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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.06.2003
Aktenzeichen: III R 43/02
Rechtsgebiete: EigZulG, EStG


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1 Satz 1
EStG § 10e Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit notariellem Vertrag vom 4. Juni 1998 übernahm die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unentgeltlich ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück von ihrer Mutter. Der Verkehrswert des Grundstückes war mit 200 000 DM angegeben. Seit August 1998 nutzt sie das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Am 29. Oktober 1999 beantragte sie die Festsetzung einer Eigenheimzulage für das Einfamilienhaus. Dabei ging sie von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 56 102 DM aus. Dieser Betrag ergab sich aus dem Antrag beigefügten Rechnungsbelegen über verschiedene Baumaßnahmen.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Antrag abgelehnt hatte, trug die Klägerin im Einspruchsverfahren vor, das übernommene Gebäude habe zuvor zehn Jahre leergestanden, sei völlig verschlissen und daher mit einem Rohbau vergleichbar gewesen. Sie habe die Außenwände isoliert, da diese vom Schimmel befallen gewesen seien. Ferner habe sie Elektro-, Wasser- und Sanitärleitungen, das Bad, die Böden, Türrahmen und Türen sowie die Heizung erneuert. Außerdem seien Decken und Wände neu verputzt worden.

Das FA wies den Einspruch nach einer Ortsbesichtigung zurück. Für die vorgenommenen Bauarbeiten könne die Klägerin keine Eigenheimzulage erhalten, da sie das Gebäude unentgeltlich erworben und auch kein neues Gebäude hergestellt habe.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1504 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 2, 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG). Sie trägt vor, sie habe eine Wohnung hergestellt. Das Gebäude sei um 1900 errichtet, die Küche sei 1952 installiert, die Kohlenöfen in den Jahren 1940 bis 1950 aufgestellt worden. Die Außenwände seien nass, die Fensterrahmen verfault und der Holzfußboden sei morsch gewesen; Türen und Türrahmen hätten irreparabel von den Wänden gehangen. Eine Wohnung liege nicht mehr vor, wenn sie völlig unbrauchbar sei. Hiervon sei dann auszugehen, wenn der Innenausbau derart verfallen sei, dass der Zustand einem Rohbau gleichkomme. Auch wenn die neu eingefügten Gebäudeteile mangels erheblicher konstruktiver Veränderungen dem Gesamtgebäude nicht das bautechnische Gepräge gäben, lägen bei derart umfangreichen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen Herstellungskosten vor. Ein umfangreicher und tiefgreifender Verschleiß der Inneneinrichtung führe zur Herstellung einer neuen Wohnung.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung sowie den ablehnenden Bescheid aufzuheben und eine Eigenheimzulage von 5 % aus einer Bemessungsgrundlage von 56 102 DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG einen Anspruch der Klägerin auf Eigenheimzulage verneint.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung im eigenen Haus oder einer eigenen Eigentumswohnung begünstigt.

1. Die Klägerin hat keine neue Wohnung hergestellt.

a) Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet nach der ständigen, insoweit auch im Eigenheimzulagenrecht weiter einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die mit der Entscheidung vom 15. Mai 2002 X R 36/99 (BFH/NV 2002, 1158) nochmals konkretisiert worden ist, das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (Senatsurteil vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFH/NV 2003, 972). Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude können deshalb nur dann als Herstellung einer Wohnung beurteilt werden, wenn die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung muss bautechnisch neu sein. Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972, unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 25. August 1999 X R 57/96, BFH/NV 2000, 186, und vom 13. Oktober 1998 IX R 61/95, BFHE 187, 431, BStBl II 1999, 282, unter 1. a, m.w.N.).

Instandsetzung, Renovierung und Modernisierung eines Gebäudes führen ebenso wenig zur Neuherstellung wie die so genannte "Generalüberholung". Dieser Begriff hat nach der neueren Rechtsprechung des BFH keine eigenständige steuerrechtliche Bedeutung, sondern umschreibt lediglich in tatsächlicher Hinsicht den Vorgang umfangreicher Instandsetzungsarbeiten (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972, unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 4. a; vom 17. Dezember 1997 X R 54/96, BFH/NV 1998, 841, und in BFH/NV 2002, 1158, 1159).

Nur wenn ein Gebäude infolge Abnutzung unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158 (m.w.N.) ein Gebäude erst bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen. Die grundlegende Sanierung reicht nicht aus. Die Altbausubstanz muss tiefgreifend umgestaltet worden sein, die neu eingefügten Gebäudeteile müssen der entstandenen Wohnung das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (BFH-Urteile vom 15. November 1995 X R 102/95, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92, und vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94). Es reicht nicht aus, dass das Gebäude z.B. nicht vermietbar ist, weil es wegen Abnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemäßen Wohnvorstellungen entspricht (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972).

b) Das FG hat zutreffend die Baumaßnahmen als Instandsetzung und nicht als Neuherstellung einer Wohnung beurteilt. Bei der Sanierung sind mit Ausnahme einer tragenden Innenwand keine wesentlichen Bauteile, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, verändert worden, sondern die Wohnung wurde lediglich --wenn auch umfassend-- in Stand gesetzt.

Ob die Wohnung zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs auf die Klägerin sich in einem vermietbaren oder in einem nicht vermietbaren Zustand befunden hat, ist für diese Beurteilung ohne Belang (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 972). Eine nicht bewohnbare Wohnung --vom hier nicht vorliegenden Fall des Vollverschleißes abgesehen-- verliert ihre Eigenschaft als Wohnung nicht dadurch, dass sie einen umfassenden Sanierungsbedarf ausweist.

2. Die Klägerin hat die Wohnung nicht angeschafft, sondern unentgeltlich erworben. Mangels Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung sind daher die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen unabhängig davon, ob diese dem Grunde nach als Erhaltungsaufwand oder als Herstellungsaufwand zu beurteilen sind, nicht begünstigt. Aufwendungen, die im Falle eines entgeltlichen Erwerbs als Herstellungsaufwand in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag miteinzubeziehen sind, sind bei unentgeltlichem Erwerb nicht selbständig begünstigt (BFH-Urteil vom 15. November 1995 X R 59/95, BFHE 179, 286, BStBl II 1996, 356).

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