Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: III R 39/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 90 Abs. 2
FGO § 76 Abs. 1
EStG § 33a Abs. 1
Die von der Rechtsprechung des BFH und der Finanzverwaltung anerkannte Beweiserleichterung für bei Auslandsfahrten bar geleistete Unterhaltsleistungen an Personen im Ausland gilt nicht, wenn beide Ehegatten im Inland leben. In derartigen Fällen sind grundsätzlich inländische Belege über das Vorhandensein entsprechender Mittel (z.B. Abhebungsnachweise) und detaillierte Empfängerbestätigungen vorzulegen.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist verheiratet. Er wohnt mit seiner Ehefrau im Inland. Die Eheleute werden für das Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr machte der Kläger Aufwendungen für den Unterhalt bedürftiger Personen als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von je 4 340 DM (zusammen 17 360 DM) für vier im Kosovo lebende Familienmitglieder geltend, und zwar für seine drei Kinder (Tochter, geboren 1970, zwei Söhne, geboren 1973 und 1967) und für seine Mutter (geboren 1912). Die Unterhaltsbedürftigkeit der bezeichneten Personen ist durch Bescheinigungen der Heimatbehörde nachgewiesen. Nach den eingereichten Unterlagen sind die Kinder arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldet. Der Kläger hat Bescheinigungen über den Empfang von jeweils 4 340 DM vorgelegt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend gemachten Unterstützungsleistungen nicht, weil kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Kontoabhebungen des Klägers und den Familienheimfahrten bestehe. Außerdem sei die Vorlage angeforderter Belege unterblieben.

Der Einspruch, mit dem der Kläger vorbrachte, die Abhebungen vom Sparbuch (53 940 DM) und vom Girokonto (7 100 DM) seien für den Unterhalt der Angehörigen und für den Wiederaufbau seines im Krieg zerstörten Hauses im Kosovo verwendet worden, blieb ohne Erfolg. Das FA ging davon aus, der Kläger sei im Streitjahr zwei Mal (am 20. Januar 1999 mit dem Bus und am 13. November 1999 mit dem Flugzeug) in seine Heimat gereist. Nach den eingereichten Kontoauszügen habe er im Streitjahr insgesamt 53 940 DM von seinem Sparkonto abgehoben (17. Juni 1999: 9 000 DM, 22. Juli 1999: 15 000 DM, 29. September 1999: 9 000 DM, 25. Oktober 1999: 20 940 DM). Das FA sah die Unterhaltsbedürftigkeit der unterstützten Personen als gegeben an. Jedoch seien die geltend gemachten Zahlungen nicht nachgewiesen. Die Empfangsbestätigungen seien nicht hinreichend detailliert, da sie weder Ort noch Datum enthielten. Ferner sei zu beachten, dass der Kläger im Juli des Streitjahres 1999 einen PKW erworben und im August 1999 ausgeführt habe. Die Abhebungen im Juni und Juli 1999 hingen offensichtlich damit zusammen. Nicht glaubhaft sei daher, dass der Kläger sämtliche Auszahlungsbeträge in sein Heimatland mitgenommen und in Höhe der abziehbaren Höchstbeträge nach § 33a Abs. 1 EStG für Unterhaltszwecke und im Übrigen für den Wiederaufbau seines im Krieg zerstörten Wohnhauses verwendet habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit welcher der Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Angehörige in Höhe von 4 x 4 350 DM beantragte, zum Teil statt. Das FA ging im Klageverfahren davon aus, der Kläger habe sich im Streitjahr drei Mal im Kosovo aufgehalten (im Januar, August und im November). Das FG führte im Wesentlichen aus: Nach der Verwaltungsregelung in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. September 1997 (BStBl I 1997, 826, Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2003 --EStH 2003-- Anhang 3, I) unter Tz. 4 a.E. seien bei drei Heimfahrten drei Nettomonatslöhne in Höhe von 3 996 DM (zusammen 11 998 DM) zu berücksichtigen. Der Verwendung des Begriffs "Familienheimfahrt" in der Verwaltungsregelung sei nicht die Einschränkung zu entnehmen, dass die Beweiserleichterung nur dann eingreife, wenn sich der Ehegatte am Heimatort befinde. Angesichts der Geldbewegungen auf den Konten des Klägers sei es glaubhaft, dass er bei seinen Heimfahrten jeweils über entsprechende Beträge zur Unterstützung seiner drei Kinder und seiner Mutter habe verfügen können. Die Geldübergabe sei von den Unterstützten bestätigt worden. Mit dem FA sei auch von der Unterstützungsbedürftigkeit der Angehörigen auszugehen. Schließlich stehe die Durchführung von drei Heimfahrten nicht in Frage, nachdem das FA diese Anzahl von Fahrten für erwiesen halte.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 33a Abs. 1 EStG. Bei im Ausland wohnenden Personen, die vom Steuerpflichtigen unterstützt würden, seien die Unterhaltsbedürftigkeit und die Unterhaltsleistungen nachzuweisen. Im Streitfall sei die Unterhaltsbedürftigkeit gegeben. Das FG habe aber unzutreffend die Beweiserleichterung in dem BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 826, EStH 2003 Anhang 3, I Tz. 4 a.E. angewandt und ohne Nachweis Unterhaltsleistungen in Höhe von drei Nettomonatslöhnen anerkannt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne bei Heimfahrten des Steuerpflichtigen zu der von ihm im Ausland lebenden Familie grundsätzlich nur die Mitnahme von Nettomonatslöhnen für den Unterhalt des Ehegatten, der Kinder und anderer am Ort des Haushalts des Ehegatten lebender Angehöriger entsprechend der Anzahl der Familienheimfahrten unterstellt werden. Denn nach der Lebenserfahrung erscheine es als allgemein üblich, dass ein von der Familie räumlich getrennt lebender Steuerpflichtiger die Mittel für den Unterhalt seines Ehegatten und seiner Kinder sowie möglicherweise anderer am Ort des Haushalts des Ehegatten lebender unterstützungsbedürftiger Angehöriger bei Heimfahrten zur Familie überbringe. In den vom BFH entschiedenen Fällen habe sich der Ehegatte des Steuerpflichtigen im Ausland befunden, sodass eine doppelte Haushaltsführung bestanden habe. Die Ehefrau des Klägers habe indes bei ihm im Inland gelebt. Die vom BFH anerkannte Beweiserleichterung sei daher auf den Streitfall nicht anwendbar. Die Rechtsprechung des BFH gehe davon aus, dass sich im Ausland ein Haushalt des Ehegatten befinde. Sei dies nicht der Fall, sei die Beweiserleichterung nicht anzuwenden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht geäußert.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, für die weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 13 020 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung). Nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.V.m. der für das Streitjahr geltenden sog. Ländergruppeneinteilung (BMF-Schreiben vom 27. Februar 1996, BStBl I 1996, 115) ermäßigt sich der Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG beim Wohnsitz der unterhaltenen Person wie im Streitfall in Jugoslawien auf ein Drittel, somit auf 4 340 DM.

a) Der Abzug von Unterhaltszahlungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG setzt neben der Bedürftigkeit des Unterstützungsempfängers insbesondere den Nachweis der entsprechenden Zahlungen durch den Steuerpflichtigen voraus. Bei Heimfahrten des Steuerpflichtigen zu der von ihm unterstützten im Ausland lebenden Familie kann nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige je Familienheimfahrt einen Nettomonatslohn für den Unterhalt des Ehegatten, der Kinder und anderer am Ort des Haushalts des Ehegatten lebender Angehöriger mitnimmt. Diese Beweiserleichterung gilt für bis zu vier im Kalenderjahr nachweislich durchgeführte Familienheimfahrten (Senatsurteile vom 22. Februar 1991 III R 3/88, BFH/NV 1991, 595, und vom 4. August 1994 III R 22/93, BFHE 175, 532, BStBl II 1995, 114). Die Verwaltungsanweisung in BStBl I 1997, 826, EStH 2003 Anhang 3, I Tz. 4 a.E. folgt dieser Rechtsprechung.

b) Diese Beweiserleichterung betrifft nur Fälle, in denen die Ehefrau des Unterhalt leistenden Steuerpflichtigen im Ausland lebt, nicht dagegen die im Streitfall gegebene Gestaltung, dass die Ehefrau beim Steuerpflichtigen im Inland wohnt.

Der Senat hatte im Urteil in BFH/NV 1991, 595 die Grundsätze im BMF-Schreiben vom 5. Juni 1989 (BStBl I 1989, 181) zur Beweiserleichterung gebilligt, die nur für die Mitnahme von Bargeld bei Familienheimfahrten für den Unterhalt des Ehegatten, der Kinder und anderer am Ort des Haushalts des Ehegatten lebender Angehöriger galt. Voraussetzung für die Beweiserleichterung war sonach, dass der Ehegatte im Ausland einen Familienhaushalt aufrecht erhielt. Entsprechendes gilt für die Beweiserleichterung in dem BMF-Schreiben vom 10. August 1992 (BStBl I 1992, 448), auf die in dem Senatsurteil in BFHE 175, 532, BStBl II 1995, 114 verwiesen wird. Beide angeführten Senatsurteile sind zu Fallgestaltungen ergangen, in denen die Ehefrau des unterstützenden Steuerpflichtigen mit weiteren Angehörigen im Ausland lebte. Auf Fälle, in denen die Ehefrau zusammen mit dem Steuerpflichtigen im Inland wohnt, kann die Beweiserleichterung nicht ausgedehnt werden.

c) Da die Beweiserleichterung zugunsten des Klägers sonach im Streitfall nicht eingreift, verbleibt es bei den Grundsätzen, die nach der Rechtsprechung an den Nachweis von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland zu stellen sind. Danach sind einerseits die Finanzbehörden und im Klageverfahren die FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet. Andererseits sind die Beteiligten, da es sich um Sachverhalte handelt, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung mitzuwirken und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (Senatsurteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die in Tz. 2.3. des BMF-Schreibens vom 10. März 1986 (BStBl I 1986, 117), auf das in dem Senatsurteil in BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675 verwiesen wird, aufgestellten Kriterien den unbestimmten Rechtsbegriff des erforderlichen Beweismittels zutreffend, wenn auch nicht abschließend konkretisieren. Diese Kriterien decken sich hinsichtlich der Mitnahme von Bargeld durch den Steuerpflichtigen anlässlich einer Familienheimfahrt mit Tz. 4 des BMF-Schreibens in BStBl I 1997, 826, EStH 2003 Anhang 3, I.

2. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob die vom Kläger geltend gemachten Zahlungen anzuerkennen sind. Es fehlt am Nachweis, dass die angegebenen Zahlungen tatsächlich geleistet worden sind. Dazu reichen zum einen die vorgelegten Empfangsbestätigungen nicht aus. Sie weisen lediglich einen Gesamtbetrag aus. Es fehlt somit die Angabe der angeblich vom Kläger anlässlich seiner Fahrten jeweils übergebenen einzelnen Beträge. Ferner bestehen Zweifel am Aussagewert der Bestätigungen, da sie weder Ort noch Datum der Unterzeichung durch die Empfänger ausweisen. Zum anderen weist das FA zutreffend auf Zweifel hinsichtlich des Vorhandenseins entsprechender Mittel hin. Denn zwischen den vom FA angenommenen Aufenthalten des Klägers im Kosovo (im Januar, August und November) und den Daten der Abhebungen vom Sparkonto (17. Juni 1999: 9 000 DM; 22. Juli 1999: 15 000 DM; 29. September 1999: 9 000 DM; 25. Oktober 1999: 20 940 DM) lässt sich keine Beziehung herstellen. Zweifel, ob dem Kläger entsprechende Mittel zur Unterstützung seiner Angehörigen zur Verfügung standen, ergeben sich auch daraus, dass der Kläger im Juli des Streitjahres einen PKW erworben und ausgeführt sowie nach seinen Angaben auch erhebliche Aufwendungen für den Wiederaufbau seines Wohnhauses geleistet hat.

Das FG wird die erforderlichen Feststellungen unter Beachtung der besonderen Anforderungen an den Nachweis der Zahlungen gemäß den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil in BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675) nachzuholen haben. Dabei wird es auch die Anzahl der vom Kläger durchgeführten Fahrten festzustellen haben.



Ende der Entscheidung

Zurück