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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: III B 183/08
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf Festsetzung von Kindergeld für seinen im November 1980 geborenen Sohn (S) für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2002, in der S den Grundwehrdienst abgeleistet hatte, ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) entschied unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Juli 2001 VI B 176/00 (BFHE 196, 98, BStBl II 2001, 675) und den hierzu ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. März 2004 2 BvR 1670/01 u.a. (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2004, 694), dass die Regelung der §§ 63 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a und b i.V.m. § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungsrechtlich unbedenklich sei; es könne sich daher den vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht anschließen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen des Vorliegens eines Verfahrensfehlers:

Entgegen der Auffassung des BFH in BFHE 196, 98, BStBl II 2001, 675 habe der Gesetzgeber nicht typisierend davon aus-gehen dürfen, dass Eltern von wehrpflichtigen Soldaten weniger belastet seien als Eltern von Unter-/Offiziersanwärtern (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, und vom 15. Juli 2003 VIII R 19/02, BFHE 203, 417, BStBl II 2007, 247) oder von anderen Auszubildenden. Die Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegeben sei. Die Bezüge eines wehrpflichtigen Soldaten lägen unter dem Grundfreibetrag. Durch den Wehrsold und die Vollverpflegung werde das Existenzminimum des Soldaten nicht abgedeckt.

Da das FG sich zur Begründung seiner Entscheidung lediglich auf den Beschluss des BFH in BFHE 196, 98, BStBl II 2001, 675 bezogen habe, ohne sich mit seinem --des Klägers-- Vortrag zur Verfassungswidrigkeit der § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG auseinanderzusetzen, sei das Urteil auch ohne Gründe ergangen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

a)

Es ist bereits geklärt, dass der Ausschluss Wehr- und Zivildienst leistender Kinder aus dem Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums verstößt.

Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen, ihr stattdessen durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren. Danach trägt das Gesetz trotz des Ausschlusses der Wehr- und Zivildienst Leistenden aus dem Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG dem Gebot der Verschonung des Familienexistenzminimums hinreichend Rechnung. Der Gesetzgeber hat durch den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG eine Typisierung vorgenommen, in welchen Fällen in der Regel steuerlich zu berücksichtigende Unterhaltslasten bei den Eltern entstehen, die im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach §§ 31 f., 62 ff. EStG berücksichtigt werden sollen. Soweit in den nicht erfassten Fällen Unterhaltspflichten bestehen sollten, die auch der Deckung des existenziellen Bedarfs der betroffenen Kinder oder der Familien dienen mögen, besteht die Möglichkeit, solche Unterhaltslasten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG geltend zu machen (vgl. BVerfG in HFR 2004, 694; BFH-Beschluss vom 16. Juni 2006 III B 43/05, BFH/NV 2006, 2056).

b)

Ebenso ist geklärt, dass es nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, dass volljährige Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG bei Ableistung des gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienstes im Familienleistungsausgleich nach §§ 31 f., 62 ff. EStG --anders als zum Beispiel Kinder in Berufsausbildung-- nicht berücksichtigt werden. Der Ausschluss der Wehr- und Zivildienst Leistenden aus dem Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist sachorientiert. Der Gesetzgeber hat durch den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG eine Typisierung vorgenommen, in welchen Fällen in der Regel steuerlich zu berücksichtigende Unterhaltslasten bei den Eltern bestehen, die im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach §§ 31 f., 62 ff. EStG berücksichtigt werden sollen. Dabei musste der Gesetzgeber die Wehr- und Zivildienst Leistenden insbesondere im Hinblick auf die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannte Gruppe der Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, nicht gleichermaßen in den Familienleistungsausgleich einbeziehen. Wehr- und Zivildienst Leistende erhalten eine einheitliche und umfängliche Besoldung bestehend aus den Leistungen nach §§ 2 ff. des Wehrsoldgesetzes und ggf. Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Unterhaltssicherungsgesetz. Auch Auszubildende erhalten zwar in aller Regel eine Ausbildungsvergütung. Im Gegensatz zu der einheitlichen und umfänglichen Besoldung der Wehr- und Zivildienst Leistenden bekommen Auszubildende Vergütungen in völlig uneinheitlicher und gesetzlich nicht geregelter Höhe, die vielfach weit unter den Ansprüchen der Wehr- und Zivildienst Leistenden liegen. Bei der notwendigen Typisierung im Rahmen der Festlegung des Katalogs in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG durfte der Gesetzgeber diesen Unterschieden in der gewählten Form Rechnung tragen. Dies ist auch nicht zu beanstanden, weil möglicherweise in einer erheblichen Zahl der Fälle Ausbildungsvergütungen gleich hoch oder höher sind als der gesetzliche Wehrsold. Der Gesetzgeber durfte eine vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung vornehmen, die einerseits einen ungerechtfertigten Ausschluss von Kindern aus dem Familienleistungsausgleich vermeidet, andererseits einfach zu handhabende Regelungen zur Abgrenzung der Gruppen trifft, die in den Familienleistungsausgleich einbezogen werden (vgl. BVerfG in HFR 2004, 694, m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen stellt auch der Umstand, dass Eltern eines Kindes, das als Soldat auf Zeit zum Fachunteroffizier oder zum Offizier ausgebildet wird, kindergeldberechtigt sein können, während für Eltern eines lediglich den Grundwehrdienst leistenden Kindes kein Kindergeldanspruch besteht, keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG dar, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

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