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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.08.2006
Aktenzeichen: III B 20/06
Rechtsgebiete: EStG, SGB VIII, FGO


Vorschriften:

EStG § 33
SGB VIII § 35a
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2000 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger für ihren im Juli 1987 geborenen Sohn M Krankheitskosten u.a. für dessen krankheitsbedingte Unterbringung in einem Internat in Höhe von 5 903 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Steuererklärung waren eine fachärztliche Bescheinigung einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 25. Januar 2001 und ein Bescheid der örtlichen Kreisverwaltung vom 9. Januar 2001 beigefügt, wonach rückwirkend ab dem 1. August 2000 für die Internatsunterbringung Jugendhilfe in Form von Eingliederungshilfe nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gewährt wurde. Aufgrund der Höhe ihres Einkommens wurden die Kläger bezüglich der veranschlagten Kosten von rund 2 500 DM im Monat zu einem eigenen Kostenbeitrag von monatlich 694 DM herangezogen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr diese Aufwendungen nicht mit der Begründung, dass diese Kosten durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs abgegolten seien und es sich im Übrigen nicht um unmittelbare Krankheitskosten gehandelt habe.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Während des Klageverfahrens reichten die Kläger eine amtsärztliche Bescheinigung vom 11. August 2004 ein, wonach die Internatsunterbringung von M aus amtsärztlicher Sicht für notwendig gehalten und befürwortet wurde. In der amtsärztlichen Stellungnahme heißt es, dass M seit 1993 in kinderpsychiatrischer Behandlung sei, jedoch trotz intensiver Therapiemaßnahmen nicht in ausreichendem Maße sozial in die Familie habe integriert werden können. Die familiäre Lage habe sich soweit zugespitzt, dass die Eltern mit der Betreuung und Erziehung von M definitiv überlastet und sowohl von ihnen wie auch von dem Kind Kurzschlussreaktionen zu befürchten seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO.

Die Rechtssache sei grundsätzlich bedeutsam, weil zu klären sei, ob in vergleichbaren Fällen ein vor Beginn der Maßnahme vorliegendes amtsärztliches Attest zu fordern sei, oder ob insoweit nicht auch die Tatsache ausreichen müsse, dass eine andere Fachbehörde die betreffende Maßnahme für angezeigt und erforderlich halte. Es sei auch zu klären, ob von einer Behörde ausgelöste Maßnahmen, die alle rechtlichen Anforderungen erfüllten, in existenzbedrohenden Ausnahmefällen für die Geltendmachung des Aufwandes als außergewöhnliche Belastung ausreichen könnten.

Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei gegeben, weil die Entscheidung des FG von mehreren Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche. Das FG habe die nachträglich ausgestellte amtsärztliche Bescheinigung nicht für ausreichend erachtet, obwohl der BFH dies in einem vergleichbaren Fall für verzichtbar gehalten habe (BFH-Urteil vom 23. Mai 2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567). Die Entscheidung widerspreche auch dem BFH-Urteil vom 2. April 1998 III R 67/97 (BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613), in dem der BFH bestätigt habe, dass an Stelle eines amtsärztlichen Gutachtens ausnahmsweise auch die Bescheinigung einer Versorgungsanstalt oder die Bestätigung einer Behörde zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Kurreise ausreiche, wenn sich aus dieser zweifelsfrei ergebe, dass der Steuerpflichtige krank und der Aufenthalt an einem bestimmten Kurort für eine gewisse Zeit medizinisch angezeigt sei. Ferner habe das FG den Klägern auch nicht ausnahmsweise einen unverschuldeten Beweisnotstand zugebilligt und daher nachgelassen, den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Internatsunterbringung durch ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Zeugnis zu führen, obwohl der BFH dies in seinem Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 118/95 (BFH/NV 1997, 337) für zulässig erachtet habe.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Rechtssache nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen bereits geklärt sind.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen von Eltern für die Internatsunterbringung nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn der Aufenthalt zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich unabdingbar notwendig ist und der Schulbesuch nur anlässlich dieser Heilbehandlung gleichsam nebenbei und nachrangig erfolgt. Der Nachweis ist wie bei einer Kurreise durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests zu führen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Kosten für die sozial, psychologisch oder pädagogisch bedingte Unterbringung eines schwer erziehbaren Jugendlichen in einem Internat, in dem er psychologisch behandelt und betreut wird, das aber im Übrigen eine Unterkunft für den Besuch einer öffentlichen Schule bietet, sind demgegenüber grundsätzlich keine nach § 33 EStG abziehbaren Krankheitskosten. Ferner können gesonderte Aufwendungen für die Betreuung eines solchen Jugendlichen grundsätzlich nicht ohne vorherige amtsärztliche Begutachtung als Krankheitskosten anerkannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2005 IX R 52/03, BFH/NV 2006, 281, und BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2004 III B 169/03, BFH/NV 2005, 699).

b) Die dem Streitfall zugrunde liegenden entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind somit bereits in der Weise geklärt, dass ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen nicht in Betracht kommt, weil es sich nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) um einen normalen Schulbesuch des offenbar schwer erziehbaren M in dem Internat handelt und ein vorher erstelltes amtsärztliches Attest zum Nachweis der unabdingbaren Notwendigkeit des Internatsbesuchs für Zwecke einer Heilbehandlung nicht vorgelegen hat.

2. Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO ist nicht gegeben.

Die Entscheidung des FG weicht nicht von anderweitiger Rechtsprechung des BFH ab.

Das von den Klägern in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des BFH in BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567 ist nicht einschlägig, weil es in dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt um Aufwendungen für betreutes Wohnen für einen seit seiner Geburt körperlich und geistig zu 60 % behinderten Jugendlichen ging. Der Streitfall ist insofern nicht vergleichbar, weil es sich um eine nicht vom Normalfall abweichende Internatsunterbringung eines Kindes gehandelt hat, die dem Grunde nach nicht mit einem krankheitsbedingten betreuten Wohnen vergleichbar ist, unabhängig davon, dass die Gewährung der Eingliederungshilfe von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde nach § 35a SGB VIII befürwortet und die entstandenen Kosten überwiegend übernommen worden sind (vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 281).

Ferner ist auch keine Divergenz zu dem Urteil des BFH in BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613 erkennbar, wonach Kosten für Kinderkuren grundsätzlich nur nach Vorlage eines vorher erstellten amtsärztlichen Attests als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind. Einer der in dieser Entscheidung genannten Ausnahmefälle --nämlich eine anderweitige Bescheinigung einer Versorgungsanstalt oder einer Behörde, wonach der Steuerpflichtige krank und der Aufenthalt an einem bestimmten Kurort für eine gewisse Zeit medizinisch angezeigt ist-- ist im Streitfall nicht gegeben. Die Bestätigung der Kreisverwaltung zur Übernahme von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII für Fälle der Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit ist hiermit nicht vergleichbar.

Schließlich ist der Streitfall auch nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BFH in BFH/NV 1997, 337 zugrunde lag. Die dort genannten Grundsätze zum unverschuldeten Beweisnotstand im Zusammenhang mit dem Erfordernis der vorherigen Beibringung eines amtsärztlichen Attests waren auf Steuerpflichtige aus den neuen Bundesländern beschränkt, um die es sich im Streitfall jedoch nicht handelt.

Ende der Entscheidung

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