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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: III B 153/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 S. 1
FGO § 116 Abs. 3 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog für seinen Sohn D Kindergeld. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob durch Bescheid vom 11. Juli 2007 die Kindergeldfestsetzung für August 2005 sowie für den Zeitraum April bis Oktober 2006 auf und forderte einen Betrag von insgesamt 1 432 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, D habe im August 2005 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und habe von April bis Oktober 2006 den Grundwehrdienst bzw. Zivildienst abgeleistet. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Das Finanzgericht (FG) sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen. Dieses habe im Urteil vom 30. August 2001 B 4 RA 114/00 R (Sozialrecht --SozR-- 3-2600 § 149 Nr. 6) einen Aufhebungsbescheid wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch --SGB X--) beanstandet, weil nicht erkennbar gewesen sei, welche früheren Verwaltungsakte ab wann und in welchem Umfang aufgehoben worden seien. Demgegenüber habe das FG im angefochtenen Urteil es nicht als erforderlich angesehen, dass aus Bestimmtheitsgründen Verfügungen oder Bescheide benannt würden, auf deren Grundlage Kindergeld gewährt worden sei. Bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG hätte das FG der Klage stattgeben müssen. Darüber hinaus sei die Rechtssache grundsätzlich bedeutsam. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sei, wenn zu Unrecht gezahltes Kindergeld, das nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. der Abgabenordnung (AO) geleistet worden sei, zwingend zurückzufordern sei, während die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) im Ermessen der Behörde stünden. Schließlich sei zu rügen, dass das FG seiner Amtsermittlungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO nicht nachgekommen sei. Es habe den als Zeugen benannten D nicht dazu vernommen, dass dieser für seine einmonatige Tätigkeit im August 2005 keine Bezahlung erhalten habe. Für diesen Monat hätte die Festsetzung des Kindergeldes nicht aufgehoben werden dürfen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Hierbei kann offen bleiben, ob sie in allen Punkten den Darlegungserfordernissen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

1.

Die vom Kläger behauptete Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des BSG liegt nicht vor.

a)

Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO), wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG (z.B. Senatsbeschluss vom 27. August 2007 III B 48/07, BFH/NV 2008, 76). Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 18. März 2003 X B 66/02, BFH/NV 2003, 886, m.w.N.). Zur Darlegung einer Divergenz i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehören u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handelt (BFH-Beschlüsse vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, und vom 20. Februar 2008 VIII B 83/07, BFH/NV 2008, 978).

b)

Im Streitfall hat der Kläger eine längere Passage aus einem Urteil des BSG in SozR 3-2600 § 149 Nr. 6 wiedergegeben, in dem dieses einen rentenrechtlichen Aufhebungsbescheid wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot nach § 33 Abs. 1 SGB X beanstandete, weil Gegenstand, Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Regelung nicht aus dem Bescheid selbst zu ersehen waren, sondern aus der vorhergehenden Korrespondenz erschlossen werden mussten. Der Sachverhalt, über den das BSG zu entscheiden hatte, lässt sich jedoch mit dem des Streitfalls nicht vergleichen. Aus dem Aufhebungsbescheid der Familienkasse vom 11. Juli 2007 geht eindeutig hervor, für welche Zeiträume die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben wurde und welche Beträge zurückgefordert wurden. Der genannten Entscheidung des BSG lässt sich nicht der allgemeine Rechtssatz entnehmen, dass ein Verwaltungsakt, der einen vorhergehenden Bescheid aufhebt, diesen in jedem Fall ausdrücklich bezeichnen muss.

2.

Auch die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben.

a)

Macht der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend, eine Norm sei verfassungswidrig, so ist eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533, und vom 6. Oktober 2005 II B 132/04, BFH/NV 2006, 303).

b)

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der BFH hat bereits zu den unterschiedlichen Aufhebungs- und Änderungsvorschriften Stellung genommen, die je nachdem, ob das Kindergeld nach dem EStG oder nach dem BKGG zu gewähren ist, anzuwenden sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten bei der Systemumstellung des Familienleistungsausgleichs zum 1. Januar 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250) für das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld auch die für Steuerbescheide geltenden Änderungsvorschriften der AO gelten (vgl. BTDrucks 13/3084, S. 21). Nach der Rechtsprechung des BFH ist es nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Bescheides, durch den Kindergeld nach den Vorschriften des EStG gewährt worden ist, nicht von der Ausübung eines Ermessens abhängt (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231; vom 14. Juli 1999 VI B 89/99, BFH/NV 1999, 1597; vom 23. Juni 2000 VI B 82/00, BFH/NV 2000, 1447; BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123). Auf diese Rechtsprechung ist der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht eingegangen.

3.

Die Rüge der Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung führt ebenso wenig zur Zulassung der Revision. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann. Der Kläger hätte deshalb vortragen müssen, dass er die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder weshalb die Rüge nicht möglich war (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 69, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2008 ist nicht zu ersehen, dass der fachkundig vertretene Kläger eine entsprechende Rüge vorgebracht hat. Dies hat den Rügeverlust zur Folge (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597, m.w.N.).

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