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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: III B 132/08
Rechtsgebiete: EStG, AufenthG, AuslG 1990


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 61a S. 2
EStG § 62 Abs. 2
AufenthG § 23 Abs. 1
AuslG 1990 § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und ihr Ehemann stammen aus dem Libanon. Die Klägerin war seit dem 23. Juni 2003 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG 1990). Davor war ihr eine Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG 1990 aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz aus dem Jahre 1996 erteilt worden. Nach dem Inhalt der Befugnis war eine arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet.

Die Klägerin beantragte Kindergeld für fünf Kinder. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) setzte erst ab Juni 2003 Kindergeld fest, weil die Klägerin in diesem Monat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte. Mit Einspruch und Klage machte die Klägerin geltend, ihr sei bereits ab Januar 2003 Kindergeld zu gewähren. Die Familienkasse habe zu Unrecht ihre ausländerrechtlichen Voraussetzungen berücksichtigt, obwohl der Antrag auf Kindergeld von ihrem Ehemann gestellt worden sei. Diesem habe aber zumindest ab dem 15. Januar 2003 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zugestanden, wie sich aus einer Bestätigung der Ausländerbehörde ergebe.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte zur Begründung u.a. aus, die Klägerin sei vor Juni 2003 lediglich im Besitz einer nach § 32 AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsbefugnis gewesen, die einer Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) entspreche. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG begründe gemäß § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedoch nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sich ein Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalte und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sei, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehe oder Elternzeit in Anspruch nehme. Diese Voraussetzungen hätten vor Juni 2003 nicht vorgelegen. Der Umstand, dass möglicherweise schon zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erfüllt gewesen seien, müsse außer Betracht bleiben. Ebenso wenig sei entscheidend, ob der Ehemann der Klägerin die ausländerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld erfüllt habe, da die Klägerin, nicht etwa ihr Ehegatte, den Antrag auf Kindergeld gestellt habe.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung und erfordere darüber hinaus eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländerrecht sei die Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde erteilt worden, die Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt. Seit dem Jahr 2005 beinhalte der Aufenthaltstitel, der von der Ausländerbehörde ausgestellt werde, zugleich die Arbeitserlaubnis. Somit sei die Ausländerbehörde sowohl für den Aufenthaltstitel als auch für die Arbeitserlaubnis zuständig. Es stelle sich die Grundsatzfrage, ob ein Aufenthaltstitel für einen Zeitraum vor 2005, der eine Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet habe, ein Titel sei, der zum Bezug von Kindergeld berechtige.

Im Hinblick auf die Bescheinigung der Ausländerbehörde, wonach die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis seit dem 15. Januar 2003 vorgelegen hätten, sei außerdem die Rechtsfrage zu beantworten, ob ein Ausländer einen Anspruch auf Kindergeld bereits ab dem Zeitpunkt habe, zu dem die Ausländerbehörde bestätige, dass die Voraussetzungen für einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel vorgelegen hätten, oder ob dies erst nach Ausstellung des Titels der Fall sei. Die Ausländerbehörde habe de facto bestätigt, dass der Titel ab dem 15. Januar 2003 als unbefristete Aufenthaltserlaubnis gelte. Damit sei die Klägerin ab diesem Zeitpunkt zum Bezug von Kindergeld berechtigt.

Schließlich sei eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht geklärt sei, ob ein Aufenthaltstitel nach dem AuslG 1990 mit der Nebenbestimmung "Arbeitserlaubnispflichtige Tätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet" einen Kindergeldanspruch ausschließe. Nach früherer Rechtslage habe es sich um einen Aufenthaltstitel gehandelt, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt habe.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin vorgetragenen Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ebenso wenig ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung stellt einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung dar. In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom 6. Juni 2006 III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653). Die Klägerin begehrt die Klärung der Frage, ob eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990, die eine Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattete, eine Genehmigung gewesen sei, die zum Bezug von Kindergeld berechtigte. Die Frage könnte jedoch in dieser Allgemeinheit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden.

a) Der Kindergeldanspruch von Ausländern hängt nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG, die gemäß § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG alle Sachverhalte erfasst, bei denen --wie im Streitfall-- das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist, u.a. vom Besitz bestimmter aufenthaltsrechtlicher Titel nach dem AufenthG ab oder --für Zeiträume vor 2005-- von bestimmten ausländerrechtlichen Genehmigungen nach dem AuslG 1990, die in sinngemäßer Anwendung des § 101 AufenthG in aufenthaltsrechtliche Titel umzuqualifizieren sind (Senatsurteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234; vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457, sowie vom 17. April 2008 III R 16/05, BFHE 221, 43, BFH/NV 2008, 1576).

b) Die Klägerin war vor Juni 2003 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis auf der Grundlage des § 32 AuslG 1990. Hiernach konnten die obersten Landesbehörden aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder dass in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen nach den §§ 30 und 31 Abs. 1 AuslG 1990 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde und dass erteilte Aufenthaltsbefugnisse verlängert wurden. Die nach dem AuslG 1990 erteilte Aufenthaltsbefugnis der Klägerin entsprach einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die ebenfalls auf Anordnung der obersten Landesbehörden aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik zu erteilen ist. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG begründet allerdings nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, sie ist wegen eines Krieges im Heimatland erteilt worden (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG). Ansonsten hat ein Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG in den Fällen Anspruch auf Kindergeld, in denen er sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und dort berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist somit nicht klärungsfähig. Auch ist nach den vorstehenden Ausführungen keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

c) Nicht klärungsbedürftig ist die Frage, ob ein Anspruch auf Kindergeld auch dann besteht, wenn ein Ausländer zwar noch keine zum Bezug von Kindergeld berechtigende Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 besitzt, wenn aber die zuständige Ausländerbehörde bestätigt hat, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hatten. Der BFH hat bereits entschieden, dass für die Kindergeldberechtigung der "Besitz" einer ausreichenden ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 oder eines aufenthaltsrechtlichen Titels nach dem AufenthG entscheidend ist und es somit nicht darauf ankommt, ob ein Ausländer schon zu einem früheren Zeitpunkt erstmals einen Anspruch auf eine entsprechende Genehmigung bzw. einen entsprechenden Titel hatte (Senatsurteile in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234; in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457, sowie in BFHE 221, 43, BFH/NV 2008, 1576).



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