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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: III B 97/04
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
EStG § 24b
EStG § 32 Abs. 6
EStG § 32 Abs. 7
EStG § 33c
EStG § 33c Abs. 1 a.F.
EStG § 33c Abs. 4 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Notwendigkeit der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) sind nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden.

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen.

Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat.

Ferner ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46, m.w.N.).

Darüber hinaus führt die bloße Behauptung, eine Norm bzw. mehrere Regelungen seien verfassungswidrig, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, sofern diese nicht ausnahmsweise offenkundig ist. Vielmehr ist für die Darlegung eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N.).

2. Die Beschwerde wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Die vom Kläger ursprünglich im Einspruchs- und Klageverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, ob von Verfassungs wegen Alleinerziehenden mit Kindern das Splittingverfahren zumindest analog zu gewähren sei, ist durch eine ständige, bis in die jüngste Zeit bestätigte Rechtsprechung des BVerfG und des BFH geklärt.

Mit dem Hinweis auf die gesellschaftliche Entwicklung und die wachsende Zahl ebenfalls als Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG angesehenen Erscheinungsformen des Zusammenlebens wird kein weiterer oder erneuter Klärungsbedarf hinreichend schlüssig dargetan.

Im Einzelnen nimmt der Senat auf die Beschlüsse in BFH/NV 2005, 46 und vom 20. September 2002 III B 40/02 (BFH/NV 2003, 157, jeweils m.w.N.) Bezug.

Insbesondere hat der Senat im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 3. November 1982 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80 (BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717) klargestellt, dass die Aufwendungen für die Betreuung der Kinder nicht durch Gewährung des gerade auf einer anderen Grundlage und anderen Zwecken dienenden Ehegatten-Splittings berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 31. Juli 1997 III R 31/90, BFH/NV 1998, 439).

In seiner Entscheidung vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 u.a. (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, 190 f.) hat das BVerfG seine frühere Entscheidung in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 im Übrigen modifiziert. Das BVerfG geht nunmehr davon aus, dass der Betreuungsbedarf eines Kindes generell die Leistungsfähigkeit der Eltern mindert und als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben muss. § 32 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F., der einen Haushaltsfreibetrag nur für Alleinerziehende oder nichteheliche Erziehungsgemeinschaften vorsah, und die Regelungen in § 33c Abs. 1 und 4 EStG a.F., nach denen Kinderbetreuungskosten nur bei Alleinstehenden steuerlich zu berücksichtigen waren, benachteiligten nach Auffassung des BVerfG eheliche Erziehungsgemeinschaften. Diese Benachteiligung werde aber nicht dadurch gemindert, dass in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern zusammen veranlagt werden könnten (§§ 26, 26b EStG). Die Zusammenveranlagung setze eine Ehe, nicht hingegen einen kindbedingten Bedarf voraus. Allein darin hat das BVerfG mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht zu vereinbarende Benachteiligungen der ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften gesehen. Darüber hinaus hat das BVerfG beanstandet, die steuerliche Berücksichtigung verminderter Leistungsfähigkeit von Eltern bleibe insgesamt hinter dem verfassungsrechtlich Gebotenen zurück und benachteilige Eltern, die nicht die steuerliche Entlastung der §§ 33c und 32 Abs. 7 EStG a.F. in Anspruch nehmen könnten. In diesem Sinne müssten Betreuungs- und Erziehungsbedarf bei allen Erziehungsgemeinschaften und Alleinstehenden in gleicher Weise und unabhängig davon berücksichtigt werden, in welcher statusrechtlichen Beziehung die Eltern lebten. Das BVerfG sieht das Benachteiligungsverbot nur zu Lasten der Ehe, nicht jedoch, wie offenbar der Kläger meint, zu Lasten anderer Lebensgemeinschaften als verletzt an (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 46).

3. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 46; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).

Wie unter Ziff. 1. bis 2. ausgeführt worden ist, hat der Kläger indes keine erneut oder weiter klärungsbedürftige Rechtsfrage hinreichend schlüssig dargetan.

4. Der Senat lässt dahingestellt, ob der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung sein ursprüngliches Klagebegehren geändert bzw. erweitert hat, was im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich unzulässig ist (vgl. § 123 Satz 1 FGO; BFH-Beschluss vom 30. November 2001 III B 141/01, BFH/NV 2002, 526, m.w.N.), indem er nunmehr nicht die entsprechende Anwendung des Splittingtarifs, sondern die Besteuerung Alleinerziehender mit Kindern insgesamt als nicht verfassungskonform ansieht.

Der Kläger hat als Rechtsanwalt ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2004, wie bereits im Einspruchsverfahren und mit seiner Klageschrift, ausschließlich eine entsprechende Anwendung des Splittingtarifs begehrt. Dementsprechend hat er auch den Streitwert mit Schriftsatz vom 24. Januar 2002 als Differenz zwischen der Anwendung der Grund- und der Splittingtabelle errechnet.

Der Kläger hat im Übrigen auch insoweit die Zulassungsgründe nicht hinreichend substantiiert dargetan.

Die Regelung in § 33c EStG a.F., deren Verfassungswidrigkeit der Kläger nunmehr ohne nähere Begründung entgegen der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss in BFH/NV 2005, 46) behauptet, ist bereits zum 31. Dezember 1999 ausgelaufen. Durch das Zweite Familienförderungsgesetz vom 16. August 2001 (BGBl I, 2074) ist der Erziehungsbedarf seit dem 1. Januar 2000 gemäß § 32 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt einer Rechtsfrage, die ausgelaufenes Recht betrifft, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, sofern der Beschwerdeführer nicht besondere Gründe geltend macht, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 21. November 2003 III B 67/03, BFH/NV 2004, 336, m.w.N.).

Auch insoweit hat der Kläger nichts vorgetragen.

Des Weiteren hat das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, 192 vom Gesetzgeber eine Neuregelung erst ab dem 1. Januar 2000 verlangt und die Weitergeltung des § 33c EStG sowie des Haushaltsfreibetrags nach Maßgabe des § 32 Abs. 7 EStG a.F. übergangsweise gebilligt.

Der Kläger geht weder auf diese vom BVerfG festgelegte zeitliche Anwendungsregelung ein noch setzt er sich konkret mit der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung Alleinerziehender mit Kindern anhand der vom BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe auseinander.

Schließlich ist vom Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 3076) sogar wieder ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in § 24b EStG eingeführt worden.

Ende der Entscheidung

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