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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: III R 34/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33b Abs. 6
EStG § 33b Abs. 6 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die 1914 geborene Mutter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war seit einem 1995 erlittenen Schlaganfall schwer behindert (Grad der Behinderung 100) und in die Pflegestufe III eingereiht worden. Die Klägerin und ihre Schwester begründeten danach eine Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter. Von Januar bis März 2001 pflegten beide ihre Mutter unentgeltlich. Danach war die Schwester hierzu wegen eigener Erkrankung nicht mehr in der Lage; sie verstarb im November 2001. Die berufstätige Klägerin beschäftigte deshalb seit April 2001 eine Pflegekraft.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte im Einkommensteuerbescheid 2001 den Abzug der von der Klägerin getragenen Aufwendungen für die Pflegekraft als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab, weil die Mutter der Klägerin 1998 einen größeren Geldbetrag geschenkt hatte, der zur Finanzierung des gemeinsam bewohnten Hauses eingesetzt worden war und nach Auffassung des FA wegen Verarmung zurückgefordert werden konnte. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage überwiegend ab. Es entschied mit Urteil vom 27. September 2006 1 K 1794/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1334), die Aufwendungen der Klägerin für die Pflegekraft seien nicht zwangsläufig gewesen, da sich die Klägerin von der Mutter Vermögen habe übertragen lassen. Die Klägerin habe jedoch Anspruch auf den anteiligen Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG. Der Jahresbetrag von 1 800 DM stehe der Klägerin für Januar bis März neben ihrer verstorbenen Schwester zur Hälfte zu, d.h. in Höhe von 225 DM, und ab April ungeteilt (1 350 DM), insgesamt also in Höhe von 1 575 DM.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 33b Abs. 6 EStG. Der Pflegepauschbetrag sei nach dem eindeutigen Wortlaut des im Streitjahr 2001 geltenden § 33b Abs. 6 Satz 5 EStG nur nach der Anzahl der Pflegepersonen, nicht aber zeitanteilig aufzuteilen. Gegen eine Aufteilung nach dem tatsächlichen Pflegeaufwand spreche ferner, dass den Pflegenden der Zeitnachweis erspart werde und Streitigkeiten zwischen ihnen über die Aufteilung vermieden würden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es einen den hälftigen Jahresbetrag von 900 DM übersteigenden Pflegepauschbetrag gewährt habe, und die Einkommensteuer auf 19 578 DM (10 010,07 €) festzusetzen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass nach der Gesetzesbegründung durch den Pflegepauschbetrag die vielfältigen Belastungen, die die persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen mit sich bringe, in angemessenem Rahmen steuerlich berücksichtigt werden sollten. Stehe aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles fest, dass die Abgrenzung der Pflegeleistungen völlig unproblematisch sei, so wäre es unbillig, aus Vereinfachungsgründen von der zeitanteiligen Zuordnung des Pauschbetrages abzusehen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Festsetzung der Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines hälftigen Pflegepauschbetrages in Höhe von 900 DM.

1. Die Voraussetzungen des Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG für die Pflege einer hilflosen Person sind im Streitfall unstreitig erfüllt. Die Mutter ist infolge der Einstufung als Schwerstpflegebedürftige in Pflegestufe III nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch hilflos i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG (§ 65 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung; vgl. Senatsbeschluss vom 28. März 2001 III B 109/00, BFH/NV 2001, 1116) und von der Klägerin und ihrer Schwester gepflegt worden.

2. Beteiligen sich mehrere Personen an der Pflege, ist der Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6 Satz 5 --jetzt: Satz 6-- EStG "nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 --jetzt: Sätze 1 bis 5-- vorliegen", aufzuteilen.

a) Da das in § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG gewährte Wahlrecht zwischen dem Abzug der Aufwendungen nach § 33 EStG und der Geltendmachung des Pauschbetrages keine tatbestandliche Voraussetzung der Norm ist, sondern auf die Rechtsfolgeseite gehört, kommt es für die Aufteilung nicht auf die Zahl der Personen an, welche bei ihrer Einkommensteuerveranlagung die Berücksichtigung eines Pflegepauschbetrages begehren, sondern auf die Anzahl der Steuerpflichtigen, welche die hilflose Person in ihrer Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen tatsächlich persönlich gepflegt haben. Demzufolge ist der Pauschbetrag auch dann aufzuteilen, wenn von zwei Pflegepersonen nur eine den Pauschbetrag begehrt, die andere aber den Abzug ihrer tatsächlichen Aufwendungen nach § 33 EStG beantragt oder auf eine steuerliche Geltendmachung verzichtet; der Pauschbetrag ist dann nur hälftig zu gewähren (Senatsurteil vom 14. Oktober 1997 III R 102/96, BFHE 184, 428, BStBl II 1998, 20).

b) Der Pflegepauschbetrag ist ein Jahresbetrag. Er unterscheidet sich dadurch z.B. vom Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 Satz 6 --jetzt: Satz 5-- EStG) oder den in § 33a EStG besonders geregelten Fällen außergewöhnlicher Belastungen (§ 33a Abs. 4 EStG), für die das Monatsprinzip gilt. Daher kann auch eine kurzzeitige Pflegetätigkeit --z.B. während eines Urlaubes der anderen pflegenden Person-- oder eine wiederholte kurzfristige Pflege --z.B. einer in einem Heim untergebrachten hilflosen Person am Wochenende (FG München vom 14. Februar 1995 16 K 2261/94, EFG 1995, 722)-- zur Inanspruchnahme des Pauschbetrages berechtigen (Blümich/Heger, § 33b EStG Rz 126).

c) Das Gesetz differenziert nicht danach, ob sich mehrere Personen die Pflege teilen, d.h. gleichzeitig pflegen, oder ob die Pflege von ihnen nacheinander durchgeführt wird (Blümich/ Heger, a.a.O., Rz 127).

d) Der Pauschbetrag kann deshalb nur nach der Zahl der Pflegepersonen aufgeteilt werden und nicht nach den Monaten, in denen diese gepflegt haben.

Eine Aufteilung nach den Verhältnissen einzelner Monate würde dem klaren Wortlaut der Norm widersprechen und wäre zudem für die pflegenden Steuerpflichtigen und die Verwaltung schwerer handhabbar: Die Pflegepersonen müssten den Umfang ihrer Pflegetätigkeit nachweisen und vergleichen, die Finanzämter sich mit mehreren Pflegepersonen über deren Anteile auseinandersetzen und nach der Änderung des Anteiles einer Pflegeperson prüfen, ob der Bescheid der anderen anzupassen ist.

Eine Aufteilung nach den Verhältnissen einzelner Monate hätte auch nicht zwingend den Vorzug größerer Sachgerechtigkeit. Sie könnte ebenso zu unangemessenen Ergebnissen führen, wenn z.B. eine Person in den ersten drei Monaten des Jahres "rund um die Uhr" gepflegt hätte, die andere aber in den verbleibenden neun Monaten nach einer Heimunterbringung nur am Wochenende, und trotz des insgesamt höheren Pflegeaufwandes der ersten Person nur 3/12, der zweiten aber 9/12 des Pauschbetrages zustünden.

e) Eine einvernehmliche andere Aufteilung zwischen den Pflegepersonen als die nach Köpfen kommt nicht in Betracht. Dafür hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. z.B. § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG) bedurft sowie Bestimmungen darüber, ob die Aufteilung widerrufen werden kann usw. (a.A. Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 33b Rz 23).



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