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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.12.1999
Aktenzeichen: III R 4/98
Rechtsgebiete: AO 1977, InvZulG 1991/1993, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 19 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 18 Abs. 1 Nr. 2
AO 1977 § 110 Abs. 2 Satz 4
AO 1977 § 110 Abs. 3
AO 1977 § 110
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
InvZulG 1991/1993 § 6 Abs. 2 Satz 2
InvZulG 1991/1993 § 6
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt als Einzelunternehmer eine Kfz-Werkstatt in A. Seinen Wohnsitz hat er in B. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt B) ist als Wohnsitz-FA zuständig für die Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA A ist zuständiges Betriebs-FA gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977.

Mit dem am 29. September 1993 beim FA A eingegangenen und unter Mitwirkung seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten angefertigten Antrag beantragte der Kläger auf dem amtlichen Vordruck IZ 92 (Antrag auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz --InvZulG-- 1991, Oberfinanzdirektion --OFD-- Erfurt, 02/93) beim FA A Investitionszulage für im Kalenderjahr 1992 (1. Streitjahr) in seinem Betrieb in A vorgenommene Investitionen. Das FA A leitete den Antrag am 1. Oktober 1993 an das beklagte FA B (Wohnsitz-FA) weiter, wo er am 5. Oktober 1993 einging. Mit Bescheid vom 18. Januar 1994 setzte das FA B die Investitionszulage für 1992 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß fest.

Mit dem am 27. September 1994 beim FA A eingegangenen und ebenfalls unter Mitwirkung seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten angefertigten Antrag beantragte der Kläger auf dem amtlichen Vordruck IZ 93 (Antrag auf Investitionszulage nach dem InvZulG) gleichermaßen beim FA A Investitionszulage für das Kalenderjahr 1993 (2. Streitjahr). Das FA A leitete den Antrag am 4. Oktober 1994 an das beklagte FA B weiter, wo er am 6. Oktober 1994 einging.

Unter dem 6. Februar 1995 teilte das FA B dem Kläger (persönlich) den verspäteten Eingang des Antrags für 1993 mit und wies auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin. Die steuerlichen Berater des Klägers teilten daraufhin am 27. Februar 1995 mit, der Antrag sei versehentlich beim FA A eingereicht worden. Gleichwohl sei das Datum des Eingangs beim FA A maßgeblich. Unter dem 28. Februar 1995 wiesen sie ergänzend darauf hin, sie seien davon ausgegangen, für die Festsetzung der Investitionszulage sei dasjenige FA zuständig, das für die gesonderte Gewinnfeststellung zuständig sei, und beantragten die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Bescheid vom 15. März 1995 lehnte das FA B die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Gewährung einer Investitionszulage für 1993 ab. Im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrags für 1993 überprüfte das FA B die Festsetzung für 1992 und setzte mit Änderungsbescheid vom 20. März 1995 die Investitionszulage insoweit wegen Versäumung der Antragsfrist auf 0 DM fest. Mit den Einsprüchen vom 27. März 1995 gegen diese Bescheide --beim FA B am selben Tage eingegangen-- beantragte der Kläger durch seine steuerlichen Berater Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese machten geltend, sie treffe wegen des irreführenden Hinweises über die örtliche Zuständigkeit des FA in den Antragsformularen kein Verschulden an der durch die Einreichung der Anträge beim FA A (als dem für die gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte des Klägers zuständigen FA) eingetretenen Fristversäumung. Denn die gesonderte und einheitliche Feststellung sei kein gesetzlich definierter Begriff. Ungeachtet dessen hätte eine sofortige Ablehnung des Antrags für 1992 dazu geführt, dass der Antrag wenigstens für 1993 ordnungsgemäß gestellt worden wäre.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er bzw. seine steuerlichen Berater das FA A wegen entschuldbarer Unkenntnis der Verhältnisse für zuständig gehalten hätten. Aufgrund des Hinweises in dem Antragsformular hätten der Kläger bzw. seine steuerlichen Berater davon ausgehen können, das FA A sei entsprechend seiner Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung des betrieblichen Gewinns auch für die Investitionszulage hinsichtlich der betrieblich veranlassten Investitionen zuständig. Denn in dem Formular sei der Fall der Anspruchsberechtigung einer Gesellschaft gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1991/1993 nicht angeführt. Durch die unvollständige Wiedergabe des Gesetzestextes habe die Finanzverwaltung missverständliche Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.

Mit der Revision rügt das FA B, das FG habe zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Regelungen über die Zuständigkeit in § 6 InvZulG 1991/1993 seien eindeutig.

Das FA B beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, das FA A habe durch die Bearbeitung des Investitionszulagenantrags 1991 einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der ein denkbares Verschulden auf seiner Seite als geringfügig erscheinen lasse. Der Investitionszulagenantrag 1991 sei von seinem früheren steuerlichen Berater in gleicher Weise fristgemäß beim Betriebs-FA A eingereicht und von diesem antragsgemäß und abschließend bearbeitet worden, ohne dass ein Hinweis auf die Unzuständigkeit gegeben worden sei. Dies habe er bereits im Einspruchs- und Klageverfahren im Einzelnen dargetan.

Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage hinsichtlich des Streitjahres 1992. Im Übrigen (hinsichtlich des Streitjahres 1993) ist die Revision unbegründet.

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1991/1993 ist der Antrag auf Investitionszulage bei dem für die Besteuerung nach dem Einkommen zuständigen FA zu stellen. Ist eine Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruchsberechtigter, so ist der Antrag bei dem FA zu stellen, das für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte zuständig ist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1991/1993).

Hiervon ausgehend waren die Investitionszulagenanträge des Klägers für die Streitjahre (1992, 1993) gemäß § 6 Abs. 1 InvZulG 1991/1993 bis zum 30. September 1993 bzw. 1994 bei dem beklagten FA B zu stellen. Dieses FA ist als Wohnsitz-FA nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für die Besteuerung des Klägers nach dem Einkommen zuständig. Eine Zuständigkeit des FA A ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1991/1993. Denn der Kläger betreibt seine im Bezirk des FA A unterhaltene Kfz-Werkstatt als Einzelunternehmer. Anspruchsberechtigter ist deshalb nicht eine Gesellschaft i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1991/1993, sondern der Kläger als Steuerpflichtiger i.S. des EStG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991/1993). Da die Investitionszulagenanträge des Klägers indes nach Weiterleitung durch das unzuständige FA A für 1992 erst am 5. Oktober 1993 und für 1993 erst am 6. Oktober 1994 beim zuständigen Wohnsitz-FA B (dem Beklagten) eingingen, hat der Kläger in beiden Fällen die am 30. September 1993 bzw. 1994 abgelaufene gesetzliche Antragsfrist des § 6 Abs. 1 InvZulG 1991/1993 versäumt (s.a. das zu einem ähnlichen Sachverhalt ergangene Urteil des Senats vom 14. September 1999 III R 78/97, BFH/NV 2000, 253).

2. Die Antragsfrist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1991 ist eine Ausschlussfrist, bei deren Versäumung nach § 110 AO 1977, der auch im Investitionszulagenrecht Anwendung findet, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (Senatsurteil in BFH/NV 2000, 253, m.w.N.). Im Streitfall sind die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen indes nur für das Streitjahr 1993 erfüllt. Der Kläger war lediglich insoweit ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert.

a) Wie der Senat zuletzt in seinem Urteil in BFH/NV 2000, 253 (m.w.N.) ausgeführt hat, wird nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur durch grobes Verschulden, sondern bereits durch einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Eine Fristversäumung ist deshalb nur dann als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte. Wegen unverschuldeten Rechtsirrtums kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn sich der Irrtum auf die Frist selbst oder die Form der Fristwahrung bezieht. Irrtümer über materielles Recht begründen grundsätzlich keine Wiedereinsetzung. Hier wird dem Steuerpflichtigen zugemutet, sich ausreichend zu informieren. Bei berufsmäßigen Vertretern begründet die mangelnde Kenntnis über verfahrensrechtliche Fristen grundsätzlich einen Verschuldensvorwurf. Bei solchen Vertretern kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Rechtslage in hohem Maße unsicher ist, die einzuhaltende Frist versäumt wurde, weil rechtlich vertretbare Überlegungen zu der Fristversäumung geführt haben, und schließlich trotz der Unsicherheit die Zweifel über die bestehende Frist bzw. die Möglichkeit der Fristwahrung auch durch zumutbare Ausschöpfung bestehender Informationsmöglichkeiten nicht ausgeräumt werden konnten. Das Verschulden seines Beraters muss sich der Steuerpflichtige zurechnen lassen.

b) Hiervon ausgehend ist der Rechtsirrtum seiner steuerlichen Berater, auf den sich der Kläger beruft, für das Jahr 1992 nicht entschuldbar.

Bei der Abwägung, ob eine entschuldbare Verhinderung an der Fristwahrung vorliegt, ist hinsichtlich des Investitionszulagenantrags 1992 freilich nicht auf den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers abzustellen. Die Antragsfrist für den Investitionszulagenantrag 1992 endete nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1991 am 30. September 1993. Die Jahresfrist, innerhalb derer Wiedereinsetzung gewährt werden kann, endete dementsprechend am 30. September 1994 und war am 27. März 1995, als der Kläger mit dem Einspruch gegen den Investitionszulagenbescheid 1992 insoweit erstmals Wiedereinsetzungsgründe geltend machte, abgelaufen. Nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 110 Abs. 3 AO 1977 ist ein Wiedereinsetzungsantrag unzulässig, es sei denn, höhere Gewalt hätte die Fristwahrung verhindert. Solche Umstände liegen hier nicht vor.

Für 1992 käme sonach lediglich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (von Amts wegen ohne Antrag) wegen offenkundiger oder amtsbekannter Tatsachen, die die Annahme unverschuldeter Fristversäumnis rechtfertigen könnten, nach § 110 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1990 VI R 178/85, BFH/NV 1991, 140). Mit der Weiterleitung des Investitionszulagenantrags 1992 an das Wohnsitz-FA B und dem Eingang dort am 5. Oktober 1993 ist die vom Kläger versäumte Handlung, die Einreichung des Investitionszulagenantrags 1992, als i.S. von § 110 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nachgeholt anzusehen. Da dies innerhalb der Jahresfrist geschehen ist, hätte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden können, wenn --innerhalb der Jahresfrist-- eine die Wiedereinsetzung rechtfertigende Lage gegeben gewesen wäre. Hierfür wäre allerdings erforderlich, dass die für eine Wiedereinsetzung sprechenden Gründe (vor Ablauf der Jahresfrist) aus den Akten erkennbar waren (BFH-Urteil vom 15. Mai 1996 X R 99/92, BFH/NV 1996, 891; Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 110 Anm. 7).

Ungeachtet dieser Voraussetzungen hat der Kläger die Antragsfrist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1991/1993 nicht unverschuldet versäumt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. August 1998 III R 47/95 (BFHE 187, 134, BStBl II 1999, 65) dargelegt hat, ergibt sich in Fällen der hier vorliegenden Art aus § 6 Abs. 2 InvZulG 1991/1993 zweifelsfrei die Zuständigkeit des Wohnsitz-FA für die Einreichung des Investitionszulagenantrags (vgl. auch Senatsurteil vom 27. August 1998 III R 15/96, BFH/NV 1999, 368). Da der Kläger seine Kfz-Werkstatt als Einzelunternehmen und nicht im Rahmen einer Gesellschaft betreibt, ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1991/1993 nicht das für die gesonderte Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zuständige Feststellungs-FA A, sondern das beklagte Wohnsitz-FA B zuständig. Der Senat hat in der genannten Entscheidung in BFHE 187, 134, BStBl II 1999, 65 ferner darauf hingewiesen, dass es sich bei dem InvZulG 1991 --Gleiches gilt für das mit dem InvZulG 1991 weitgehend übereinstimmende InvZulG 1993-- nicht lediglich um eine Fortschreibung des InvZulG 1986 oder auch der Investitionszulagenverordnung, sondern um eine grundlegende Neuregelung handelte. Dementsprechend ergingen neue Verwaltungsanweisungen und wurden neue Antragsvordrucke geschaffen. Bei solchen Verhältnissen kann sich ein berufsmäßiger Vertreter nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum über den Inhalt und die Auslegung der die Neuregelung betreffenden Vorschriften berufen, wenn er sich nicht in zumutbarer Weise darum bemüht hat, sich die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Unter Beachtung des Gesetzestextes, der die Zuständigkeit betreffenden Verwaltungsanweisungen und auch der Belehrung in dem Antragsvordruck wäre für die Berater des Klägers erkennbar gewesen, dass die Investitionszulagenanträge 1992 und 1993 beim Wohnsitz-FA einzureichen gewesen wären.

Der Hinweis des Klägers auf die ohne eine Beanstandung durchgeführte Bearbeitung seines Investitionszulagenantrags 1991 durch das FA A rechtfertigt für das Streitjahr 1992 allein noch keine andere Entscheidung. Aus dem Umstand, dass sich das FA A entgegen der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung für die Festsetzung der Investitionszulage 1991 als zuständig angesehen hat, ergibt sich noch kein geschütztes Vertrauen des Klägers oder seiner steuerlichen Berater dahingehend, das FA A werde auch für das Folgejahr seine Zuständigkeit nicht in Frage stellen. Darüber hinausgehende besondere Umstände, aufgrund derer eine solche Annahme ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte, etwa eine gesonderte, auf seine Zuständigkeit bezogene Erklärung des FA A, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Wie sich auch aus dem Urteil des Senats in BFH/NV 2000, 253 ergibt, wird allein aufgrund einer nur einmaligen Verbescheidung durch ein seine örtliche Zuständigkeit verkennendes FA grundsätzlich noch kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Anspruchsberechtigte auch für das Folgejahr von der Zuständigkeit des unzuständigen FA ausgehen könnte.

c) Für das Streitjahr 1993 sind hingegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben. Der Kläger hat mit seinem Einspruchsschreiben vom 27. März 1995, in dem er darauf hinweist, das FA B habe das Fristversäumnis hinsichtlich des Investitionszulagenantrags 1993 auch dadurch mitverursacht, dass es ihn, den Kläger, nicht auf die Verfristung des Investitionszulagenantrags 1992 hingewiesen habe, die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat gemäß § 110 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 1977 gewahrt. Denn das FA B hatte unter dem 6. Februar 1995 den Kläger persönlich --nicht aber seine steuerlichen Berater-- auf den verspäteten Eingang des Investitionszulagenantrags 1993 hingewiesen. Im Übrigen waren die betreffenden Umstände --die antragsgemäße Festsetzung der Investitionszulage für das Jahr 1991 durch das FA A und für das Jahr 1992 durch das beklagte FA B unter Nachprüfungsvorbehalt-- aktenkundig und deshalb vom FA B von Amts wegen zu berücksichtigen (s. hierzu oben unter b, 3. Absatz).

Im Streitfall liegen auch besondere Umstände vor, die dem dem Urteil des Senats in BFH/NV 2000, 253 zugrunde liegenden Sachverhalt ähnlich sind und eine schuldlose Verhinderung des Klägers an der Einhaltung der Antragsfrist gemäß § 6 Abs. 1 InvZulG 1993 rechtfertigen. Nach den Grundsätzen des Urteils in BFH/NV 2000, 253 kann einem Anspruchsberechtigten --unter Berücksichtigung der gesamten Umstände-- nach Treu und Glauben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist für die Investitionszulage zu gewähren sein, wenn ein FA wiederholt in Verkennung seiner örtlichen Unzuständigkeit für vorhergehende Wirtschaftsjahre Investitionszulagen gewährt hat und ein für ein Folgejahr erneut bei diesem FA gestellter Zulagenantrag erst nach Fristablauf an das örtlich zuständige FA weitergeleitet worden ist.

Die mit den Investitionszulagenanträgen des Klägers befassten FÄ, das FA A und das beklagte FA B, haben durch die unbeanstandete Investitionszulagengewährung für die Jahre 1991 und 1992 beim Kläger bzw. bei seinen Beratern den Eindruck erweckt, trotz örtlicher Unzuständigkeit des FA A könne auch der Zulagenantrag für das Streitjahr 1993 fristwahrend beim FA A eingereicht werden. Anders als für das Jahr 1992 liegt auch nicht ein lediglich einmaliges, sondern ein wiederholtes Tätigwerden der beteiligten FÄ vor, das zu dem die Fristversäumung verursachenden Irrtum auf Seiten des Klägers geführt hat. Denn zunächst wurde vom FA A durch die von ihm ohne Beanstandung durchgeführte Investitionszulagenfestsetzung für 1991 beim Kläger der --für sich allein nicht ausreichende (s.o. b)-- Eindruck erweckt, auch für die Gewährung der Investitionszulage nach dem InvZulG 1991 sei --wie für die Zulage nach der Investitionszulagenverordnung (InvZulVO, vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 InvZulVO)-- das FA A als Betriebs-FA zuständig. Mit der --zwar unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten, aber im Übrigen unbeanstandeten-- Festsetzung der Investitionszulage für 1992 durch das beklagte FA B aufgrund des in gleicher Weise wie für das Vorjahr beim FA A eingereichten Antrags wurde sodann beim Kläger dieser Eindruck dahingehend bestärkt, der Zulagenantrag könne auch noch für 1993 fristwahrend beim FA A eingereicht werden. Die jeweils unbeanstandete Zulagengewährung durch das örtlich unzuständige FA A für 1991 und anschließend --trotz Einreichung beim unzuständigen FA A und ungeachtet des Ablaufs der Antragsfrist-- durch das beklagte FA B für 1992 rechtfertigen es hier, dem Kläger wegen Versäumung der Antragsfrist für den Zulagenantrag für 1993 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Bei dieser Wertung sind auch die im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestehenden, wiedervereinigungsbedingten Schwierigkeiten berücksichtigt. Ebenso wie die FÄ befand sich auch die Beraterschaft seinerzeit wegen der Fülle der Anträge in einer angespannten Arbeitssituation. Die gesetzgeberische Initiative, die bisherige Ausschlussfrist für Anträge auf Investitionszulage als nicht sachgerecht zu streichen (vgl. BRDrucks 391/99), spricht im Übrigen auch dafür, an die Fristwahrung nicht die allerstrengsten Anforderungen zu stellen.

Ende der Entscheidung

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