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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: III B 116/04
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

EStG § 26
EStG § 26b
AO 1977 § 164 Abs. 1
FGO § 76
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt für das Streitjahr 1993 die Durchführung der Zusammenveranlagung nach §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit seiner seit April 1993 von ihm geschiedenen früheren Ehefrau.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) entsprach dem Antrag auf Durchführung der Zusammenveranlagung zunächst. Der Einkommensteuerbescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Später hob das FA den Zusammenveranlagungsbescheid auf und führte im Anschluss daran Einzelveranlagungen durch. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensfehler.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Kläger hat die gerügten Verfahrensmängel nicht ausreichend dargelegt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Wird Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Finanzgerichts (FG) in Form eines Verstoßes gegen den Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608, und vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge.

Das Übergehen von Beweisanträgen kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat. Der Rügeberechtigte muss die Rüge sowie die übergangenen Beweisanträge zu Protokoll erklären (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 49; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Tz. 34, § 115 FGO Tz. 92).

2. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hat weder substantiiert dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt hat. Ausweislich des Sitzungsprotokolls sind außer den Sachanträgen ausdrücklich keine weiteren Anträge --also auch keine Beweisanträge-- gestellt worden. Darüber hinaus ist entgegen dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar, dass seine Kinder als Zeugen zur Richtigkeit seines Vorbringens angeboten worden wären. Im Gegenteil heißt es dazu im Sitzungsprotokoll ausdrücklich, dass die damaligen Kläger den Gedanken an eine Vernehmung ihrer Kinder verworfen hätten.

Ferner lässt sich der Darstellung des Klägers in der Beschwerdeschrift nicht entnehmen, dass die damaligen Kläger bzw. deren Prozessbevollmächtigter die Verwertung des Klägervortrags in den Familiengerichtsakten als Indiz gegen die Richtigkeit ihres nunmehr abweichenden Sachvortrags gerügt oder substantiierte Einwendungen dagegen erhoben hätten. Vielmehr haben der Kläger und seine Ehefrau im Einspruchsverfahren ausdrücklich ihr Einverständnis zu der Beiziehung der Akten des Familiengerichts erklärt. Auch aus diesem Grund ist eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht ausreichend bezeichnet (vgl. von Groll in Gräber, a.a.O., § 76 Rz. 20).

Soweit der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Beweisaufnahme durchführen müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jew. m.w.N.). Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist in diesem Zusammenhang nur gegeben, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat (Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 91).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers in seiner Beschwerdeschrift nicht.

Insbesondere ist nicht vorgetragen oder erkennbar, welche konkreten Möglichkeiten aus Sicht des FG bestanden haben, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären. Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben die damaligen Kläger gegenüber dem FG erklärt, über weitere Nachweise zum Beleg ihres --von dem Akteninhalt des Familiengerichts abweichenden-- Sachvortrags nicht zu verfügen. Ferner haben sie sich ausdrücklich auch gegen eine Vernehmung ihrer Kinder als Zeugen ausgesprochen. Deren Einvernahme als Zeugen wäre zwar auch gegen den erklärten Willen der Kläger möglich gewesen. Da die in den Jahren 1966 und 1969 geborenen Kinder aber im Streitjahr 1993 nicht mehr zu Hause wohnten, hätten diese zu der tatsächlichen Art des Zusammenlebens ihrer Eltern im Streitjahr aus eigener Anschauung keine Angaben machen können. Eine Vernehmung der Kinder als Zeugen wäre somit kein geeignetes Beweismittel gewesen und hat sich dem FG daher nicht aufdrängen müssen.

Eine Besichtigung des Einfamilienhauses hat sich nach Aktenlage dem FG schon deshalb nicht aufdrängen müssen, weil die tatsächlichen Verhältnisse der Räume im Keller und Erdgeschoss des damals von den Eheleuten bewohnten Einfamilienhauses aufgrund des übermittelten Grundrisses unstreitig waren. Zu der tatsächlichen Art des Zusammenlebens der Ehegatten zum maßgeblichen Zeitraum im Streitjahr 1993 hätte die Besichtigung der Räumlichkeiten im Jahr 2004 schon wegen des länger zurückliegenden Streitjahrs 1993 keine Anhaltspunkte ergeben können, zumal nicht vorgetragen war, dass die Einrichtung der Räume seit dieser Zeit unverändert geblieben war. Schließlich ist die Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach § 76 FGO gerade im Hinblick auf die Besichtigung des Einfamilienhauses auch begrenzt durch die verfahrensrechtlich gebotene Mitwirkung der Beteiligten. So ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, dass der Kläger abweichend von seinem vorherigen schriftsätzlichen Vorbringen im Klageverfahren in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, im Keller seines Einfamilienhauses habe sich keine "Schlafstätte", sondern allenfalls eine Matratze befunden. Aufgrund der Behauptung dieses sowohl von dem damaligen schriftlichen Klagevortrag als auch von dem Inhalt der Familiengerichtsakten abweichenden Sachverhalts, der ausschließlich in der Sphäre des Klägers liegt, ist das FG zu einer weiteren Sachaufklärung insoweit nicht verpflichtet (vgl. von Groll in Gräber, a.a.O., § 76 Rz. 28).

3. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe sich nicht hinreichend an der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 190/82, BFHE 145, 549, BStBl II 1986, 486), rügt er im Kern vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

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