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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.05.1999
Aktenzeichen: III R 46/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
BUNDESFINANZHOF

Läßt sich eine Frau, die mit einem zeugungsunfähigen Mann verheiratet ist, mit dem Samen eines Dritten künstlich befruchten, so sind die Aufwendungen hierfür nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805).

EStG § 33

Urteil vom 18. Mai 1999 - III R 46/97 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1998, 316)


Gründe

Im Streitjahr (1992) begab sich die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung in Form der sog. heterologen Insemination in gynäkologische Behandlung. Von den hierdurch entstandenen Kosten machte sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Kläger und Revisionskläger (Kläger), in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen Betrag in Höhe von 5 620 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Eine --auch nur teilweise-- Kostenerstattung durch die Krankenkasse war nicht erfolgt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte bei der Festsetzung der Einkommensteuer eine Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten ab. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 316, veröffentlichte Urteil als unbegründet ab. Es war der Ansicht, die Kosten seien den Klägern nicht zwangsläufig erwachsen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und 5 620 DM als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die im Zusammenhang mit der durchgeführten künstlichen Befruchtung entstandenen Kosten im Streitfall keine zwangsläufigen Aufwendungen i.S. von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern (BFH-Urteile vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, jeweils m.w.N.). Der Begriff der Heilbehandlung umfaßt dabei alle Eingriffe und anderen Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern (BFH-Urteil in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805). In diesem Sinne sind alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne daß es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Im Rahmen des Merkmals der Zwangsläufigkeit sind das auslösende Ereignis, die Krankheit, und die Heilbehandlung aufeinander bezogen, d.h. die Heilbehandlung muß wegen der Krankheit stattfinden. Nicht als außergewöhnliche Belastung sind dementsprechend Aufwendungen für solche Maßnahmen zu berücksichtigen, die nicht unter den Begriff der Heilbehandlung im hier maßgeblichen Sinne fallen, sondern einem Steuerpflichtigen nur gelegentlich oder als Folge einer Krankheit entstehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212).

Bei den Aufwendungen der Kläger im Zusammenhang mit der Durchführung einer künstlichen Befruchtung in Form der sog. heterologen Insemination, d.h. der Befruchtung von Eizellen der Klägerin mit dem Sperma eines fremden Mannes, handelt es sich danach nicht um die Kosten therapeutischer Maßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 33 EStG. Es fehlt --anders als in Fällen der homologen künstlichen Befruchtung (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805)-- an einer gezielten, medizinisch indizierten Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung der Krankheit des Klägers bzw. der Klägerin. Nach dem von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundessozialgerichts entwickelten Krankheitsbegriff, dem sich der BFH grundsätzlich angeschlossen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), ist auch die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners --hier des Klägers-- als Krankheit, d.h. objektiv als anormaler regelwidriger Körperzustand, einzuordnen. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit ist für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion. Die nicht behebbare Unfruchtbarkeit bedeutet oftmals für den sterilen Partner eine erhebliche Einschränkung seines Selbstwertgefühls und kann zu schwerwiegenden Konflikten zwischen den Ehepartnern bis hin zu seelischen Erkrankungen führen (BGH-Urteil vom 12. November 1997 IV ZR 58/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1998, 824).

Dagegen ist die Kinderlosigkeit als solche die persönliche und soziale Folge der Sterilität, nicht aber selbst eine Krankheit im vorgenannten Sinn (BGH-Urteil vom 17. Dezember 1986 IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228, NJW 1987, 703). Die Verwirklichung des Wunsches nach einem eigenen Kind im Wege einer künstlichen Befruchtung ist zwar zweifelsohne Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützt ist. Ungeachtet dessen sind aber die mit der Durchsetzung grundgesetzlich geschützter Rechte verbundenen finanziellen Belastungen nur dann und insoweit im Rahmen des § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus einer Zwangslage heraus erwachsen sind, nicht jedoch, wenn sie auf seiner freien Entschließung beruhen (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491, m.w.N.). Die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch Kosten der Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG dürfen nach Sinn und Zweck des § 33 EStG nur dann und insoweit ausnahmsweise zu Lasten der Allgemeinheit steuermindernd berücksichtigt werden, wenn die Aufwendungen für den Steuerpflichtigen eine unabweisliche finanzielle Belastung darstellen, wie z.B. Krankheitskosten.

Das FG ist in Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe zutreffend davon ausgegangen, daß die im Streitfall vorgenommene Befruchtung der Klägerin mit dem Sperma eines Dritten nicht auf die Heilung oder Linderung der Krankheit des Klägers abzielte und aus diesem Grunde keine Heilbehandlung darstellte. Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen des Urteils in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, in dem der Senat darüber zu entscheiden hatte, ob Kosten für die künstliche Befruchtung von Eizellen einer Ehefrau Krankheitskosten i.S. des § 33 EStG darstellen, wenn die Frau lediglich biologisch unfähig war, auf natürlichem Wege ein Kind zu empfangen. Im Streitfall dagegen wird die Krankheit des Klägers, nämlich die Unfähigkeit genetische Nachkommen zu haben, durch die Behandlung der Klägerin in keiner Weise beeinflußt. Zwar setzt eine Heilbehandlung nicht notwendig voraus, daß die Ursache der Krankheit beseitigt wird; es genügt --wie ausgeführt-- bereits eine Linderung der mit ihr verbundenen Beschwerden. Die künstliche Befruchtung der (gesunden) Ehefrau mit Fremdsamen bezweckt aber nicht die Beseitigung oder Linderung von Schmerzen oder Beschwerden als Symptomen der Unfruchtbarkeit des Ehemannes, sondern die Erfüllung des Wunsches nach einem Kind (s. Rüsken, NJW 1998, 1745, 1746).

Der Senat folgt dem FG auch in der Auffassung, daß die Aufwendungen den Klägern ebensowenig aus anderen Gründen zwangsläufig erwachsen sind. Die Kläger haben zwar vorgetragen, die Behandlung sei auf Anraten der behandelnden Frauenärzte durchgeführt worden, um den durch die Kinderlosigkeit verursachten starken Leidensdruck der Klägerin zu mildern. Die damit angesprochene Frage, ob die hier zu beurteilende ärztliche Maßname zur Beseitigung seelischer Störungen eingesetzt werden könnte (ablehnend bei Adoptionen: BFH-Urteil in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596), braucht der Senat im Streitfall jedoch nicht zu beantworten. Denn es ist weder ersichtlich, daß bei der Klägerin eine behandlungsbedürftige seelische Erkrankung vorgelegen hätte, noch daß die künstliche Befruchtung nach vertretbarem ärztlichen Urteil zur Behandlung einer solchen Erkrankung notwendig gewesen wäre. Die vorgelegte Bescheinigung enthält hierzu keine entsprechenden Aussagen. Die Gefahr einer möglichen psychischen Erkrankung allein ist aber noch keine Krankheit in dem hier maßgebenden Sinne (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427).

Ende der Entscheidung

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