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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: III B 87/06
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 70 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 3
EStG § 70 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit Bescheid vom 2. April 2003 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für den Sohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ab Januar 2002 auf, weil der Sohn Einkünfte und Bezüge von mehr als 7 188 € im Kalenderjahr 2002 gehabt habe (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung). Der Bescheid wurde nicht angefochten.

Unter dem 31. Juli 2005 beantragte der Kläger erneut Kindergeld u.a. für das Jahr 2002. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) seien die Sozialversicherungsbeiträge von den Einkünften des Sohnes abzuziehen, so dass der Jahresgrenzbetrag im Jahr 2002 unterschritten sei. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 lehnte die Familienkasse den Antrag ab, da der Bescheid vom 2. April 2003 bestandskräftig sei und die Voraussetzungen für eine Änderung nicht vorlägen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Der Kläger wirft sinngemäß die Rechtsfrage auf, ob ein Kindergeldbescheid nach § 70 Abs. 2 bis 4 EStG zu ändern sei, wenn sich die rechtliche Beurteilung durch eine Entscheidung des BVerfG geändert habe. Ferner sei klärungsbedürftig, ob die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung für das Kalenderjahr 2002 aufgrund des vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung anerkannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (z.B. Urteil des BSG vom 22. Oktober 1996 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168) durchbrochen werden könne. Da der Grundcharakter des Kindergeldes trotz der Regelung im EStG nach wie vor sozialrechtlich begründet sei, liege zwischen ihm, dem Kläger, und der Familienkasse ein Sozialrechtsverhältnis vor, aufgrund dessen die Familienkasse verpflichtet gewesen sei, ihn über die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verwaltungspraxis in Bezug auf § 32 Abs. 4 EStG und auf die anhängige Verfassungsbeschwerde 2 BvR 167/02 hinzuweisen. Wäre er hierüber informiert worden, hätte er rechtzeitig Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 2. April 2003 eingelegt und die Familienkasse hätte das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei er so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Ihm sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist zu gewähren.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Der Senat hat die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 12. Januar 2006 14 K 4503/05 KG, auf welche die Vorinstanz Bezug genommen hat, mit Urteil vom 28. Juni 2006 III R 13/06 (BFH/NV 2006, 2204) bestätigt. Nach dem Urteil des Senats kann ein die Festsetzung von Kindergeld ablehnender Bescheid nach § 70 Abs. 4 EStG nur geändert oder aufgehoben werden, wenn er vor Beginn oder während des Kalenderjahres als Prognoseentscheidung über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr ergangen ist, nicht aber, wenn die Festsetzung von Kindergeld für ein abgelaufenes Kalenderjahr bestandskräftig abgelehnt worden ist. Gleiches gilt für bestandskräftige Bescheide, mit welchen die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für das abgelaufene Kalenderjahr wegen des Überschreitens des Grenzbetrages aufgehoben hat.

Unerheblich ist, dass das Senatsurteil in BFH/NV 2006, 2204 erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen ist. Ob ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, 509, BStBl II 1994, 473).

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung für das Kalenderjahr 2002 aufgrund des "sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs" durchbrochen werden könne, rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil diese Rechtsfrage mangels Rechtserheblichkeit im Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte (z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2005 II B 37/04, BFH/NV 2005, 1116, und vom 29. Juni 2005 I B 247/04, BFH/NV 2005, 1868).

Das Verfahren, in dem der Kläger die Zulassung der Revision begehrt, hat den Bescheid vom 26. Oktober 2005 zum Gegenstand, mit dem die Familienkasse den erneuten Antrag des Klägers vom 31. Juli 2005 auf Kindergeld für das Jahr 2002 abgelehnt hat. Das auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützte Begehren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist betrifft dagegen den Aufhebungsbescheid vom 2. April 2003. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage wäre daher in einem anschließenden Revisionsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärbar.

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