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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: III R 53/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33a Abs. 1
BUNDESFINANZHOF

Das BMF wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit aufgrund des Internationalen Privatrechts und/oder des Gemeinschaftsrechts der Begriff der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG in der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung eine Erweiterung erfährt.

EStG § 33a Abs. 1

Beschluss vom 8. März 2001 - III R 53/98 -

Vorinstanz: FG Bremen (EFG 1999, 70)


Gründe

I. Sachverhalt

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) überwies im Streitjahr (1996) ... DM an seine in der Türkei lebende Schwägerin und deren (im Streitjahr 24, 19 und 17 Jahre alte) Kinder für deren Unterhalt. In seiner Einkommensteuererklärung machte er diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ("Unterhalt für bedürftige Angehörige") geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen --auch im Einspruchsverfahren-- nicht zum Abzug zu. Es verwies dazu auf die gesetzliche Neuregelung in § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250) --JStG 1996--, nach der nur noch Unterhaltsaufwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen zu berücksichtigen seien.

Die Klage, mit der sich der Kläger darauf berief, dass seine Schwägerin und deren Kinder nach dem frühen Tod seines Bruders mittellos gewesen seien, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 70 veröffentlichten Urteils im Wesentlichen aus: Der Gesetzgeber habe durch Art. 1 Nr. 33 JStG 1996 die gesetzliche Regelung des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG dahin geändert, dass nur noch Aufwendungen für den Unterhalt gesetzlich unterhaltsberechtigter Personen berücksichtigt werden dürften. Wer zu diesem Personenkreis gehöre, richte sich nach inländischen zivilrechtlichen Maßstäben, nämlich den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Weder die Schwägerin noch deren Kinder gehörten zu diesem Personenkreis. Die vom Kläger unterstützten Personen gehörten auch nicht zu den in § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG genannten, den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen "gleichgestellten Personen". Darauf, ob die Aufwendungen dem Kläger zwangsläufig erwachsen seien, komme es daher nicht mehr an.

Die Unterhaltsaufwendungen könnten auch nicht nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Denn der Abzug von Unterhaltsaufwendungen sei durch § 33a EStG abschließend geregelt, wie sich aus § 33a Abs. 5 EStG ergebe. Die Regelung des § 33a Abs. 5 EStG sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verfassungsgemäß (Hinweis auf das Urteil vom 26. Juni 1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278).

Mit seiner --vom Senat zugelassenen-- Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zum einen sei die vom FG der Entscheidung zugrunde gelegte Regelung in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG verfassungswidrig, zum anderen habe das FG den § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG unzutreffend ausgelegt. Er führt u.a. aus, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG), wenn Leistungen an unterhaltsberechtigte Personen Berücksichtigung fänden, während Zahlungen an die weitere Verwandtschaft steuerrechtlich unbeachtlich seien, obwohl der Leistende in gleichem Maße belastet sei. Ferner werde der Grundsatz verletzt, den Steuerbürger nur unter Beachtung seiner Leistungsfähigkeit durch Abgaben zu belasten. Seine, des Klägers, Leistungsfähigkeit werde maßgeblich durch die Zahlungen an die Schwägerin und deren Kinder geprägt, so dass diese Belastung auch bei der Ermittlung seiner Steuerschuld zu berücksichtigen sei. Bei den strittigen Unterstützungszahlungen handele es sich um Aufwendungen, die notwendig seien, um die in der Türkei lebenden Angehörigen wegen des dort fehlenden Sozialsystems vor der Verelendung zu bewahren. Die Regelung in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG trage auch den sozialen Bindungen innerhalb der Familie, die gemäß Art. 6 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehe, nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Familiäre Bindungen und damit verbundene sittliche und moralische Verpflichtungen bestünden auch zu Mitgliedern, die nicht unmittelbar nach deutschem Zivilrecht unterhaltsberechtigt seien.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1996 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1997 bei der Festsetzung der Einkommensteuer Unterstützungsleistungen in Höhe von ... DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

2. In einem weiteren, beim Senat anhängigen Revisionsverfahren (Az.: III R 8/01), dem ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde liegt (Unterstützung der in der Türkei lebenden mittellosen Stiefmutter des Revisionsklägers sowie seiner Schwester und deren drei Kinder), kommt das FG Rheinland-Pfalz (Az.: 6 K 1023/99) zu dem Ergebnis, dass nach völkerrechtlichen, dem innerstaatlichen Recht vorgehenden Vereinbarungen eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers begründet sei. Das Haager Übereinkommen vom 2. Dezember 1973 über das auf Unterhaltspflichten geltende Recht (Unterhaltsstatusabkommen --UStA--, BGBl II 1986, 825, 837, BGBl II 1987, 225) sei gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) unmittelbar geltendes Recht. Die die Unterhaltspflichten regelnden Vorschriften des Abkommens (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 bis 10 UStA) seien in Art. 18 EGBGB wortgleich übernommen worden. Dieser bestimme, dass auf Unterhaltspflichten die Sachvorschriften des am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltenden Rechts anzuwenden seien. Das bedeute, dass hinsichtlich des Umfangs der Unterhaltsleistungen auf die Regelungen der Türkei zurückzugreifen sei (Art. 18 Abs. 6 Nr. 1 EGBGB). Da nach türkischem Recht eine gesetzliche Unterhaltspflicht auch gegenüber Verwandten in der Seitenlinie bestehe, was sich aus dem Protokoll über die Erklärung eines Vorbehalts durch den türkischen Staat ergebe, wonach das in Art. 14 Nr. 1 und 2 UStA vorgesehene Recht nicht auf die vorgenannten Unterhaltspflichten anzuwenden sei (BGBl II 1987, 226), ergebe sich eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber den in der Türkei lebenden, von ihm unterstützten Verwandten. Dem Anspruch könne auch die Einrede nach Art. 18 Abs. 3 EGBGB nicht entgegengehalten werden. Das FG hat die Klage gleichwohl abgewiesen, weil eine derartige Unterhaltsverpflichtung nicht im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sei. Sie genüge nicht den in § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG genannten "inländischen Maßstäben".

II. Rechtslage

Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der einem Steuerpflichtigen erwachsenden Aufwendungen für den Unterhalt einer Person, für die weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld hat, ist nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der hier anzuwendenden Fassung (BGBl I 1995, 1250) u.a., dass die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Die Frage, ob ein Unterhaltsanspruch vorliegt, richtet sich nach inländischen Maßstäben (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG). Nach dem BGB besteht keine rechtliche Verpflichtung, eine Schwägerin oder Schwester und deren Kinder zu unterstützen. Denn nach dem BGB sind nur Ehegatten (§ 1360 f. BGB) und Verwandte in gerader Linie (§ 1601 f. BGB) einander gegenüber gesetzlich unterhaltspflichtig. Zu diesem Personenkreis gehören die von den Klägern in den hier anhängigen Fällen unterstützten Personen nicht.

III. Rechtsfragen

Der Streitfall wirft insbesondere die folgenden Rechtsfragen auf:

1. Ist in Besteuerungsfällen mit Auslandsbezug der Begriff der "gesetzlichen Unterhaltsberechtigung" i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 1. Halbsatz EGBGB erweiternd auszulegen?

2. Können sich aus dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl II 1964, 509, 1959) und aus dem Zusatzprotokoll vom 23. November 1975 (dort insbesondere Art. 39), in Handbuch des Europäischen Rechts, herausgegeben von v.d. Groeben/Thiesing/Ehlermann, unter I M 10, S. 81 ff., für die Auslegung und Anwendung des nationalen Steuerrechts, hier § 33a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG, Folgerungen ergeben?

3. a) Ist es von Verfassungs wegen nach Art. 3 Abs. 1 GG (Leistungsfähigkeitsprinzip) geboten, auch solche Unterhaltszahlungen als sog. indisponible Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen, die auf sittlich zwangsläufigen Gründen beruhen? Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegen sittliche Gründe in diesem Sinn nur vor, wenn ein einem Rechtszwang ähnliches sittliches Gebot besteht (Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715).

b) Ist die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung auf sittlicher Zwangsläufigkeit beruhender Aufwendungen --kein Abzug laufender, typischer Unterhaltsleistungen mehr nach § 33a Abs. 1 EStG in der ab Veranlagungszeitraum 1996 geltenden Fassung, jedoch eine Berücksichtigung anderer außergewöhnlicher Aufwendungen, wie z.B. Krankheitskosten, in den Grenzen des § 33 EStG-- gleichheitsrechtlich zu rechtfertigen?

IV. Beitritt des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)

Der Senat hält es für wünschenswert, dass das BMF nach § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beitritt und insbesondere zu den angesprochenen Fragen Stellung nimmt.



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