlautes der abgegebenen Erklärung bzw. des Schriftsatzes und ggf. unter Heranziehung von außerhalb der Erklärung liegender Begleitumstände (BFH-Beschlüsse vom 1. April 1996 X B 19/96, BFH/NV 1996, 701; vom 18. Januar 1993 I B 97/92, BFH/NV 1994, 649). Im Streitfall führt die Auslegung der Erklärung zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde von der Partnerschaftsgesellschaft "Dr. A, Dr. B, C & Partner Rechtsanwälte Notarin" eingelegt worden ist.

Die Partnerschaft ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG) eine Gesellschaft, in der sich Angehörige Freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen. Der Name der Partnerschaft enthält neben dem Namen mindestens eines Partners den Zusatz "und Partner" sowie die Berufsbezeichnungen aller in der Partnerschaft vertretenen Berufe (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartGG). Da der Briefkopf der Beschwerdeschrift als Absender des Schriftsatzes den Namen der Partnerschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 PartGG ausweist, ist die Beschwerde schon vor diesem Hintergrund als ein durch die Partnerschaftsgesellschaft eingelegtes Rechtsmittel zu deuten.

Besonderes Gewicht kommt sodann der Tatsache zu, dass im Rubrum der Beschwerde nicht der Unterfertigte, Rechtsanwalt B, sondern ausdrücklich die Partnerschaft als Prozessbevollmächtigte genannt ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561; vom 28. August 1991 I R 37/91, BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282). Auch der Umstand, dass der unterzeichnete Rechtsanwalt B den Antrag auf Zulassung der Revision in der "Ich-Form" formuliert hat, lässt insoweit keine andere Beurteilung zu, da der Schriftsatz abschließend --wiederum ausdrücklich-- für die Partnerschaft durch Rechtsanwalt B gezeichnet ist und B ausweislich der Fußzeile des Briefkopfes geschäftsführender Gesellschafter (Partner) der Partnerschaftsgesellschaft ist (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 1995 I B 8/95, BFH/NV 1996, 240). Die Zeichnung der Beschwerdeschrift durch Rechtsanwalt B unter dem Namen der Partnerschaft kann daher nur als Handeln für die Partnerschaftsgesellschaft gedeutet werden; denn im Interesse der Rechtsklarheit ist davon auszugehen, dass eine Erklärung, die auf dem Briefbogen einer Partnerschaft von deren vertretungsbefugtem Partner abgegeben wird, mangels irgendwelcher Einschränkungen als Erklärung der Partnerschaft zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363). Allein die Verwendung der "Ich-Form" --hier unter dem Briefkopf einer Partnerschaftsgesellschaft-- in der Beschwerdeschrift hindert im Streitfall nicht die Annahme, dass das Rechtsmittel namens der Gesellschaft eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19. März 1990 VIII R 64/89, BFH/NV 1990, 795). Vielmehr lässt der Umstand, dass der abschließenden Unterschrift der Zusatz "Dr. A, Dr. B, C & Partner" vorangestellt ist, erkennen, dass nicht der unterzeichnende Rechtsanwalt B, sondern die Gesellschaft die Beschwerde eingelegt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 1991 X R 166/90, BFH/NV 1991, 471).

Es kann offen bleiben, ob eine das Rechtsverhältnis der Partner untereinander betreffende Vertretungsregelung, wonach die Partnerschaftsgesellschaft Dr. A, Dr. B, C & Partner wirksam nur von zwei Partnern vertreten werden konnte, bestanden hat. Denn ein Verstoß gegen eine das Innenverhältnis betreffende Vertretungsregelung könnte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Wirksamkeit einer den Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG missachtenden Prozesshandlung begründen.

4. Die Erklärung der Partnerschaftsgesellschaft kann auch nicht in eine persönliche Erklärung des Rechtsanwalts B umgedeutet werden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Rechtsmittelführer dasjenige Rechtsmittel einlegen will, das zu dem erkennbar von ihm erstrebten Erfolg führt, jedoch sind prozessuale Erklärungen nur hinsichtlich ihres Inhalts der Umdeutung fähig, nicht auch hinsichtlich der Person des Erklärenden (BFH-Urteil in BFHE 188, 13, BStBl II 1999, 363, m.w.N., ständige Rechtsprechung; a.A. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Anm. 5).

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, im Verfahren erster Instanz sei nicht die Partnerschaft, sondern es seien lediglich die der Partnerschaft angehörenden Rechtsanwälte B, G und L bevollmächtigt gewesen; denn dieser Vortrag ist anhand der dem Senat vorliegenden Akten schon nicht nachzuvollziehen. Die sich in den FG-Akten befindliche Vollmachtsurkunde weist keine natürlichen Personen als Prozessbevollmächtigte aus; sie enthält vielmehr überhaupt keine Angaben zur Person des bzw. der Prozessbevollmächtigten. Die Vollmachtsurkunde ist jedoch mit einem am 25. September 1998 datierten Begleitschreiben vorgelegt worden, welches den Briefkopf der Partnerschaft trägt und von einer Rechtsanwältin unter dem Namen der Partnerschaft unterschrieben ist. Dies lässt, zusammen mit der Angabe der Bevollmächtigung für die Partnerschaft im Rubrum der Klageschrift vom 17. August 1998 nur den Schluss zu, dass die Partnerschaft selbst und nicht die der Partnerschaft angehörenden Rechtsanwälte B, G und L im Verfahren erster Instanz bevollmächtigt gewesen sind.

5. Die betreffende Prozesshandlung der Einlegung der Beschwerde ist nach alldem unwirksam, was zur Folge hat, dass die Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO versäumt wurde. In Fällen versäumter Fristen kann zwar grundsätzlich auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. August 1979 I R 95/76, BFHE 129, 1, BStBl II 1980, 47; vom 28. September 1995 X B 114/95, BFH/NV 1996, 241; BFH-Urteil in BFHE 189, 1, BStBl II 1999, 666), jedoch hat der Kläger innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO weder die Prozesshandlung ordnungsgemäß nachgeholt noch einen Antrag gestellt und Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft gemacht.

6. Da die Beschwerde bereits wegen des nicht beachteten Vertretungszwangs in Verfahren vor dem BFH unzulässig ist, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, inwieweit die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.

7. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG ohne Angabe weiterer Gründe.

Ende der Entscheidung

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