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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.10.2006
Aktenzeichen: III B 31/05
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG § 32 Abs. 4 Satz 6
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) erhielt für ihren im Jahr 1974 geborenen Sohn Kindergeld. Am 23. Juni 2000 schloss der Sohn sein Studium mit der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen ab. In den Monaten Juli bis Oktober 2000 war er bei einer Bank beschäftigt und bezog einen Arbeitslohn in Höhe von 13 405,28 DM. Im November 2000 begann der Sohn sein Referendariat; für die Monate November und Dezember 2000 erhielt er eine Vergütung in Höhe von 3 838,72 DM. Ferner bezog der Sohn im Jahr 2000 eine Halbwaisenrente in Höhe von insgesamt 4 702,08 DM.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2000 auf, weil der Sohn Einkünfte und Bezüge von mehr als 13 500 DM im Kalenderjahr 2000 gehabt habe (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der für das Jahr 2000 geltenden Fassung). Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) setzte antragsgemäß Kindergeld für die Monate Januar bis Juni, November und Dezember 2000 fest. Es war der Auffassung, der Sohn der Klägerin habe durch die Aufnahme der Vollzeiterwerbstätigkeit seine Berufsausbildung unterbrochen. Er habe sich deshalb im Zeitraum Juli bis Oktober 2000 nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) befunden. Die auf diese Kalendermonate entfallenden Einkünfte und Bezüge blieben daher nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags außer Ansatz.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich die Familienkasse auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Nach Abschn. 63.3.3 Abs. 4 Satz 1 der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) liege eine Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht vor, wenn das Kind im Anschluss an eine berufsqualifizierende Ausbildung einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehe. Hintergrund dieser Regelung sei, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes regelmäßig erst dann ende, wenn ein berufsqualifizierender Abschluss erreicht werde. Da die Erste Staatsprüfung für das Lehramt noch kein berufsqualifizierender Abschluss sei, sei im Streitfall zu klären, ob sich ein Kind aufgrund der Vollzeiterwerbstätigkeit auch dann nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befinde, wenn der vorhergehende Ausbildungsabschnitt nicht für einen Beruf qualifiziere.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die von der Familienkasse aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur dann nicht vorliege, wenn das Kind im Anschluss an eine berufsqualifizierende Ausbildung einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehe, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt.

Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 83/98 (BFH/NV 2002, 1551) ein Kind, das seine Schulausbildung abgebrochen und somit keine berufsqualifizierende Berufsausbildung abgeschlossen hatte, allein aufgrund von dessen Vollzeiterwerbstätigkeit nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt, weil es sich im Verhältnis zu seinen Eltern nicht in einer typischen Unterhaltsituation befunden habe, die der Gesetzgeber bei den Berücksichtigungstatbeständen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG vorausgesetzt habe.

Zudem hat der Senat in seinem Urteil vom 15. September 2005 III R 67/04 (BFHE 211, 452, BStBl II 2006, 305) ausdrücklich klargestellt, dass die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes auch dann nicht erfüllt sind, wenn das Kind keine abgeschlossene berufsqualifizierende Ausbildung hat. Die Tatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG beruhen darauf, dass die Eltern typischerweise durch die Unterhaltslasten gegenüber dem Kind in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Geht das Kind aber einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann nicht gemindert, wenn das Kind diese Tätigkeit möglicherweise nicht dauerhaft ausübt, weil es noch keinen berufsqualifizierenden Abschluss hat. Entscheidend ist die unterhaltsrechtliche Situation, wie sie sich für die Eltern in den einzelnen Monaten des Kalenderjahrs darstellt. Übt das Kind in einzelnen Monaten eine entsprechende Erwerbstätigkeit aus, fehlt es typischerweise in diesen Monaten an einer verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern, die eine Entlastung durch Kindergeld rechtfertigt (vgl. Senatsurteil in BFHE 211, 452, BStBl II 2006, 305).

Unerheblich ist, dass das Senatsurteil in BFHE 211, 452, BStBl II 2006, 305 erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen ist. Ob ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschluss vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, 509, BStBl II 1994, 473, 474).

2. Aus den gleichen Gründen ist auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Alternative 1 FGO) nicht gegeben. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 2006 III B 2/05, BFH/NV 2006, 910, m.w.N.).

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